Ingolstadt
Besondere Fracht auf dem Rücksitz

Die Johanniter Ingolstadt bringen Spenderorgane zu ihren neuen Empfängern

09.11.2017 | Stand 23.09.2023, 2:48 Uhr
Wenn sie kommen, ist ein Mensch gestorben. Aber ein anderer oder mehrere andere können auf ein zweites Leben hoffen. Die Johanniter übernehmen für die Deutsche Stiftung Organtransplantation die Fahrten mit Transplantationsorganen. Die Organe werden wie auf dem Foto in speziellen Boxen in die Transplantationskliniken gebracht. −Foto: Grosser

Ingolstadt (DK) Sven Müller hat Augenringe. Kein Wunder. Wieder einmal liegt eine kurze Nacht hinter dem Ingolstädter Ortsvorsitzenden der Johanniter Oberbayern. Wenige Minuten vor Mitternacht klingelte sein Handy. Es ist die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Und von jetzt auf gleich war Müller wieder hellwach. Ein Patient liegt auf der Intensivstation in einem Krankenhaus in Bayern. Er wird künstlich beamtet, nur so kann seine Herz- und Kreislauffunktion aufrechterhalten werden. Er ist hirntot. Und er ist Organspender.

Das bedeutet für Müller und sein Johanniter-Team aus Ingolstadt, sich bereitzuhalten – jeden Moment könnte es so weit sein, dass ein Fahrer aufbrechen muss, um ein Spenderorgan in der Entnahmeklinik abzuholen und es zu seinem neuen Empfänger zu transportieren. Noch muss Müller aber auf weitere Anweisungen der DSO warten.

Die Johanniter übernehmen für die DSO die Fahrten mit Transplantationsorganen. Es ist eine verantwortungsvolle Arbeit, bei der Freude und Betroffenheit nahe beieinanderliegen: Wenn Müller und seine Kollegen ausrücken, ist ein Mensch gestorben. Aber ein anderer kann auf ein zweites Leben hoffen. Die Spenderorgane von A nach B zu bringen, ist auch mit viel Zeitdruck verbunden: „Ein Herz muss innerhalb von vier Stunden nach der Entnahme transplantiert werden, bei einer Lunge sind es sechs, bei Nieren etwas mehr“, erklärt Müller. Es gibt aber eine simple Regel: Je früher das Organ beim Empfänger ankommt, desto besser sind die Chancen, dass die Transplantation gelingt. Zeitdruck herrscht für die Fahrer also immer. Rund 40 Fahrten haben die 17 ehrenamtlichen Helfer des Organtransportdienstes des Ortsverbandes Ingolstadt der Johanniter-Unfall-Hilfe für die DSO allein in diesem Jahr absolviert. An eine Tour erinnert sich Müller aber noch ganz besonders. Es war im Februar 2015, es herrschten winterliche Straßenverhältnisse, noch dazu war es dunkel – nicht die besten Voraussetzungen, wenn auf der Rückbank des Johanniter-Fahrzeugs eine Kiste mit einem Spenderherz lagert, das in einer vier Grad Celsius kalten Speziallösung in einer Styroporbox schwimmt, und schnellstmöglich zum Flughafen gebracht werden muss. Von dort aus geht es weiter zum Empfänger. „Immer wieder rechnet man durch, wie viel Zeit bleibt, damit das Herz rechtzeitig ankommt. Gleichzeitig ist man aber hochkonzentriert“, sagt Müller. Er kam pünktlich am Flughafen an, er sah das Flugzeug mit dem Herzen abheben – „und in der Sekunde fiel die ganze Anspannung ab“, erinnert er sich. Erst im Nachhinein kommen dann auch die Gedanken an Leben und Tod. Damit muss Müller allein umgehen, niemanden darf er kennenlernen, weder Patienten noch Angehörige. Das ist Vorschrift. „Das ist auch gut so, man braucht diesen Abstand“, sagt Müller.

18 Stunden nach dem Anruf der DSO bei Sven Müller macht sich ein Fahrer der Johanniter Ingolstadt auf den Weg in das Krankenhaus, in dem der Spender liegt, dessen Organe entnommen wurden. Er holt eine Spenderniere ab und düst in die Klinik, wo der Empfänger der Organspende wartet. Es ist ein besonderer Tag für ihn. Mit der neuen Niere bekommt er die Chance auf ein neues Leben.

Xenia Schmeizl