Berlins Kampf gegen kriminelle Clans

Die Berlin-Kolumne von Sabine Beikler

22.02.2019 | Stand 02.12.2020, 14:34 Uhr
Polizeibeamte kontrollieren bei einer Hochzeitsfeier zweier Familienclans Fahrzeuge - die meisten aus der Luxusklasse. −Foto: KDF-TV & Picture 2018

Die 3,75 Millionen Euro teure, 100 Kilogramm schwere Goldmünze namens "Big Maple Leaf" wurde vor zwei Jahren nachts aus dem Bodemuseum gestohlen.

Bei einer Verfolgungsjagd durch Mitte schossen Schwerbewaffnete auf Polizisten. Und zwischen Familien beim Sonntagsspaziergang auf dem Tempelhofer Feld wurde im September der polizeibekannte Intensiv-Straftäter Nidal R. mit acht Schüssen getötet. Diese Taten sind nur ein Ausschnitt aus dem Strafrechtsregister, das arabischen, kriminellen Clans in Berlin zugerechnet wird. Endlich reagieren Polizei und Politik und gehen gegen kriminelle Clans vor. Allein 77 Immobilien von der arabischen Großfamilie R. wurden beschlagnahmt. Aber der Clan behält die Mieteinnahmen. Und die fließen kontinuierlich weiter in den Libanon.

Heraus kam das, nachdem eine Hausverwaltung beim LKA nachgefragt hatte, ob sie Mieteinnahmen in Höhe von rund 200000 Euro in den Libanon überweisen dürfe. Sie darf - und sie muss nach Auffassung der Berliner Staatsanwaltschaft sogar. Das sagte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. In der Justiz heißt es, die Beschlagnahme müsse gerichtsfest durchgesetzt werden. "Wir sind im Bereich der vorläufigen Sicherung, damit nicht anderweitig darüber verfügt werden kann", erklärte Behrendt weiter. Die Beschlagnahme beziehe sich rechtlich nur nicht auf Miet- und Kautionszahlungen. Das verstehe, wer will.

Wenigstens kann die Familie R. die Immobilien nicht weiterverkaufen. Aber die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die von der früheren Vize-Polizeipräsidentin und heutigen Generalstaatsanwältin Margarete Koppers geführt wird, sorgt bei den Ermittlern für Frust. Wie es jetzt weitergeht, weiß auch der Justizsenator nicht. Es sei eben "alles nicht so einfach", sagte Behrendt lapidar. Er zählt zum linken Flügel der Grünen und hatte sich im letzten Jahr für die umstrittene Koppers als neue Generalstaatsanwältin massiv eingesetzt. Man sei in Berlin "gut aufgestellt, um die Möglichkeiten der Strafprozessordnung zu nutzen", so Behrendt. Dann sollte er das auch bitte mit Nachdruck umsetzen. Die Staatsanwaltschaft ist eine weisungsgebundene Behörde. Immerhin besteht der Verdacht, dass bis zu 28 Millionen Euro aus Straftaten in den beschlagnahmten Immobilien stecken könnten.

Das Milieu der arabischen Clans umfasst allein in Berlin rund 10000 Männer und Frauen, darunter mindestens 1000 straffällig gewordene Familienangehörige. Aus Angst, sich Rassismusvorwürfen auszusetzen, sahen Politik, Polizei, Sozialarbeiter oder Lehrer jahrelang weg. Viele Täter sind deutsche Staatsbürger. Sie stammen aus Familien, die vor 30 Jahren aus dem Libanon kamen. Diese bezeichnen sich als Mahallami, eine arabische Volksgruppe mit kurdischen Einflüssen, die aus dem Süden der Türkei in den Libanon floh. Andere Clans wie die Familie R. oder Abou-Chaker bezeichnen sich als Palästinenser. Clan-Chef Arafat Abou-Chaker wurde im Januar festgenommen wegen des Verdachts, die Kinder des Berliner Rappers Bushido entführen zu wollen. Bushido machte jahrelang mit Abou-Chaker Geschäfte. Der Rapper wagte den Bruch. Seitdem steht seine Familie unter Polizeischutz. Und Arafat Abou-Chaker wurde nach zwei Wochen wieder aus der Untersuchungshaft entlassen.

Viele Berliner wissen, dass in Shisha-Bars vor allem im Bezirk Neukölln Schwarzgeld gewaschen wird. Früher scheiterten Kontrollen einschlägiger Läden daran, dass die Mitarbeiter des Ordnungsamtes von einem Mob umringt wurden. Heute kontrollieren die Ämter mit starker Polizeipräsenz. "Verschärfte Vermögenskontrollen" heißt das bei den Ermittlern. Seitdem Investoren den Neuköllner Kiez entdeckt haben, schauen sich die Clans schon nach anderen Immobilien um - im bürgerlichen Westteil der Stadt. In Steglitz, Charlottenburg oder Spandau kaufen die Clans Häuser auf. Sie vermieten weiter Wohnungen, betreiben Wachfirmen oder eröffnen Lokale. Dort kann das Geld aus Drogenhandel, Erpressungen und Einbrüchen gewaschen werden. Was den kriminellen Clans Berlins wirklich weh tun würde: ihre Geldquellen versiegen lassen, die Luxusschlitten nach illegalen Rennen dauerhaft konfiszieren und die Männer bei dem kleinsten Verdacht auf eine Straftat richtig festsetzen.