Ingolstadt
Als Russland zum Bayerngrab wurde

Freunde des Armeemuseums und Traditionsverbände erinnern an Napoleons Ostfeldzug vor 200 Jahren

23.09.2012 | Stand 03.12.2020, 1:02 Uhr |

Appell im Schlosshof: Wolfgang Prinz von Bayern (vorne links) und der Vorsitzende des Freundeskreises des Bayerischen Armeemuseums, Manfred Dumann, schreiten die Formationen von Gebirgsschützen und Traditionsverbänden ab, die sich zur Erinnerung an Bayerns Beteiligung am napoleonischen Russlandfeldzug vor 200 Jahren in Ingolstadt eingefunden hatten. Der frühere Museumsleiter Ernst Aichner hatte zuvor im Fahnensaal über Einzelheiten des tragischen Geschehens referiert (unten) - Fotos: Strisch

Ingolstadt (DK) Mit einer großen Gedenkveranstaltung im Armeemuseum und im Schlosshof hat der Freundeskreis des Hauses am Samstag an Napoleons Russlandfeldzug im Jahre 1812 erinnert. Das desaströse Unternehmen hatte seinerzeit rund 30 000 bayerische Soldaten das Leben gekostet.

Die Freunde hatten auf diesen Tag lange hingearbeitet. Sie sehen die Beschäftigung mit der Geschichte der bayerischen Armee und ihren Jahreszahlen als zentrale Aufgabe des Museums. Die Erinnerung an 1812, als weite Teile dieser Armee unter der Führung des französischen Imperators in Russlands Weiten regelrecht „verheizt“ worden waren, sei für die Unterstützer „wichtiger als die Landesausstellung 2015“, sagte Vorsitzender Manfred Dumann am Samstag vor einer großen Zahl geladener Gäste im Fahnensaal des Neuen Schlosses, der so gut gefüllt war wie schon lange nicht mehr.

In drei Jahren soll Bayerns Zeit als Verbündeter Frankreichs in Ingolstadt bekanntlich generell in großem Rahmen beleuchtet werden. Den Museumsfreunden ging es aber schon jetzt um eine würdige Erinnerung an jene Tragödie, die vor genau 200 Jahren vor Moskau, aber eigentlich schon auf dem Weg dorthin ihren Lauf genommen hatte. Sie hatte letztlich auch großen Anteil daran, dass sich Bayern von Napoleon lossagte und an der Seite der Allianz von Russland, Preußen, Österreich und Großbritannien in die Befreiungskriege eintrat.

Der Einladung des Freundeskreises nach Ingolstadt waren am Samstag etliche Traditionsverbände und Abordnungen der Gebirgsschützen gefolgt. An der Spitze der Ehrengäste stand als Vertreter des Hauses Wittelsbach Wolfgang Prinz von Bayern, der neuerdings dem Kuratorium des Freundeskreises vorsteht. Aber auch etliche Vertreter aus Politik und Gesellschaft hatten sich morgens eingefunden, um zunächst an einem Gottesdienst in der Moritzkirche (Zelebrant war der frühere Eichstätter Generalvikar Johann Limbacher) teilzunehmen. Anschließend führte ein bunter Zug mit über 20 Fahnenabordnungen bei Marschmusik durch die Fußgängerzone zum Schloss.

Dort war es an Ernst Aichner, vormaliger Direktor des Bayerischen Armeemuseums, die Rolle der Bayern in Napoleons Russlandkrieg zu verdeutlichen. Der Historiker schilderte – untermauert von zeitgenössischen Darstellungen des Aufmarsches, der Kampfhandlungen und schließlich des Rückzugs – die heute schier unvorstellbaren Strapazen und Leiden, die allen rund 500 000 Soldaten dieses bis dahin größten Heeres der Weltgeschichte unter Führung des korsischen Feldherrn und französischen Kaisers vor 200 Jahren auferlegt worden waren.

Von den 33 000 Bayern, die im Sommer als Verbündete der Franzosen gen Osten gezogen waren, kehrten im Dezember nur rund 3000 heim. Aichners Fazit: Die Katastrophe, die die Franzosen freilich genauso getroffen hatte, war die unvermeidliche Konsequenz taktischer Fehlentscheidungen und einer völlig unzureichenden Truppenlogistik gewesen. Sie hatten den Soldaten durch Hunger, Durst und Krankheiten schon den Mut und den Durchhaltewillen genommen, bevor die ersten größeren Schlachten anstanden. Später war deshalb oft vom russischen Bayerngrab die Rede gewesen. Das traf es wohl ganz gut.

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