Ingolstadt
Ausbildungsvertrag zum Geburtstag

Afghanischer Flüchtling Ahmadshah Yousufi erhält trotz Ablehnung seines Asylantrags Lehrstelle

04.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:41 Uhr
Eine Lehrstelle als Geschenk: Ahmadshah Yousufi (links) hat kurz vor seinem 20. Geburtstag die Bestätigung erhalten, seine Ausbildung bei der IT-Firma Controlware antreten zu dürfen. Sein Betreuer Christian Unterdorfer freut sich mit ihm. −Foto: Stephan

Gaimersheim/Ingolstadt (DK) Weil Ahmadshah Yousufi sich im Praktikum bewährte, bot die IT-Firma Controlware dem afghanischen Flüchtling einen Ausbildungsvertrag an. Als dessen Asylantrag abgelehnt wurde, stand die Lehre auf der Kippe – bis Yousufi überraschend doch die Arbeitserlaubnis erhielt.

Als Yousufi am Freitag vor einer Woche von seinen Plänen erzählt, erweist er sich als ehrgeiziger Mann. „In der Ausbildung will ich hart lernen“, sagt er in gutem Deutsch – und fügt bescheiden lächelnd hinzu: „Ich will überall eine Eins bekommen.“ Wer seine Geschichte kennt, spürt, dass er das nicht einfach so sagt. In der Heimat hat Yousufi sein Abitur absolviert, Computerkurse belegt, als Englischlehrer gearbeitet und eine Universität besucht. „Seit meiner Kindheit habe ich den Traum, mit Computern zu arbeiten“, sagt der junge Afghane. „Ich konnte es gar nicht glauben, als ich hier den Vertrag unterschreiben durfte.“

Dass er ausgerechnet an jenem Freitag – nur zwei Tage nach der guten Nachricht – seinen 20. Geburtstag feiert, verrät er erst im Laufe des Gesprächs. „Die Arbeitserlaubnis ist ein schönes Geschenk“, freut sich Yousufi, der 2015 vor den Taliban fliehen musste, weil er als Kellner in einem militärischen Feldlager nahe des Kabuler Flughafens gearbeitet hatte. Über den Iran und die Türkei erreichte er – teils „mit 55 Leuten in einem Plastikboot“ – im Januar 2016 Deutschá ?land, zwei Monate später kam er in Gaimersheim an.

In der Gemeinde im Landkreis Eichstätt fühlt sich Yousufi wohl. „Ich mag Gaimersheim“, sagt er. „Das ist wie unser Dorf, nur lebe ich hier mit 25 Menschen in einem Container.“ Nicht immer einfach. Er hat trotzdem schnell Deutsch gelernt, die Eichstätter Berufsschule besucht und ein Praktikum bei Audi absolviert. Nebenbei jobbt er in einem Restaurant. „Ich will auf jeden Fall arbeiten“, sagt Yousufi.

Umso größer war die Freude, als im vergangenen März die Zusage für ein Praktikum am Ingolstädter Standort des hessischen IT-Unternehmens Coná ?trolware kam. „Das war für uns etwas Neues, er ist unser Pilot“, sagt Teamleiter Christian Unterdorfer. „Es war aufwendig, den Rahmen für das Praktikum festzulegen.“ Der Afghane wurde in der Serviceorganisation, in der Kundenprobleme bearbeitet werden, eingesetzt. „Ich habe viel von den Kollegen gelernt“, sagt der 20-Jährige. „Nach den vier Monaten kann ich nicht alles, aber vieles.“

Das Team hatte er wohl schon nach drei Wochen von sich überzeugt wurde – Mitte April erhielt er das Angebot, eine Ausbildung zum Fachinformatiker Systemintegration zu machen. „Die Kollegen haben sich immer positiv geäußert“, berichtet Unterdorfer. „Er ist offen, ehrlich und hat einen guten Eindruck hinterlassen.“ Dazu komme seine persönliche Sicht: „Ich hatte auch die Chance, in vielen Ländern zu arbeiten, das ist jetzt mein Payback.“ Sein Schützling weiß das Vertrauen zu schätzen: „Ich will von Herzen hier arbeiten.“

Doch im Mai kam erst einmal der Rückschlag: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte Yousufis Asylantrag ab, weil Afghanistan als sicheres Herkunftsland eingestuft wurde. Außerdem wollte die Ausländerbehörde den Arbeitsvertrag des 20-Jährigen nicht bearbeiten, solange unklar war, ob dieser hierbleiben darf. Laut Veronika Kirschner von der Caritas-Kreisstelle Eichstätt, die eng mit der Ausländerbehörde zusammenarbeitet, hat letztere beschlossen, Verträge heuer erst drei Monate vor Ausbildungsbeginn zu prüfen. „Dadurch hat sich einiges aufgestaut, da muss ein riesiger Berg in der Ausländerbehörde liegen“, sagt Kirschá ?ner. „Darunter war vermutlich auch Yousufis Vertrag.“

Der 20-Jährige ist damit nicht allein: Laut seiner Betreuerin aus dem Gaimersheimer Helferkreis, die namentlich nicht genannt werden möchte, seien die Asylanträge aller in der Gemeinde untergebrachten Afghanen abgelehnt worden. Das sei ein großes Problem für arbeitswillige junge Flüchtlinge: „Wenn ein Ausbildungsplatz bis zuletzt in der Schwebe ist, sagen viele Firmen: ,Dann machen wir das halt nicht mehr.’“

Anders in Yousufis Fall. „Aufgeben ist nicht unser Stil, da sind wir hartnäckig“, sagt Unterdorfer. So habe die Personalabteilung regelmäßig den Kontakt zu den Behörden gesucht – was schließlich fruchtete: Yousufi erhielt die Erlaubnis, die Ausbildung absolvieren zu dürfen. In Gaimersheim ein seltener Fall: „Wir sind nicht gerade mit Erfolgsgeschichten gesegnet“, sagt die Betreuerin des 20-Jährigen. „Die jungen Männer verlieren dann leider schnell die Motivation.“

Yousufi selbst hat nie aufgehört, an sich zu glauben: „Ich hatte immer Hoffnung, dass ich das machen kann.“ Ab 1. September wird er einer von neun Auszubildenden des IT-Unternehmens in Ingolstadt sein – und einer von 370 Asylsuchenden mit Arbeitserlaubnis im Landkreis. Eine Statistik, die zwischen Beschäftigten und Auszubildenden unterscheidet, gibt es im Landratsamt nicht.

Mindestens fünf Jahre darf er mit dem Ausbildungsvertrag in der Tasche hier bleiben – doch eigentlich möchte Ahmadshah Yousufi nie mehr weg. „In Afghanistan hatte ich jede Minute Angst“, sagt er. „In Deutschland bin ich frei, hier kann ich leben, hier will ich bleiben.“

F L Ü C H T L I N G E A M A R B E I T S M A R K T

Ob Flüchtlinge in Deutschland arbeiten und eine Ausbildung beginnen dürfen, hängt nach Informationen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von ihrem Aufenthaltsstatus ab.

 

Personen mit Aufenthaltserlaubnis: Anerkannte Asylbewerber, die im Zuge des Asylverfahrens einen positiven Bescheid erhalten, dürfen uneingeschränkt arbeiten. Liegt dagegen nur ein Abschiebungsverbot vor, entscheidet die Ausländerbehörde im Einzelfall, ob eine Arbeitsgenehmigung erteilt wird.

 

Personen mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung: Das BAMF erteilt Asylbewerbern, die sich noch im Verfahren befinden, eine Aufenthaltsgestattung. Diese berechtigt sie bis zur Entscheidung über den Asylantrag, in Deutschland zu leben. Personen, die sich nicht mehr im Asylverfahren befinden oder einen negativen Bescheid erhalten, bei denen aber die Abschiebung ausgesetzt wurde, sind geduldet.

Für diese beiden Gruppen muss eine Arbeitsgenehmigung bei der Ausländerbehörde eingeholt werden. Diese entscheidet im Einzelfall, ob die Erlaubnis erteilt wird. Für Beschäftigte ist zudem die Zustimmung der Arbeitsagentur erforderlich – für Auszubildende dagegen laut IHK nicht, sofern es sich um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf handelt.

 

3+2-Regelung für Auszubildende: Die im August 2016 geschaffene 3+2-Regelung besagt, dass ein Flüchtling, der eine Ausbildung begonnen hat und die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, die Ausbildung auch abschließen kann, wenn sein Asylantrag abgelehnt wird. Darüber hinaus erhalten diese Auszubildenden nach Abschluss der Lehre eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis, wenn sie eine der Ausbildung entsprechenden Stelle annehmen können. | tjs