Angedacht

Holger Schwarzer, Pfarrer und Leiter des Evangelischen Forums Ingolstadt zur evangelischen Fastenaktion

08.03.2019 | Stand 02.12.2020, 14:29 Uhr
Foto: Hauser −Foto: Hauser, Johannes, JHH|Hauser, Johannes, Ing, Hauser, Johannes, Ing

Mal ehrlich! Sieben Wochen ohne Lügen" - so lautet das Motto der diesjährigen evangelischen Fastenaktion.

 Das Thema "Wahrheit und Lüge" hat die Menschen schon immer beschäftigt. Doch warum ist gerade in der heutigen Zeit so auffällig häufig von "Lüge" die Rede - sei es zum Beispiel als "Fake News" oder in der Wortverbindung "Lügenpresse"?

Erst einmal ist die Lüge schädlich, weil sie das Vertrauen in andere Personen erschüttert - nach dem Sprichwort: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. " Hier wird die Lüge in einem juristischen Sinn als bewusste Falschaussage verstanden.
Martin Luther hat ein tieferes Verständnis von Lüge entwickelt. Er versteht Lüge als eine Täuschung des Menschen über sich selbst - als eine Unklarheit des Menschen, wie er vor Gott dasteht. Vor dem reinen Gott ist der Mensch nur ein Egoist - doch genau das kann er selbst nicht sehen. Der Psalmvers "Alle Menschen sind Lügner" (Psalm 116,11) hat Luther zu diesen Gedanken angeregt.
Aber auch das erklärt noch nicht, warum gerade heute das Thema Lüge so in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt ist. Mir scheint es damit zusammenzuhängen, dass die gemeinsame Basis der politischen Grundüberzeugungen zum Beispiel im Bereich der Migration zerbrochen ist. Man kann es nicht einmal mehr für möglich halten, dass sich der politische Gegner nur irrt - er muss verdorben sein und lügen. Und so kommt dann in die weltanschauliche Diskussion eine große Schärfe: "Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß, und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher", so Bertolt Brecht im Leben des Galilei.

Holger Schwarzer,
Pfarrer und Leiter
des Evangelischen Forums
Ingolstadt