München
Bedeutung in der Architektur

Arne Schmitt zeigt im Münchner Kunstraum "Zeichen der Zeit"

26.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:39 Uhr
Joachim Goetz
Speziell für den Kunstraum hat Arne Schmitt eine neue Arbeit in München entwickelt, die sich mit der "Parkstadt Schwabing" beschäftigt. −Foto: Thomas Splett

München (DK) Eine spektakuläre Foto-Schau zur Münchner "Parkstadt Schwabing" sollte man besser nicht erwarten.

Dafür taugt schon die Architektur des etwa 40 Hektar großen Wohn- und Büroviertels, das nun weitgehend fertiggestellt ist, nur begrenzt. Und der Kölner Fotokünstler Arne Schmitt will mit seiner derzeit im Münchner Kunstraum in der Holzstraße 10 gezeigten Ausstellung "Zeichen der Zeit" auch etwas ganz anderes zeigen. Untertitel "Zur Geschichte eines geschichtslosen Gebiets genannt Parkstadt Schwabing".

Im Erdgeschoss breitet Schmitt mit Texten, Plänen und anschaulichen, meist alten Fotografien das bewegte Jahrhundert davor auf. 1923 bat Friedrich Zink um die Bau-Genehmigung für ein Zwei-Familienhaus auf seinem Lagerplatz. 1939 wollte die Stadt München Teile des Gebiets - als "Ersatzgelände für die im Rahmen des Umbaus der Hauptstadt der Bewegung zu verlegenden Industriebetriebe" - erwerben. Und stellte schon damals fest, dass manche Wohnbauten wohl nur "widerruflich" genehmigt wurden und ein "Beseitigungsauftrag" noch vor Beginn der Erwerbsverhandlungen zugestellt werden sollte. Damit man billiger kaufen konnte. Vieles davon blieb bis in die 90er-Jahre stehen.

Ein schmuckes, siebengeschossiges Verwaltungsgebäude mit langem Flur in der Mitte und ebenso langen dominanten Fensterbändern in der Fassade baute sich Raab Karcher 1966 neben Großtanklager, Flüssiggas-Füllwerk, Kohlen- und Düngemittelhalle, Großküche, Kasino und Unterkünften für Gastarbeiter an die Autobahnauffahrt zur A9. Die gesammelten Fotografien zeigen die alten, sehr einfach wirkenden Wohnhäuschen, die Lagerhallen und Gewerbehöfe - alles ziemlich flach. Ein Konglomerat des Unbedeutenden. In den frühen 90er-Jahren dann: der Planungsbeginn für "eines der größten städtebaulichen Entwicklungsprojekte in der Isarmetropole" unter Regie der florierenden Argenta, einer auch in Berlin, Dresden und Leipzig tätigen Unternehmensgruppe. Anfang der 2000er der Startschuss mit einem großen Knall, den sich auch OB Ude nicht entgehen ließ und der das schicke Sixties-Gebäude mit den langen Fensterbändern in die Annalen der Geschichte sprengte.

Schmitts Kollege Joachim Brohm hielt in einem einzigartigen Langzeitprojekt namens "Areal" den Umbauprozess des Gebiets zwischen 1992 und 2002 in Hunderten von Bildern fest. Schmitt ließ sich davon inspirieren, bezieht sich darauf und zeigt auch ein Foto Brohms. Im Obergeschoss dann Schmitts eigene fotografische Arbeit. Ausschließlich Detailaufnahmen mit Geschriebenem im Außenbereich. Straßenschilder, Plakate, Werbung, Eingangstafel, Klingel- und Firmenschilder lassen ein erstaunlich facettenreiches, tiefes Bild entstehen, ein symbolhaftes Porträt des hochpreisigen Büro-Viertels.

Schmitt schließt mit dieser Studie an mehrere Projekte mit neoliberaler Architektur und Stadtplanung an, wobei er dabei speziell das Zusammenspiel von öffentlicher Hand und privaten Investoren im Auge hat. Hier will er nicht zuletzt zeigen wie sich kapitalkräftige Unternehmen in einer süddeutschen Traditionsstadt sozusagen öffentlich einkleiden.

Die Straßennamen spielen ihm in der Parkstadt in die Hand: Versammelt sind zahlreiche berühmte Bauhäusler von Mies van der Rohe und Walter Gropius bis Anni Albers und Gunta Stölzl. Hinter den Ehrfurcht heischenden Straßenschildern präsentieren sich auf Schmitts Fotos ziemlich austauschbare Fassadenausschnitte, architektonische Beliebigkeit. Typische Investorenarchitektur. Dazu teils teure, auf edel getrimmte Firmenschilder. Aufgesetzt und Bedeutung heischend.

Schnappschüsse lassen einen schmunzeln. Etwa wenn ein Boulevard-Blatt plakativ titelt: Platzangst in München - So stark ist die Stadt gewachsen. Oder wenn da zu lesen ist: Denkraum - Leben und Arbeiten im Quadrat. Wenn die Wichtel-Akademie mit dem Spruch "Für eine glückliche Kindheit" wirbt. Und das vom gebürtigen Nürnberger Helmut Jahn/Chicago entworfene Hochhaus The m. qpire ganz unten vor der Tür behauptet: The sky's the limit. Wie sagte schon mal Napoleon: Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein Schritt.

Münchner "Kunstraum, Holzstraße 10, bis 8. Dezember, Mi bis So 14 bis 19 Uhr, Eintritt frei.

Joachim Goetz