Riedenburg (DK) Die Botschaft ist mehr als deutlich: In einem Ausschlussvermerk auf seiner Internetseite weist ein Riedenburger Handwerksmeister darauf hin, dass er Ingenieure von Audi und Siemens als Kunden nicht bedient. "Sie wissen alles besser und zahlen schlecht", lautet seine Begründung. Seitdem er so rigoros verfahre, sei das Leben deutlich einfacher.
Der 36 Jahre alte Fachmann für Fliesenverlegung, Balkon- und Terrassensanierung ist keiner, der lange um den heißen Brei herumredet. "Ausschluss" nennt sich ein expliziter Punkt seines Online-Auftritts - und Michael Schmiedl kommt dort gleich auf den Punkt: "...nicht mehr für Besserwisser", heißt es ganz oben. "Wie jeder andere Handwerksbetrieb auch, haben wir in der Vergangenheit, was Zahlungsmoral und Problemkunden betrifft, unsere Erfahrungen gesammelt", lässt er die Besucher seiner Seiten wissen. "Wir möchten zufriedene Kunden, die uns gerne weiterempfehlen, und auch unsere Arbeit schätzen." Deshalb habe er aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Ausschlussliste erstellt: "Wir arbeiten nicht für Ingenieure, Doktoranden und Professoren der Firmen Audi und Siemens. Sollten sie zur o. g. Personengruppe gehören, sparen Sie sich (und uns) das Verfassen von E-Mails. Ausschluss bedeutet Ausschluss."
Nun ist es mit Vorurteilen so eine Sache. Michael Schmiedl hält sich für einen durchaus umgänglichen Menschen und er ist sich der Bedeutung seines Handelns sehr wohl bewusst. "Ich habe aber keine andere Lösung mehr gesehen. Viele andere Handwerker sehen das genauso, es traut sich nur keiner so offen auszusprechen wie ich", sagt der Firmenchef. Was ist es, das ihn an dem ausgeschlossenen Personenkreis so stört? "Audi-Ingenieure leben in einer anderen Welt, diese Leute sind total realitätsfremd. Da geht es um Millimeter und Nanometer, wie es sich in der Praxis oft nicht umsetzen lässt. Die sagen dir: ,Wir machen das bei Audi so, also mach' du das auch so.' Aber das geht oft nicht."
Der Handwerksmeister aus Riedenburg im Kreis Kelheim nennt auch gleich ein Beispiel, wie er es nach eigenem Bekunden selbst mit einem Audi-Ingenieur erlebt hat: "Da sucht sich einer ein Fliesenmodell mit den Maßen 30 mal 60 Zentimeter für sein Bad aus. Als erstes misst er nach und wundert sich, dass er nur auf 29,5 mal 59,5 Zentimeter kommt. Das ist aber immer so, weil die Fuge bei der Maßangabe mitgerechnet wird. Der Mann wollte das aber nicht akzeptieren und hat ein Normengutachten in Auftrag gegeben." Ein anderer Ingenieur des Ingolstädter Autobauers habe eine Juramarmortreppe nicht akzeptiert, weil ihm die Muster im Stein nicht gleichmäßig genug erschienen. "Das ist ein Naturprodukt wie Holz, da gibt es immer Abweichungen." Der Kunde habe geklagt - und verloren.
Ein weiterer Vertreter des Berufsstandes habe ihm einen Plan präsentiert, auf dem jede Fliese einzeln gezeichnet war und wie sie verlegt werden sollte, samt Fugenbild für den ganzen Raum, "das hat er bei Audi machen lassen. Nur dass es so nicht umzusetzen war". Ein "Audianer" habe einmal die Putzer verklagt, weil die Wände nicht absolut parallel zueinander standen, "obwohl das absolut in der Toleranz war." Solche Dinge kennt Schmiedl aus leidvoller Erfahrung zur Genüge - und obendrein sollen die Ingenieure aus besagtem Hause nach seiner Aussage auch noch mitunter schlechte Zahler sein. "Ich gebe vier Prozent Skonto, wenn jemand innerhalb einer Woche zahlt. Sie wollen aber fünf Prozent oder mehr und zahlen dann manchmal doch erst nach drei Monaten."
Klagen von Handwerkern wegen säumiger Zahler sind häufig zu hören. Wie oft Gerichte sich mit solchen Verfahren befassen müssen, lässt sich aber nicht sagen, das werde nicht einzeln erfasst, heißt es etwa am Amtsgericht Ingolstadt. Konkrete Zahlen, wie oft Handwerksbetriebe auf ihren Rechnungen sitzenbleiben oder mit ungerechtfertigten Abzügen konfrontiert sind, gibt es auch bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern nicht. "Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass die Zahlungsmoral sich verschlechtert hat", sagt der Syndikusanwalt Sven Rathgeber - und zwar generell und unabhängig vom Beruf der Auftraggeber. Der Jurist arbeitet als Rechtsberater bei der Handwerkskammer. "Es kommt immer wieder vor, dass Zusatzaufträge, die während der Bauphase auf Zuruf ergangen sind, nicht bezahlt oder Teile der Rechnung wegen vorgeschobener Mängel nicht beglichen werden", weiß er. Für Handwerker sei es schwieriger geworden, und "je weiter der Bau fortschreitet, desto höher wird das Risiko für den Auftragnehmer, weil das Geld knapper wird und das Bauen teuer geworden ist". Heutzutage werde aufwendiger gebaut als zu Großvaters Zeiten, die Ansprüche seien gestiegen. "Wir raten, alle Auftragsdetails schriftlich festzuhalten und eine schriftliche Vereinbarung über die geschuldete Vergütung zu treffen. Wer das beherzigt, hat gute Chancen, an sein Geld kommen", empfiehlt Rathgeber.
Michael Schmiedl versichert, kaum noch Zahlungsausfälle zu haben, seit er Ingenieure von Audi ausschließt. Solche von Siemens empfinde er gar noch schlimmer, sagt er. Deshalb bleibt er bei seiner rigorosen Haltung: "Ich bekomme darauf viel Resonanz, so 10 bis 15 Mails am Tag, manchmal negative, aber auch sehr viele positive. Audi-Bandarbeiter nehme ich gern als Kunden an, denen gefällt meine Einstellung. Sie verstehen mich, weil sie die Ingenieure aus der Arbeit genauso pingelig kennen." Dabei war der Handwerksmeister in der Ausbildung eher vor anderen Berufsvertretern als potenzielle Problemkunden gewarnt worden: Ärzten und Lehrern. "Das stimmt aber gar nicht, für mich waren sie immer problemlose und gute Kunden. Am allerbesten sind aber Polizisten", meint Schmiedl.
So rigoros der 36-Jährige mit seinem Ausschluss vorgeht, ist er dieser Tage doch am Schwanken und erwägt vielleicht eine kleine Ausnahme. Denn grundsätzlich hat er ja nichts gegen Audi, er hat früher sogar schon für Vorstandsmitglieder privat gearbeitet. "Die waren komischerweise völlig in Ordnung." Jetzt habe er den Brief von den Eltern eines Audi-Ingenieurs auf dem Tisch, der Mann finde einfach keinen Handwerker für seinen Hausbau. "Sie wollen für ihn bürgen, im Voraus bezahlen und versichern, dass der Sohn nicht auf der Baustelle erscheinen wird, bis alles fertig ist. Da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen", hofft er. Es sei denn, der Kunde klagt hinterher. "Aber vielleicht riskiere ich es nochmal, sonst hat der Mann echt ein Problem!"
Horst Richter
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