Eichstätt (EK) Es war eine szenische Lesung der besonderen Art: Der Eichstätter Redakteur und Krimiautor Richard Auer führte rund 60 Fans des schnodderigen Oberkommissars Mike Morgenstern durch die schmucke Eichstätter Altstadt und las aus vier seiner "Oberbayern-Krimis", die im beschaulichen Altmühlstädtchen spielen, in das sich aber zuweilen auch das Verbrechen schleicht.
Die inzwischen sieben Morgenstern-Krimis mit Lokalkolorit kannten seine Gäste alle. Seit 2009 legt Richard Auer seine Krimis im Emons-Verlag auf und erreicht damit beachtliche Auflagen von bis zu 10000 Exemplaren. Zuletzt war im Oktober 2018 sein neuester Band "Willibaldsruh" erschienen. In allen Krimis ermittelt das Ingolstädter Kripo-Duo Morgenstern / Hecht in abscheulichen Mordfällen, die das Altmühltal erschüttern. Und oft durchstreifen sie dabei eben jene Straßen, Plätze und Gässchen, die Auer liebevoll-akribisch, manchmal aber auch mit ironischer Distanz in seinen Büchern schildert.
Daher hatte der literarische Spaziergang, den die Heimatzeitung für ihre Leser veranstaltet hat, für viele Teilnehmer einen hohen Wiedererkennungswert. Andere stellten erstaunt fest, dass es die Straßennamen, Plätze und Sehenswürdigkeiten des barocken Kleinods, die Auer beschreibt, in Eichstätt tatsächlich gibt. Denn Mike Morgenstern flaniert und rennt, hastet und torkelt durch diese Gassen, wenn er flüchtigen Verbrechern hinterherjagt, seine Frau Fiona bei einer feministischen Demonstration begleitet oder zu später Stunde aus dem "Irish Pub" in der Gabrielistraße wankt, nachdem er fünf dunkle, süßlich-bittere Biere genossen hat.
Es menschelt eben bei Morgenstern, dem Exilfranken aus Nürnberg, der nach Ingolstadt versetzt wurde und nun mit seiner Familie in der Eichstätter Altstadt wohnt. In kultiger Kluft macht er mit Jeansjacke und Cowboystiefeln eben diese Altstadt unsicher - und stößt dabei auf drei jugendliche Graffitikünstler, die gerade das Hauptportal des Doms verunstalten. Diese erste Lesestation zeigt einen leicht angetrunkenen, durch die anschließende Verfolgungsjagd über die Pfahlstraße und den Altmühlradweg heillos überforderten Kommissar, der prompt stürzt und sich dabei ein verschrammtes Kinn und eine blutende Nase holt.
Wer Auer kennt, der weiß, dass er bei seinen Lesungen nicht nur vorliest. Mit fuchtelnden Armen spielt er Morgensterns Sturz über die brav angehäuften gelben Säcke geradezu nach, passt Mimik, Gestik, Lautstärke und Intonation stets der jeweiligen Handlung an und untermalt seine Darbietungen durch Kommentare, die so manchen autobiografischen Bezug verraten, wie er schelmisch bekennt. Schon sein zweiter Fall führt Mike Morgenstern auf das Dach der Spitalkirche, wo er trotz seiner Höhenangst dem flüchtenden Jonas Zinsmeister hinterherstakst und dann hilflos mit ansehen muss, wie sich ein Dachrinnenanker nach dem nächsten löst, während unten auf der Spitalbrücke bereits die Autofahrer anhalten und entsetzt zu ihm hochblicken. Auch diesmal hielten einige Autofahrer kurz an, sichtlich irritiert über die Lesung mitten auf der engen Brücke. Durch ein einheimisches "Griast Eich" konnte Auer die Situation aber rasch und humorig klären.
Die weiteren Lesestationen führten zur Spitalstadt und Haifischbar und anschließend weiter über das Eichstätter Inselbad und den inzwischen aufgelassenen Westenfriedhof zur Abtei Sankt Walburg und zum Willibaldsbrunnen am Marktplatz. Dabei bot Auer mal kürzere, mal längere Kostproben aus seinen Krimis "Vogelwild", "Walburgisöl", "Altmühlhexen" und "Hausbock". Auch neuere Stadtentwicklungen sparte er nicht aus und führte die Gäste fiktiv in eine der todschicken, aber sterilen Neubauwohnungen der Spitalstadt, wo ein ehemaliger Bundestagsabgeordnete von den Kommissaren befragt wird, am Ende aber überraschend an einem Herzinfarkt stirbt.
Richard Auer erweckte durch seine Lesung einen authentischen Morgenstern aus Fleisch und Blut zum Leben, einen Typen, der dein Nachbar sein könnte, mit all seinen Stärken und Schwächen. Dieser Typ gibt schon mal mächtig an und steigt siegessicher auf den Dreimeterturm des Inselbads, wo ihn aber plötzlich kindliche Angstträume einholen, bevor ihn ein Knirps unsanft vom Sprungbrett schubst. Neben diesen bühnenreifen Darbietungen ist auch Nachdenkliches zu hören, etwa zur unrühmlichen Rolle der katholischen Kirche während der Hexenverfolgung im Hochstift Eichstätt. Und Auer klärt auf: über die Fallstricke der Restaurierung eines alten Jurahauses, in dessen Holz der Schädling sitzt, über die Geschichte des ehemaligen Pestfriedhofs im Westen der Stadt, über das Kloster Sankt Walburg mit zugehöriger Gruft und wundertätigem Öl oder über die Herkunft des Namens "Büttelgasse", in der er selbst wohnt. Er kennt eben das historische und kulturelle Milieu, in dem sich sein Protagonist bewegt, und lässt seine Zuhörer daran teilhaben. Am Ende verrät Auer noch, dass der achte Morgenstern-Krimi bereits in Arbeit ist. Worum es darin geht, lässt er noch offen. Es bleibt aber zu hoffen, dass er sich wieder ein für das Altmühltal prägendes Thema vornimmt, denn seine Romane genießen hier inzwischen Kultstatus.
Nach dem knapp zweistündigen Spaziergang durften die begeisterten Leser noch ein deftiges Drei-Gänge-Menü im "Gutmann" mit anschließender Signierstunde erleben.
Robert Luff
Zu den Kommentaren