Neuburg
Alte Musik, die kein bisschen alt ist

Dozentenkonzert der Sommerakademie widmet sich der Renaissance und dem Barock

09.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:40 Uhr
„Im Dialog“ schreibt Salamone Rossi ausdrücklich vor für seine Sonate mit Leila Schayegh (Violine), Gerhard Abe-Graf (Cembalo), Jakob Lindberg (Laute) und Han Tol (Blockflöte). −Foto: Heumann

Neuburg (DK) Irgendjemand hatte sich für das Dozentenkonzert der Sommerakademie den griffigen Titel „R & B-Variationen“ einfallen lassen.

Die beiden Buchstaben stehen für die die Alte-Musik-Akademie beherrschenden Epochen Renaissance und Barock. In einer Sonate von Salamone Rossi eröffnet sich sogleich die ganze Welt der Polyphonie. Violine (Leila Schayegh) und Blockflöte (Han Tol) treffen sich auf Augenhöhe in verwandter, doch höchst eigenständiger Sprache.

 

Han Tol lässt bei seiner Art des Blockflötenspiels den aufkeimenden Wunsch nach einer Traversflöte glatt vergessen. Aber auch bezeichnend für den über weite Teile des Abends vorherrschenden elegischen Grundcharakter, lässt Han Tol auf ein pastorell gefärbtes Stück von Andrea Falconieri nahtlos gleich noch ein Lamento von Giovanni Legrenzi folgen. Durfte man sich für einen Moment in den schönen Traum eines Hirten verlieren, jetzt ist entschieden, wie auch dieser Traum nur enden kann.

In der Stimmungslage vielleicht der absolute Tiefpunkt, interpretatorisch und im Gestaltungsausdruck indes ein absoluter Höhepunkt des Abends, das Solo-Gamben-Stück von Sieur de Sainte-Colombe. Begegnen die Solopartiten und Sonaten Johann Sebastian Bachs als absolute Solitäre der gesamten Musikgeschichte, hier haben sie einen vom einmaligen Hören kaum sich ganz erschließenden, jagerade nach dem Notenbild verlangenden Vorläufer. In dem Sinn nicht sonderlich schön, melodiös gar, fast triste im Grundton, diesen in strengster Diktion durchgestaltend, formal pikant, ein Exerzitium über die Möglichkeiten des Instruments und die kompromisslos stringenten Fähigkeiten der Interpretin Friederike Heumann. Da gibt sich der folgende Johann Philipp Krieger ungleich geselliger und gesellschaftsfähiger.

Ein Glücksfall für die Akademie, vielleicht noch mehr als fürs Konzert: Was Diktion, gestalterische Artikulation, rhythmische Phrasierung, schlichtweg, was die Interpretation eines Liedes anbelangt, da kann jeder und gewiss nicht nur der blutige Anfänger so verdammt viel Schönes und vor allem Richtiges von Emma Kirkby lernen, der zuverlässige Begleiter der Lautenist Jakob Lindberg.

In Domenico Gabrielli begegnet mit dem Interpreten Gerhart Darmstadt die früheste Cello-Sonate noch in anderer Instrumenten-Stimmung der Musikgeschichte. Eine finale Sonate von Johann Friedrich Fasch bündelt impulsives Ensemblespiel. Mit weniger äußerem Glanz vielleicht, ist das heutige Spiel indes doch authentischer. Da hat sich viel geändert, weil Alte Musik eben kein bisschen alt ist.