München
Bayerische Grundschullehrer müssen künftig mehr unterrichten

07.01.2020 | Stand 02.12.2020, 12:15 Uhr
Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler). −Foto: Peter Kneffel/dpa/Archivbild

Kultusminister Piazolo will den Lehrermangel an Grund-, Mittel- und Förderschulen abpuffern. Er setzt dafür auf Freiwilligkeit - aber auch auf Zwangsmaßnahmen. Bei den betroffenen Lehrern macht er sich damit nicht beliebt.

Der Zoff ist programmiert: Viele Grundschullehrer müssen nach dem Willen von Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) ab dem kommenden Schuljahr mehr arbeiten. Außerdem dürfen sie ebenso wie ihre Kollegen aus den Mittel- und Förderschulen künftig nur noch in Ausnahmefällen vor dem 66. Lebensjahr in Rente gehen. Bei Teilzeitverträgen steigt die Mindeststundenzahl, Sabbatjahre werden abgeschafft. So soll der erwartete Lehrermangel abgefangen werden. Der größte bayerische Lehrerverband BLLV reagierte am Dienstag umgehend: Man lehne die Pläne strikt ab, die Maßnahmen seien kontraproduktiv und demotivierend - und der BLLV werde „massiven Widerstand“ leisten.

Die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Lehrerverbände sprach angesichts der Maßnahmen in einer Mitteilung von „enormem Sprengstoff“. Präsidentin Walburga Krefting erklärte: „Die vorgestellten Maßnahmen führen zu einem großen Vertrauensverlust in den Dienstherrn und sie sorgen für Verunsicherung bei Lehrkräften aller Schularten.“ Besonders die Anhebung der Altersgrenze für den Ruhestand stelle „einen nicht vertretbaren Einschnitt in die Lebensplanung von Lehrkräften nach jahrzehntelangem Einsatz für den Freistaat Bayern dar.“ Auch von der Landtags-SPD hagelte es Kritik.

Nach Berechnungen des Kultusministeriums wird im nächsten Schuljahr der Umfang von etwa 1400 Vollzeitstellen nicht zu besetzen sein. Um diese Lücke von circa einem Prozent des Bedarfs abzufangen, sollen Grundschullehrer, die jünger als 58 Jahre sind, nach Altersgruppen gestaffelt im Rahmen eines Arbeitszeitkontos vorübergehend 29 statt 28 Unterrichtsstunden pro Woche halten müssen. In einer „Rückgabephase“ werde dies durch eine Verringerung der Unterrichtspflichtzeit im selben Umfang ausgeglichen, betonte Piazolo. Diese Phase werde voraussichtlich in fünf Jahren beginnen.

Zudem dürfen Förderschullehrer im Rahmen einer Antragsteilzeit höchstens noch auf 23, Grund- und Mittelschullehrer auf 24 Wochenstunden reduzieren. Ein vorzeitiger Ruhestand wird künftig in der Regel erst ab 66 Jahren möglich sein. Längere Auszeiten („Sabbaticals“) werden nicht mehr genehmigt. Im Gegenzug sollen die Lehrkräfte unter anderem von Verwaltungsaufgaben entlastet werden.

Piazolo setzt darüber hinaus auf die freiwillige Bereitschaft, vorzeitig aus Beurlaubungen zurückzukehren, den Ruhestand hinauszuschieben oder den Umfang der Teilzeit aufzustocken. „Jede Stunde zählt, jeder Kopf zählt“, sagte der Minister. Jeder Lehrer möge sich deshalb überlegen, „ob er nicht hier im Rahmen der Solidargemeinschaft was tun kann“.

Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Simone Fleischmann, warf dem Kultusministerium massive Versäumnisse vor, für die nun die Lehrkräfte gerade stehen sollten. Vor einer weiteren Erhöhung der Belastungen könne sie „nur warnen“, zumal die Lehrer an den Grund- und Mittelschulen schon jetzt die höchste Unterrichtsverpflichtung hätten und dafür auch noch schlechter bezahlt würden als andere Lehrkräfte. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte vor mehr Krankheitsfällen und Unterrichtsausfällen durch die hohe Belastung für Lehrer.

Auch die bildungspolitische Sprecherin der SPD im Landtag, Simone Strohmayr, bezeichnete die Maßnahmen als völlig verfehlt und demotivierend. Sie forderte ebenfalls eine bessere Bezahlung und Aufwertung des Berufs statt Mehrbelastung.

Mitteilung Ministerium

Mitteilung BLLV

dpa