Neuburg
Bayerische Historie im Schnelldurchlauf

100 Jahre Freistaat in zwei Stunden Musical: Aufführung in Neuburg begeistert das Publikum

15.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:58 Uhr
100 Jahre Freistaat in Musik umgesetzt: "Money, Money, Money" - einen musikalischen Ausflug in die Welt des reichen Mannes machten Gitti Rüsing (l.) und Karin Schubert. −Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Dass sich das Thema "100 Jahre Freistaat Bayern" in zwei kurzweilige, überwiegend amüsante Stunden mit rund 20 Musicalnummern verpacken lassen, beweist Komponist Andreas Rüsing mit seinem Musical - "100 Jahre Musical - 100 Jahre Freistaat". Jetzt war es in Neuburg zu sehen.

Das Konzert im Rahmen der Reihe "Klingendes Denkmal - die Welt der reinen Musik" wollte aber nur eine überschaubare Zahl an Besuchern sehen. Wer sich aufgerafft hatte, in den Kongregationssaal zu gehen, der wurde angenehm überrascht. Schon die erste Musiknummer "Baju-Wahr", eine melodiös-schwungvolle Eigenkomposition Rüsings, riss mit. Sie setzte den Rahmen für so vieles, was in dem Zeitraum passiert ist - vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zur gesellschaftsspaltenden Flüchtlingskrise heute. Zwischen bekannte und weniger bekannte Musicalmelodien hatte Autor Elmar Vogt kleine Spielszenen eingebaut, die Zeitgeschichte - nicht immer chronologisch - aus Sicht der kleinen Leute erzählten.

Fassungslos ist darin der verletzte Soldat (Alex Krüger) aus dem Ersten Weltkrieg, als ihm die Krankenschwester (Gitti Rüsing) allerlei Verstörendes aus der Zeitung vorliest, lauter Dinge, die er nicht glauben kann und die sein Weltbild ins Wanken bringen. Revolution, Ausruf des Freistaates durch den sozialistischen Revolutionär Kurt Eisner, Generalstreiks der Arbeiter und Frauenwahlrecht. Ist das alles wahr? Ja, eben "Baju-Wahr". Wenn Frauen nun Männer wählen können, was haben sie davon? Die Logik der Skeptikerin (Gitti Rüsing) ist schlüssig, doch die begeisterte Sister Sufragette (Karin Schubert) weiß, dass Frauen auch gewählt werden können, also singt sie wie einst Claire Waldoff: "Raus mit den Männern aus dem Reichstag". Der Chanson von Friedrich Hollaender fiel etwas aus dem Rahmen, alle anderen Stücke stammen tatsächlich aus Musicals. Von "Mary Poppins" über "Les Miserables", "Oklahoma", "Starlight Express", "Cabaret", "Hair", "Mozart", "Hairspray" und "Westside Story" bis zum "Schuh des Manitu". Die drei Darsteller wechselten blitzschnell ihre Rollen, teils sogar auf der Bühne, sangen begleitet von Andreas Rüsing am E-Piano - gelegentlich auch am Flügel - alleine, im Duett oder Terzett, legten ein paar Tanzschritte ein und gaben der halbkonzertanten Aufführung mit ungekünstelter Spielfreude das gewisse Etwas und den richtigen Schwung. Zu den Höhepunkten zählten "Memories" aus dem Musical "Cats", das Gitti Rüsing wunderbar gefühlvoll vortrug, sowie Karin Schuberts "Ich gehör nur mir" aus "Elisabeth". Dass sie erkältet war, wie Rüsing eingangs angekündigt hatte, war kaum zu merken, den Genuss schmälerte das jedenfalls nicht.

Franz Josef Strauß wird auf der Bühne in einem aufschlussreichen Geplänkel zwischen Pressesprecherin und Journalist hinterfragt, seine Bayern von der Bavaria als "gottesfürchtige Naturburschen, nur manchmal etwas streitsüchtig" beschrieben. Aus der Idylle wird die Landesmutter jedoch gerissen, als unter ACDC-Sound ein Typ aufkreuzt, der sie in Kabel für die Digitalisierung einwickelt und der Bavaria klar macht, dass neben ihr auch das Diridari verehrt wird. Uli Hoeneß und die Deutung seiner Steuersünden durch Fans werden ebenso durch den Kakao gezogen, ernster wurde es auf der Bühne, als Schubert und Krüger die Spaltung der Gesellschaft durch die massenhafte Ankunft von Migranten darstellten. "Es sind zu viele", meint der Grenzer darin, wird daraufhin von der Flüchtlingshelferin als Rassist beschimpft und am Ende siegt wie im echten Leben die Deutungshoheit der Migrationsbefürworterin. Beschwingt wurde es noch einmal zum Schluss mit "Baju-Wahr", das Publikum ging klatschend mit und spendete lang anhaltenden, ehrlichen Applaus.

Andrea Hammerl