Ingolstadt
An den Grenzen der Sicherheit

Kletterunfall im Übungszentrum am Baggerweg: War es menschliches Versagen?

17.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:29 Uhr

−Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) In wenigen Sportarten liegt die Sicherheit des Athleten so sehr in der Hand des Partners wie beim Klettern. Dass es dabei zu Fehlern kommen kann, ist menschlich. Missgeschicke können jedoch zu folgenschweren Unfällen führen, wie am Freitagabend einer im Kletterzentrum am Baggerweg passiert ist.\t

Ein 30-jähriger Kletterer war gegen 18.40 Uhr schon fast ganz oben an der Kletterwand angekommen. Kurz vor Abschluss seiner Tour wollte er laut Polizeibericht gerade das Seil einhängen, als er abrutschte. Am Boden sicherte ihn seine Freundin, doch in diesem Moment könnte sie nach ersten Eindrücken von Fachleuten einen Sicherungsfehler gemacht haben. Jedenfalls rutschte das Seil durch ein Sicherungsgerät, und der 30-Jährige stürzte – die Polizei spricht von fast zwölf Metern, Stefan Moser, der Vorsitzende des Kletterzentrums, von sieben bis acht Metern – auf den Betonboden. Weil das Seil durch alle Karabiner und das Sicherungsgerät lief, entstand Reibung, die den Sturz etwas dämpfte. Dennoch erlitt der 30-Jährige durch den Aufprall schwere Prellungen an Becken, Kopf, Rücken und an den Füßen. Mit einer großen Portion Glück im Unglück konnte er jedoch gestern ohne Knochenbrüche das Klinikum verlassen.

Wie kann es in einer Übungshalle mit allen erdenklichen Sicherungsmaßnahmen zu einem solch schweren Unfall kommen? Stefan Moser unterscheidet beim Klettern zwischen zwei Faktoren: der objektiven und der subjektiven Komponente. Zur ersten zählt der Vorsitzende die Ausrüstung der Kletterer und die Wände und Griffe in der Halle. „Da haben wir eine 99,99-prozentige Sicherheit“, erklärt Moser. Die Wände würden von Betreuern regelmäßig gewartet. Die Karabiner, Gurte und Seile der Kletterer seien mittlerweile absolut sicher. „Wegen der speziellen Materialien und des technischen Fortschritts ist ein Karabinerbruch oder Seilriss mittlerweile ausgeschlossen“, sagt Moser.

Daneben gibt es aber noch die subjektive Komponente: der Mensch. „Überall, wo Menschen etwas tun, werden Fehler gemacht“, sagt Moser. So könnte es auch am Freitagabend gewesen sein: Der Unfall basierte nach Moser vermutlich auf einem typischen Sicherungsfehler. „Die Freundin war wohl kurz abgelenkt, erschrocken, nicht konzentriert“, mutmaßt der Vorsitzende. Trotz des Sicherungsgeräts muss der Partner das Seil mit der Bremshand festhalten. Passt man hier nicht auf und öffnet die Hand, läuft das Seil ungebremst durch die Sicherung – ein Absturz ist dann nicht zu verhindern.

„Wir versuchen, diese Fehlerquellen so gut wie möglich zu minimieren“, sagt Stefan Moser. Das Kletterzentrum setzt auf eine gute Ausbildung, bietet Kurse an und empfiehlt allen Kletterern, einen Kletterschein zu machen, auch wenn dieser nicht nötig ist, um die Halle zu besuchen. Jeder Kletterer muss eines von zehn möglichen Sicherungsgeräten beherrschen. Hundertprozentige Sicherheit sei dennoch nicht möglich.

Im vergangenen Jahr passierten laut Moser in der Halle am Baggerweg in Haunwöhr maximal fünf Unfälle. Bei 45 000 Eintritten sei das eine verschwindend geringe Zahl. „Beim Fußball verletzen sich definitiv mehr Menschen als beim Sportklettern“, macht Moser die Relation deutlich.

Das Problem im Vergleich zu anderen Sportarten ist nur: Wenn im Klettersport ein Fehler gemacht wird, dann hat er meist schwerwiegendere Folgen. „Sportklettern“, sagt Moser, „ist eine große Vertrauenssache. Man muss sich vorher gut überlegen, in welche Hände man sein Leben gibt.“ Dieser Herausforderungscharakter mache aber gerade die Faszination dieser Sportart aus.