Eichstätt (EK) Die drei Grünen-Landtagsabgeordneten Claudia Köhler, Eva Lettenbauer und Gülseren Demirel besuchten die Eichstätter Abschiebehaftanstalt und fanden deutliche Worte zur bayerischen Abschiebepolitik.
"Die unnatürliche Stille im grauen Hof" der Abschiebehaftanstalt sei das Bedrückendste gewesen, das die drei Politikerinnen von ihrem Besuch mitnehmen.
15 Männer trafen die Landtagsabgeordneten draußen im Hof der Abschiebehaftanstalt an - "jung, kräftig, nun aber stumm, lethargisch und mit leerem Blick" nebeneinander sitzend. "Das hat mich am meisten berührt", betont Gülseren Demirel, Sprecherin für Integration, Flucht, Asyl und Vertriebene der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie erhält sofort kopfnickende Zustimmung von ihren Kolleginnen: "Das sind junge Männer im besten Alter, die zur Tatenlosigkeit verurteilt werden", meint Köhler. Und auch Eva Lettenbauer, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik, Frauen und Jugend, resümiert: "Die Hoffnungslosigkeit steht allen deutlich ins Gesicht geschrieben. " Die drei Politikerinnen machten keinen Hehl aus ihrer Ablehnung der Abschiebehaftanstalt, denn, wie Gülseren Demirel, selbst ehemalige Sozialarbeiterin, es auf den Punkt brachte, seien es ja schließlich keine Kriminellen, die nun dort ihr Dasein fristeten: "Ihr einziges ,Verbrechen' ist es, sich auf die Suche nach einem besseren Leben gemacht zu haben", fasst es Demirel zusammen.
Als besonders menschenunwürdig erachten die drei Abgeordneten die Tatsache, dass die Abschiebung zu jedem beliebigen Zeitpunkt unangekündigt vonstattengehen kann: "Es kann also jederzeit an der Tür klopfen und dann steht die Ausreise unmittelbar bevor", so der Kritikpunkt, der nur das Bundesland Bayern betreffe, da in allen anderen Bundesländern eine Ankündigung vorgesehen sei. Den bayerischen Weg halten die drei Grünen-Abgeordneten für eine höchst belastende, ja unmenschliche Regelung, da es schließlich auch gar nicht so selten vorkomme, dass die Abschiebehaft unberechtigt sei und revidiert werden müsse. Auch die fehlenden Arbeits- und Freizeitaktivitäten der Insassen beurteilen die Abgeordneten sehr kritisch: "Wir haben erfahren, dass viele Insassen großes Interesse daran signalisiert haben, wenigstens im Hause mitarbeiten zu dürfen. Nicht einmal das dürfen sie", so Köhler. Im Betrieb der Anstalt sieht sie aber auch "einen Missbrauch der dort tätigen Justizbeamten", die für den Strafvollzug und die Resozialisierung von Menschen ausgebildet worden seien: "Nun sehen sie jeden Tag die Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit der Insassen. " Für beide Seiten sei das Leben in der Abschiebeanstalt also in höchstem Maße belastend.
Die Grünen-Politikerinnen betonen aber auch den finanziellen Aspekt: "Was könnte man mit dem vielen Geld, das der Neu-, Um- und Ausbau derartiger Anstalten kostet, alles machen", meinen sie unisono. Ideen gebe es genügend: freiwillige Rückkehranreize schaffen, Unterstützung für den Aufbau einer guten Zukunft im Heimatland anbieten - das seien sinnvolle Geldanlagen anstatt mehrstellige Millionenbeträge in Haftanstalten zu stecken. Geradezu zynisch sei die aktuelle politische Situation, wenn vormittags im Landtag Mittel für eben solche Ausbauvorhaben von Abschiebehaftanstalten verabschiedet und nachmittags Preise für Flüchtlings- und Integrationsprojekte verliehen würden.
"Die Methode der Abschreckung" habe in Bayern System, hieß es weiter. Dass die Zivilbevölkerung diese Politik in weiten Teilen gar nicht mittrage, werde von den verantwortlichen Politikern nach Einschätzung der drei Landtagsabgeordneten überhaupt nicht wahrgenommen: "Die Zivilbevölkerung weiß genau, wer kriminell ist und wer nicht, wer zur Integration bereit und wer nicht", betont Köhler, die selbst seit vielen Jahren im Asylhelferkreis Unterhaching mitarbeitet.
"Die politische Dummheit geht sogar so weit, dass unser Einwanderungsgesetz keinerlei Arbeitstätigkeit vorsieht", so Demirel schonungslos. "Wir nutzen also nicht den volkswirtschaftlichen Mehrwert, den uns die Flüchtlinge bieten könnten", betont sie mit Blick auf die öffentlichen Gelder, die in Sprachenerwerb, Bildung und Ausbildung von jungen Flüchtlingen geflossen sind. Betriebe hätten viel zur Integration beigetragen, erfolgreich junge Flüchtlinge oder bereits in ihrer ehemaligen Heimat gut ausgebildete Menschen in das Arbeitsleben eingebunden und müssten nun erleben, wie diese plötzlich ohne Arbeitserlaubnis dastünden oder gar abgeschoben würden. Dies prangere auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) immer lauter an. Umso erschreckender sei es, dass die aktuelle Politik den Eindruck vermittele, Flüchtlinge lägen uns allen auf der Tasche. "In vielen Landkreisen spüren wir nun Enttäuschung und Frustration angesichts der aktuellen Lage. "
In der Eichstätter Abschiebehaftanstalt registrierten die Grünen-Abgeordneten allerdings auch ein starkes Bemühen um bestmögliche Betreuung der Insassen: Sechs Sozialpsychologen und zwei Psychologen für die von 90 derzeit 74 belegten Plätze stellten natürlich einen guten Personalschlüssel dar. 30 Minuten telefonieren täglich mit Angehörigen, Kontakte zu Ehrenamtlichen wie einem Seelsorger, Vertretern der örtlichen Amnesty International- sowie einer Jesuitengruppe, Besucher- und geschützte Räume für Gespräche, Mehrbettzellen - dies habe alles einen "normalen Eindruck" gemacht. Dennoch: Mit 34 Tagen durchschnittlich, maximal sogar sechs Monaten, hielten sich die Insassen oft sehr lange in der Anstalt auf. Schließlich gebe es darunter ja auch immer wieder getrennte Ehepaare und Familien, bei denen der Vater in "Haft" sei, der Rest der Familie aber irgendwo auf ihn warte, und sogar Paare, deren Kinder vom Jugendamt betreut würden: "Das ist ein Armutszeugnis für unser Land und eine untragbare Zumutung für Kinder", konstatiert Köhler. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter: "Wir geben zentrale Errungenschaften auf, indem unser Rechtsstaat mit zweierlei Maß misst - denn mit dieser unmenschlichen Haltung gegenüber Geflüchteten wird Menschenwürde angetastet. Passt das etwa zu unserem Land? "
Mit Blick auf die europäische Situation sind sich die drei Abgeordneten einig: "Das Dublin-Abkommen hat ausgedient! " Die Mittelmeerländer könnten nicht, wie derzeit, mit der Fluchtproblematik allein gelassen werden. Alle Länder trügen Verantwortung, gemeinsame Lösungen für das Problem zu finden.
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