Pfaffenhofen
An Vatertag einen hinter die Binde gießen

Mit Atemmaske und Abstandsgebot: Wie Väter in Corona-Zeiten ihren Ehrentag begehen

22.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:19 Uhr |
Impressionen vom Vatertag: Mit dem Radl sind zwei befreundete Ehepaare aus Gerolsbach in den Biergarten der Gaststätte Zeidlmaier in Rohrbach gefahren. − Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen - Kaiserwetter, T-Shirt-Temperaturen, bayrischer Himmel in Weiß-Blau: Beste Voraussetzungen für Väter, "ihren" Tag zu genießen. Aber die Freude war, wie ein Rundgang durch die Biergärten zeigt, eher gedämpft; denn vieles, was den Herren der Schöpfung an diesem Tag lieb und wichtig geworden war, ging wegen Corona nicht.

 

Kurz nach zehn vor dem Müllerbräu am Hauptplatz: Acht Männer sitzen unterm Sonnenschirm an zwei großen Biertischen, weit auseinander, die Plätze sind mit Namen reserviert: Jeder hockt auf der Bank an einem Tischende mit fast zwei Metern Abstand zum Sitznachbarn. Die Kellnerin, vorschriftsmäßig mit Mundschutz, stellt die Maßkrüge auf den Tisch. Anstoßen ist in Corona-Zeiten ein sportlicher Kraftakt - einarmiges Heben in der Ein-Liter-Klasse: Die Männer müssen die Arme fast waagerecht ausstrecken. Die Atemmasken haben sie abgenommen, sie baumeln locker unterm Kinn. Die Redewendung "sich einen hinter die Binde gießen", die auf die Halstücher kroatischer Reiterverbände vor 500 Jahren zurückgeht, bekommt plötzlich eine brandaktuelle Bedeutung.

Die Väter hinter ihrem Bier seufzen: Seit 13 Jahren treffen sie sich hier an Vatertag, heuer aber nur in halber Besetzung - die Luft ist raus. Väter sind sie immer noch, Ehemänner nur noch vereinzelt. "Eigentlich", sagt Markus, 45, wehmütig, "säßen wir jetzt zu 15 Mann in einer Kutsche." Kutsche? "Ja, jedes Jahr haben wir uns hier getroffen und sind dann im Vierspänner nach Scheyern gefahren. Eine Riesengaudi."

 

Nichts ist mehr, wie es mal war. Seit Jahren schon kommen die drei jungen Männer, die in der Sonne am Biertisch vorm Pfaffelbräu sitzen, hier am Vatertag zusammen. Drei an einem Tisch? Wo doch nur zwei Hausstände erlaubt sind? "Wir leben in einer WG", sagt Johannes, 29, und zeigt auf seinen Sitznachbarn Florian, 30. Na dann. Ihre Tradition ist ungebrochen, denn auch am Umstand, dass sie noch gar keine Väter sind ("Wir bereiten uns jedes Jahr mental darauf vor"), hat sich bisher nichts geändert. Aber in diesem Jahr gibt's keine Weißwürste. "Lohnt sich nicht", sagt Wirtin Verena Gschwendtner. "Normalerweise wäre jetzt um zehn schon die Hälfte der Tische besetzt." Jetzt sitzt außer dem Trio nur noch ein einsamer Vater beim Weißbier. Zur Mittagszeit allerdings sei alles ausgebucht, sagt nicht nur Gschwendtner, sondern auch die Zeidlmaier-Wirtsmutter Hermine Krois aus Rohrbach. Dann kämen die Familien. Das Männer-Trio verschmerzt die Weißwurst-Abstinenz: "So lange das Bier fließt, ist alles ok."

Vier Burschen wollen diesbezüglich kein Risiko eingehen. Sie ziehen auf der Bergmeister-Straße in einem Handwagen einen Kasten Bier hinter sich her. Sie sind auf dem Weg nach Scheyern zum Biergarten. Fünf Kilometer liegen noch vor ihnen, bis dahin müsste der Proviant reichen. Bisher seien sie an Vatertag meist ins Ausland gefahren, Tschechien oder Österreich. In diesem Jahr muss ein Kurztrip reichen.

Wegzehrung haben auch fünf harte Männer eingepackt, die - wie jedes Jahr - mit ihren schweren Motorrädern von Aichach aus zu einer Vatertagstour durch den Pfaffenhofener Landkreis unterwegs sind. Kein großer Ritt, zum Kaffeetrinken wolle man wieder daheim sein. Unterhalb von Scheyern legen sie eine Pause ein. In einer Kühlbox haben sie Weißwürste mitgenommen, "und den Campingkocher haben wir sowieso immer dabei", sagt einer von ihnen.

 

Im Biergarten der Scheyerer Klosterschänke sitzen neun Rennradfahrer aus Inchenhofen ein wenig trübsinnig an Biertischen. "Eigentlich", sagt einer aus der Runde, "wären wir ja jetzt auf dem Weg nach Rom." Jedes Jahr machen sie um Pfingsten herum eine großes Tour, heuer wäre der Rom-Trip ein Jubiläum gewesen: Vor genau zehn Jahren waren sie schon einmal dort. Aber weiter als bis zur österreichischen Grenze wären sie in diesem Jahr wegen Corona nicht gekommen. Jetzt mussten sie die Rom-Fahrt zu einer Vatertagstour nach Scheyern zusammendampfen.

Exakt an die Corona-Vorschriften der bayrischen Staatsregierung halten sich acht Väter, die im Biergarten des MTV am Waldspielplatz in großzügigem Abstand an zwei Biertischen sitzen. Um nichts falsch zu machen, schauen sie sich auf ihren Handys den Video-Clip der Pressekonferenz an, auf der Hubert Aiwanger, stellvertretender bayrischer Ministerpräsident, das Abstandsgebot für Biergärten erklärt: "Wenn sechs bis acht Leute", so Aiwanger, "jeder mit seinem Kumpel kommt, dann kann der sich natürlich jeweils mit seinem Kumpel, der seine Bezugsperson ist, an einen Tisch setzen. Und mit einsfünfzig Abstand sitzt der nächste Kumpel mit seinem Kumpel." Passt, die Väterrunde, der gerade Weißwürste und Brezn serviert wird, nickt zufrieden. Doch jetzt wird's kompliziert: "Aber die können nicht sechs mal zwei an einem Tisch sitzen", erklärt Aiwanger weiter, "weil ja nicht mal die ersten sechs an einem Tisch sitzen dürfen. Also immer nur mit einer Bezugsperson." Aber Aiwanger ist noch nicht fertig: "Und zu den anderen ist jeweils einsfuchzig Abstand zu halten. Das Beispiel ginge nur, wenn der Tisch irgendwo 15 Meter lang ist und dann im Abstand von einsfünfzig immer die Pärchen gegenüber sitzen."

Offensichtlich alles richtig gemacht, freut sich die Runde. Fehlt eigentlich nur noch, dass Edmund Stoiber erklärt, wie man mit dem Transrapid vom Münchner Hauptbahnhof zum Waldspielplatz kommt.

PK

 

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