Eichstätt
Bald soll "Willi" sogar twittern

Die Buche im Hofgarten sendet Daten - Auf der Suche nach Testnutzern

08.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:34 Uhr
  −Foto: Steimle, Archiv

Eichstätt - Fünf Monate ist es her, da haben Mitarbeiter der Katholischen Universität die Buche "Willi" im Eichstätter Hofgarten verkabelt.

Als einer von vier "sprechenden Bäumen" in Bayern soll Willi Daten liefern, die Auskunft darüber geben, wie er sich fühlt. Damit sollen der Klimawandel und seine Auswirkungen für die Bürger sichtbar gemacht werden. Per E-Mail hat Professorin Susanne Jochner-Oette Fragen zur 200 Jahre alten Buche und weiteren Erkenntnissen des Projekts "Baum 4.0". Für das Onlineportal werden noch Testnutzer gesucht.

Wie war der Winter für die Buche? Gab es genügend Niederschlag?

Susanne Jochner-Oette: Insgesamt war der vergangene Winter nicht nur zu warm, sondern auch zu trocken. Im Dezember und Januar registrierten wir an der KU-Wetterstation ein Drittel beziehungsweise die Hälfte des durchschnittlichen Niederschlags. Der Februar war mit plus 4,5 Grad Celsius sogar um 4,7°C zu warm, jedoch deutlich feuchter.

Vier Sensoren messen Werte und geben Auskunft, wie sich der Baum fühlt: Welche Werte waren gut, welche nicht?

Jochner-Oette: Spannend wird es im Sommer, wenn die Messwerte aller vier Bäume - Willi, Therese, Marie und Jakob - zur Verfügung stehen. "Jakob" in Berchtesgaden soll im Frühjahr mit Sensorik ausgestattet werden und voraussichtlich kommt auch noch eine Rosskastanie in Straubing dazu. Während der Winterzeit fanden aus technischen Gründen keine Saftflussmessungen statt. Ab Ende April wird uns Willi also verraten, wie es um seine Wasserversorgung steht. Zudem wird der Umfangmesser derzeit kalibriert, sodass wir in der kommenden Vegetationsperiode mit repräsentativen Werten rechnen können.

Was bedeutet dieser Winter für die Entwicklung von Schädlingen?

Jochner-Oette: Das Beispiel Borkenkäfer bezieht sich auf die Fichte, nicht auf die Buche: Durch die hohen Temperaturen im Winter könnte das Jahr 2020 ein ausgesprochen gutes Jahr für den Borkenkäfer werden und damit ein ausgesprochen schlechtes für die Forstwirte. Bei den zu messenden hohen Temperaturen wurden die Larven, Puppen und Eier kaum geschädigt. Die von den Winterstürmen im Januar und Februar geschädigten Bäume sind zudem noch anfälliger für Schädlinge. Ausschlaggebend ist natürlich auch, wie sich das Wetter im weiteren Verlauf des Frühlings entwickelt. Kälte und Niederschlag würden die Borkenkäferplage vermutlich etwas reduzieren.

Für die Pollenbelastung ist vor allem die Webcam, die ja auch den Baum beobachtet, interessant: Was ließ sich hier beobachten? Zusätzlich wird die Pollenkonzentration auf dem Mensadach gemessen - wie sieht es heuer aus?
Jochner-Oette: Die Webcam zeichnet jeden Tag zur Mittagszeit ein Bild auf. Spannend wird es dann, wenn sich etwa Ende April die Blätter entwickeln und sich langsam die Intensität der Grüntöne verändert. Zusätzlich werden wir den Eintritt der Buchenblüte festhalten und die Pollenkonzentrationen auf dem Mensadach auswerten, um Zusammenhänge feststellen zu können. Nach wenigen Jahren werden wir hier ein Muster erkennen und ein Frühwarnsystem entwickeln können. Allergologisch relevanter ist sicherlich die Birke, die wir seit diesem Frühjahr auch in Eichstätt genauer untersuchen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass ein Birkenkätzchen mehr als sechs Millionen Pollenkörner produzieren kann. Auch hier möchten wir eine lange Beobachtungsreihe schaffen und setzen unsere Untersuchungen in den nächsten Jahren fort. Wie die Belastung in der Birkenpollensaison aussehen wird, hängt von den Wetterbedingungen ab. Die Saison wird, aufgrund der in den nächsten Tagen zu erwartenden hohen Temperaturen, nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Um noch mehr Nähe zu den Bürgern herzustellen, sollen die Bäume in den sozialen Netzwerken auf Twitter und Instagram aktiv werden.

Jochner-Oette: Derzeit twittern die Bäume noch nicht, da in physiologischer Hinsicht noch nicht viel passiert. Vermutlich werden wir in etwa einem Monat loslegen und Willi sprechen lassen.

Das Projekt "Baum 4.0" gehört zum Verbund Baysics (Bayerisches Synthese-Informations-Citizen Science Portal für Klimaforschung und Wissenschaftskommunikation). Online soll ein Citizen Science Portal (Bürgerwissenschaft) entwickelt werden. Interessierte haben die Möglichkeit, Tiere, Pflanzen sowie die Baumgrenzen in den Alpen zu beobachten und anschließend Analysen durchzuführen, schreibt Jochner-Oette. Ziel ist es hierbei, dass die Bürger durch ihre eigenen Beobachtungen und Analysen den Klimawandel in Bayern und ihrer direkten Umgebung erfahren, erkennen und begreifen können. Hierfür werden wir neben den erwähnten Werkzeugen auch ein Lexikon, Literaturhinweise, Artikel sowie vieles mehr zur Verfügung stellen.

Das Portal ist mittlerweile in einer so genannten "Alpha-Phase", das heißt im Prinzip: Es gibt noch einiges zu tun, aber es können schon die ersten Nutzer testen, die Organisatoren können Feedback sammeln. "Wir sind jetzt auf der Suche nach gewillten Testnutzern, die auf Einladung schon erste Beobachtungen machen dürfen", schreibt Jochner-Oette. Interessierte können eine E-Mail mit dem Betreff: Testnutzer BAYSICS Portal an info@baysics. de schicken. Sobald sich eine geeignete Teilnehmerzahl angemeldet hat, werden weitere Informationen verschickt.

Das Gespräch führte TinaSteimle.

Das Gespräch