Andreas Hofmeir besucht sein altes Gymnasium

19.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:44 Uhr

Ingolstadt - "Bitte kitzelt was aus ihm heraus! Nicht warten, was er euch auftischt - macht selbst was draus!" Dieser Appell von Schulleiterin Edith Philipp-Rasch scheint ganz im Sinne des musikalischen Grenzgängers Andreas Hofmeir zu sein, der am Dienstagvormittag vor seinem "Stradihumpa"-Auftritt mit Geiger Benjamin Schmid beim Konzertverein in die Pausenhalle des Reuchlin-Gymnasiums gekommen ist, um seine Tuba vorzustellen.

"Zum ersten Mal seit 23 Jahren darf ich meine ehemalige Schule offiziell wieder betreten", verrät der Echo-Klassik-Preisträger. "Wegen Auflehnung gegen das Rektorat wurde nämlich unserem ganzen Jahrgang nach dem Abitur Hausverbot erteilt."

Stolze 3,70 Meter misst allein das aufgerollte Grundrohr seines imposanten Blechblasinstruments, erfunden im Jahr 1835. Damit erweist sich die Tuba als das jüngste und höchstentwickelte Instrument überhaupt. "Alle anderen sind eigentlich nur rudimentäre, prähistorische Vorläufer auf dem Weg zu dieser Vollendung", verkündet Hofmeir ironisch. So erfahren die staunenden Schüler, dass man auf dem tiefklingenden Mitglied der Bügelhörner strenggenommen nur Naturtöne spielen könnte - gäbe es da nicht die Ventile. Und schon hätte es für alle Anwesenden beinahe "Sechser gehagelt", wenn Reinald Atzerodt (Vater der für die Veranstaltung verantwortlich zeichnenden Musikpädagogin Eva-Maria Atzerodt) heute noch Lehrer am Reuchlin wäre. Denn worum genau es sich bei einer Naturtonreihe handelt ("die Addition der Schwingungen!"), weiß zwar niemand, aber nach gemeinsamer Rechenarbeit ist die richtige Intervallabfolge schließlich gefunden. Flugs demonstriert Hofmeir sie gleich an der Tuba.

Darum, dieses Instrument zu lernen, riss sich zu seiner Gymnasialzeit keiner. Das übernahmen diejenigen, so erzählt er launig, die für anderweitige Besetzungen nicht zu gebrauchen waren. Außerdem gab es damals noch kaum Tuba-Literatur. Die ersten Soli wurden für eher gruselig-grässliche Situationen geschrieben, wie etwa das Auftauchen des schleimigen Lindwurms in Wagners "Siegfried", oder um die Flatulenzen der gewalttätigen Köchin aus Prokofjews "Die Liebe zu den drei Orangen" lautmalerisch zu illustrieren. Da hört sich der kältestarrende Schneesturm aus Vivaldis "Jahreszeiten", den Hofmeir in einer Transkription zusammen mit seiner Frau Barbara Schmelz am Klavier entfesselt, schon wesentlich ästhetischer an. Kaum mag man bei solch peitschender Virtuosität glauben, dass der heutige Professor für Tuba am Salzburger Mozarteum ursprünglich Schlagzeuger werden wollte: "Das fand ich cool!"
Weil dieser Posten im Blasorchester allerdings schon besetzt war, rangierte er stattdessen als bis dahin einziger Tubist der Schule, für dessen Premierenauftritt beim Hausmusikabend in der Turnhalle extra Noten aufgetrieben und bestellt werden mussten. "Da hätte ich mir auch noch nicht träumen lassen, dass ich das später mal beruflich mache. Eigentlich wollte ich was Anständiges lernen", witzelt er rückblickend. Immerhin aber sitzt, wie er schnell eruiert, unter den Zuhörern auch eine Blechbläserin.

So manche Fragen haben die Neuntklässler an den Musiker und Kabarettisten - und kommen dadurch in den Genuss von spannenden Details: Dass sie in Deutschland bei Profis in der Regel auf 443 Hertz gestimmt ist. Dass die längste Vorstellung, bei der Hofmeir mitwirkte, die "Götterdämmerung" mit einer reinen Aufführungsdauer von fünf Stunden war: "Da nimmt man sich für die Pausen einfach ein Buch mit in den Orchestergraben."

Zum Abschluss erklingt noch ein glutvoll-leidenschaftlicher Tango aus Dänemark - bevor die Schüler mit Flyern bewaffnet zur Autogrammstunde Schlange stehen.

DK


Heike Haberl