Brettlschieber werben auch für Warzenmittel

16.08.2007 | Stand 03.12.2020, 6:33 Uhr

Philip macht den Ollie: Mit seinem Board kann der Schrobenhausener locker mal eben über seine Kumpel hinwegfliegen. Dass das nicht immer ohne Blessuren abgeht, ist fast schon systembedingt. Wer ein richtiger Skater ist, steckt die offenbar kalt lächelnd weg. - Foto: Stark

Schrobenhausen (SZ) Sie sind keine Fitnessfanatiker. Ihnen fehlt der verbissene Gesichtsausdruck. Sie haben keinen Vorstand. Sie sind ja nicht einmal in einem Verein organisiert. Sie haben zahlreiche Brüche – und bald einen neuen Platz, um sich weitere zuzuziehen: die Schrobenhausener Skateboarder.

"Die Praxisgebühr für Skater sollte abgeschafft werden", fordert Marco Bernd, 24-jähriger Fachinformatiker-Azubi, und seine Freunde stimmen ihm zu. Es vergeht kein Quartal, ja kein Monat, in dem sie nicht eine Praxis aufsuchen müssen. Wieder ein paar Muskelfasern gerissen, wieder ein Knochen lädiert, wieder eine Gehirnerschütterung. Es ist eine gefährliche Freizeitbeschäftigung. Wolfgang Kollmberger, 19 Jahre alt, ist der wohl größte Invalide der eingeschworenen Gemeinschaft von fünf Skatern, die sich "Läuftfahrer-Team" nennt: "Bei mir sind Elle und Speiche abgebrochen. Sie haben mir Titanplatten an die Gelenke geschraubt. Eigentlich habe ich Skateverbot bis 2009 – nach sieben Tagen bin ich aber wieder gefahren."

Es ist auch ein teures Vergnügen, nicht nur wegen der Praxisgebühr. "Fast jede Woche brauche ich ein neues Board, das kostet 30 Euro. Immer wieder Achsen, das macht für jede 60 Euro – und einmal im Monat auch neue Schuhe", sagt Philip Merkl und zeigt seine durchgescheuerten Treter. 5000 Euro, schätzt der 18-Jährige, hat er, seit er vor sieben Jahren anfing, fürs Skaten ausgegeben.

Viel Geld für andere Aktivitäten bleibt da nicht. Es gibt aber auch gar keine anderen Aktivitäten. "Skaten ist kein Sport, Skaten ist eine Lebenseinstellung", meint Wolfgang. Wenn sie nicht gerade arbeiten oder zur Schule gehen, skaten die Singles oder treffen sich bei einem zu Hause und schauen sich Skatebordvideos an. "Die Wahrnehmung verändert sich. Wenn ich Treppen sehe, dann denke ich nur: welchen Trick könnte ich da anwenden?", sagt Wolfgang.

Und da gibt es viele: zum Beispiel Kickflip (360-Grad-Drehung des Skateboards um die Längsachse), Ollie (Sprung mit dem Skateboard) oder ein 180 (Ollie mit 180-Grad-Drehung in der Luft). Philip, bester Skater der Clique und Teilnehmer von internationalen Contests, glaubt: "Skaten ist vielseitiger als beispielsweise Fußball. Man kann eine Million Tricks kombinieren und es wird nie langweilig." Der Haupttrick ist einfach üben: "Man will was erreichen und kann sich dabei austoben", sagt Patrick Stephan, 16-jähriger Elektroniker-Azubi und Bürgermeister-Sohn. Und Louis Klotzeck (16), der eine Ausbildung zum Fremdsprachenkorrespondenten macht, findet: "Skaten ist natürlich auch ein gutes Fortbewegungsmittel."

Dass die "Brettlschieber", wie sie von vielen Älteren genannt werden, nicht in einem Verein organisiert sind, sehen sie nicht als Nachteil: "Es beißt sich, Skaten ist was für Einzelgänger", sagt Philip. "Außerdem hast du im Verein eine D-Jugend da, eine C-Jugend dort. Hier sind Leute zwischen 16 und 24 zusammen, die sich sonst nie treffen würden", meint Wolfgang. Und Philip ergänzt: "Die Kleinen können, wenn sie neu dazukommen, von uns lernen. Wir sind dann quasi ihre Trainer." "Das haben die Großen damals bei uns auch so gemacht. Und keiner wird ausgelacht", sagt Marco.

Zur Zeit skaten sie meistens beim E-Center, der alte Skaterplatz am Jahnweg ist nicht mehr nutzbar. Die Holzausrüstung ist morsch, überall stehen Nägel raus, da will keiner mehr skaten – das hält auch Nachwuchs fern. Daher wird nun neu gebaut: Der alte Platz soll betoniert und mit neuen Geräten ausgerüstet werden. Bürgermeister Karlheinz Stephan setzte sich dafür ein. "Wir freuen uns schon riesig drauf. Für 25 000 Euro dürfen wir uns Material aussuchen", sagt Philip, der auch die Zusammenarbeit mit Heiko Wenger vom Stadtbauamt lobt.

Das Skateboard ist nach einer kurzen Flaute wieder angesagt: "Es ist jetzt im Mainstream angekommen. Ich habe sogar eine Warzenmittelwerbung gesehen, in der jemand geskatet ist", lacht Marco.