FCI-Serie, Teil 13: Der verlorene Sohn
Ex-Nationalspieler Christian Träsch spielte zwei Jahre für den FC Ingolstadt

15.02.2024 | Stand 15.02.2024, 7:34 Uhr |

Christian Träsch beim Torjubel: In dieser Pose sah man den ehemaligen Nationalspieler im FCI-Trikot (hier mit Thomas Pledl, links) allerdings nur selten. Träsch spielte von 2017 bis 2019 bei den Schanzern, nach dem Abstieg in die 3. Liga war für ihn Schluss. Foto: Imago Images

Vergangene Woche wurde Christian Träsch positiv überrascht. Zum einen, dass er zur Geburtstagsfeier des FC Ingolstadt überhaupt eingeladen worden war. Zum anderen, dass er einige Weggefährten von einst wiedersah – auch wenn die letzte Episode seiner Profikarriere bei den Schanzern mit dem Abstieg in die 3. Liga traurig zu Ende gegangen war.



„Es war eine schöne Sache und ein großes Gewusel. Ich habe mich gefreut, einige Ex-Kollegen wiederzusehen“, sagt Träsch, der heute im noch immer profitauglichen Alter von 36 Jahren hobbymäßig beim FC Gerolfing in der Kreisliga kickt.

Geplant war das so nicht, als Träsch im Sommer 2017 in seine Heimatstadt zurückkehrte. Aus der war er bereits als Schüler ausgezogen, um die bis dato größte Fußballerkarriere eines Ingolstädters zu starten. Über seine Jugendvereine TV 1861 und MTV Ingolstadt ging es im Alter von 15 Jahren zunächst zur finalen Ausbildung beim TSV 1860 München mit seinem damaligen Teamkameraden Julian Nagelsmann, 2008 schaffte der Defensivallrounder beim VfB Stuttgart den Sprung in die Bundesliga. Es folgten 209 Einsätze in der höchsten deutschen Spielklasse (für die Schwaben und den VfL Wolfsburg), 33 Begegnungen in der Champions und Europa League, 22 im DFB-Pokal mit dem Cupgewinn 2015 und zehn Länderspiele. Sogar die WM-Teilnahme 2010 schien möglich, doch dann verletzte sich der damals 22-Jährige im Trainingslager in Südtirol am Sprunggelenk – aus der Traum.

Am Anfang war es eine Traumehe

Umso mehr erzeugte die Nachricht von Träschs Verpflichtung beim FC Ingolstadt ein neues Traumszenario. Da kehrte der verlorene Sohn zurück, spielte erstmals ein Ingolstädter bei den Schanzern, die zudem gerade aus der Bundesliga abgestiegen waren und mit Träsch vom sofortigen Wiederaufstieg träumten. „Es war immer mein Wunsch, für den FC Ingolstadt zu spielen. Und dann hat sich die Situation ergeben, obwohl ich auch Angebote aus der Bundesliga und dem Ausland hatte. Peter Jackwerth und Harald Gärtner haben mich von der Zukunft des FCI überzeugt“, erzählt Träsch, der damals mit dem VfL Wolfsburg in der Relegation gegen Eintracht Braunschweig (1:0 und 1:0) gerade noch dem Abstieg entronnen war. Träsch unterschrieb einen Dreijahresvertrag mit einer Anschlussvereinbarung, danach eine Aufgabe im Verein übernehmen zu können.

Doch es kam alles ganz anders. Träsch erinnert sich: „Wir lagen zur Winterpause auf Platz vier, fünf Punkte hinter einem direkten Aufstiegsplatz. Es gab dann eine große Diskussion im Trainingslager, ob wir den Aufstieg als Saisonziel ausgeben sollten. Ich habe mich dagegen ausgesprochen, weil ich aus Wolfsburg die hohe Erwartungshaltung – und was daraus entstehen kann – kannte. Wir hatten immer das Ziel Champions League und spielten am Ende in der Relegation.“ Dem FCI erging es kaum besser. Einem enttäuschenden 0:0 gegen Sandhausen folgte eine 2:3-Niederlage in Regensburg – das Ziel geriet schnell aus den Augen. „Uns ist das richtig auf die Füße gefallen“, meint Träsch.

Abruptes Ende nach dem Abstieg

In der Folgesaison 2018/19 kam es noch schlimmer, auch für ihn persönlich. Träsch zog sich in der Vorbereitung einen Kreuzbandriss zu und kehrte erst nach der Winterpause zurück. Da hatten die Schanzer mit Jens Keller bereits den dritten Cheftrainer. Am Ende stand der Abstieg, weil der FCI trotz einer versuchten Rettungsaktion mit Tomas Oral nach einer zwischenzeitlichen Aufholjagd in die Relegation musste und gegen Drittligist Wehen Wiesbaden (2:1 und 2:3) wegen der damals noch gültigen Auswärtstorregel den Kürzeren zog. „Ich habe bei Oral nicht gespielt, weil ich seiner Meinung nach nicht fit war. Ich glaube trotzdem, dass ich der Mannschaft gerade in der Relegation hätte helfen können“, meint Träsch auch heute noch.

So aber wurde die vermeintliche Traumehe zwischen dem FCI und Träsch am 28. Mai 2019 nach nur zwei Jahren und 35 Einsätzen (ein Tor) abrupt geschieden. Träschs Vertrag hatte für die 3. Liga keine Gültigkeit mehr, zu Verhandlungen kam es nicht, obwohl der da erst 31-Jährige Gesprächsbereitschaft signalisierte. „Mir wurde von Michael Henke telefonisch in einem Zwei-Minuten-Gespräch nur mitgeteilt, dass es nicht weitergeht, das war’s“, sagt Träsch und zieht nüchtern Bilanz. „Aus sportlicher Sicht war die Rückkehr nach Ingolstadt die schlechteste Entscheidung meiner Karriere, aber privat war sie richtig. Meine Großeltern, die beide große Fußballfans waren, haben mich noch in Ingolstadt spielen sehen, das hat mir viel bedeutet.“

Eine Annäherung zwischen dem Verein und dem einstigen Nationalspieler, der auch immer wieder mit einer Trainerkarriere zumindest im Nachwuchsbereich geliebäugelt hatte, gab es seither nicht. „Ich hatte nicht das Gefühl, willkommen zu sein“, meint Träsch, der zuletzt zwar ein „gutes Gespräch“ mit dem neuen NLZ-Leiter Philipp Kaß geführt hatte, von dessen Vorschlag aber nicht angetan war. „Als Co-Co-Trainer der U21-Mannschaft wollte ich mich dann auch nicht dranhängen“, sagt Träsch.

Seine Liebe zum Fußball lebt der Ex-Profi, der es genießt, seine beiden Kinder heranwachsen zu sehen und viel Zeit mit der Familie verbringen zu können, daher mit seinen Teamkollegen beim FC Gerolfing aus, fördert dort seine ältere Tochter Tamina in der D-Jugend und unterstützt das nigerianisch-stämmige Flüchtlingskind Sheriff Omotolani, das mittlerweile im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des FC Ingolstadt untergebracht ist.

Träsch empfiehlt einen kritischen Blick

Den Schanzern wünscht er die Rückkehr in die 2. Bundesliga. „Ich würde mich freuen, wenn sie aufsteigen. Das wäre für die Stadt und die Region wichtig, die Infrastruktur ist ja da“, meint Träsch, hält aber auch mit Kritik nicht hinter dem Berg. „Ich frage mich einfach, wieso immer wieder so simple Fehler passieren, wie beim letzten Aufstieg in die 2. Bundesliga, als man meinte, mit acht Jugendspielern die Liga rocken zu können. Oder dass man im Jahr darauf einen Trainer zwei Wochen nach der Winterpause entlässt. Da hat es dann doch vorher schon nicht gepasst und man hätte gründlicher analysieren und konsequenter handeln müssen“, sagt Träsch und bringt für die Schanzer das Stuttgarter Modell ins Gespräch. „Dort hat man sich Sami Khedira und Philipp Lahm als Berater geholt. So etwas könnte dem FCI auch helfen, einfach ein anderer, kritischer Blick aus Sicht von Fußballprofis. Ob und wie man das als Verein dann umsetzt, ist eine andere Sache, aber Kritik finde ich grundsätzlich nicht schlecht, die kann ja sehr konstruktiv sein.“ Ob Träsch und der FCI nochmals zusammenfinden, ist nicht abzusehen.

DK

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