Pfaffenhofen
Alles aufs Spiel gesetzt – und verloren

11.11.2010 | Stand 03.12.2020, 3:28 Uhr

Riss die Zuhörer mit seinem Vortrag mit: Autor Klaus F. Schmidt.

Pfaffenhofen (PK) "Nichts geht mehr" – der Standardspruch, beim Roulette in gediegenem Französisch vorgetragen, ist das bittere Motto eines Lebens mit der Spielsucht und zugleich Titel eines Buches. Es ist die Geschichte eines Mannes, der schon mit 16 die Schule schmeißt, sich auf einem Fischdampfer durchschlägt und es mit dem Vertrieb von Sodastream-Geräten bis zum Multimillionär schafft. Um dann im wahrsten Sinne des Wortes alles aufs Spiel zu setzen – und zu verlieren.

Jammern ist jedoch nicht sein Ding. Stattdessen geht Klaus F. Schmidt lieber in die Offensive, sagt jenen den Kampf an, die aus seiner Sicht die wahren Schuldigen sind. Und will jenen Mut machen, die zu den Opfern von Spielotheken und Kasinos werden. Bei der Feier zu "15 Jahre prop Suchtberatung in Pfaffenhofen" stellte er sich den Fragen von PK-Berichterstatterin Maggie Zurek:
 
Sie haben Ihr persönliches Schicksal sozusagen in einem Buch "gebunden". War das Schreiben für Sie auch so eine Art Therapie?

Klaus F. Schmidt: Nein, das habe ich nicht so empfunden, eher das Gegenteil. Es wurden Erinnerungen wach und die Jahre wieder im negativen Sinn präsent. Da wurde das Schreiben oftmals zur Qual.

Wo sehen Sie die Hauptauslöser für Ihr Abdriften in die Sucht?

Schmidt: Das Fehlen des "Kitzels", der Spannung, also medizinisch gesprochen, die Adrenalin- und Dopaminausschüttung nach dem Ausscheiden aus der Firma. Der Aufbau der Firma von Null auf 70 Mitarbeiter und die Jahresumsatzsteigerung von 100 000 DM im Jahr 1993 auf 67.8 Millionen DM im Jahr 1997 waren mehr als aufregend.

Gibt es bildlich gesprochen Rettungsleinen, die den Abstieg verhindern können? Und welche Rolle können hier Familie und Freunde spielen?

Schmidt: Rettungsleinen können auf jeden Fall die Familie oder Freunde sein, aber Hilfe, vor allen Dingen auf Dauer, kann es nur durch professionelle Unterstützung geben – wie etwa durch prop.

Haben Sie von Betroffenen, die Ihr Buch gelesen haben, Reaktionen erhalten? Glauben Sie, dass die offene Selbstkritik und der klare Blick auf die möglichen Folgen der Sucht, die sie formulieren, andere Menschen vor dem gleichen Schicksal bewahren können?

Schmidt: Selbstkritik als Forschen nach den Ursachen ist für jeden wichtig. Selbstkritik so sie als Selbstvorwurf verstanden wird, ist nicht meine Intention. Warum sollte ich Kritik an mir üben? Glücksspielsucht ist eine seit der Jahrtausendwende von den Versicherungsträgern anerkannte Krankheit, deren Behandlungskosten von diesen getragen werden.

Dem Staat fließen Milliarden aus dem Glücksspiel zu und es wäre nur gerecht, wenn dieser als Partizipant die Kosten tragen würde.

Schmidt: In meinem Fall ist es so, dass ich eigenes, ehrlich erarbeitetes Vermögen (fünf Millionen Mark) in staatlich konzessionierten und betriebenen Spielbanken am Roulettetisch verloren habe. Davon sind 80 Prozent (vier Millionen) als Spielbankabgabe in die Landeshaushalte geflossen. Die Allgemeinheit hat exorbitant von meiner Krankheit Glücksspielsucht partizipiert. Ist DAS kritikwürdig? Ich weiß von vielen Betroffenen, dass ihnen mein Buch sowie die Medienpräsenz insofern hilft, dass dadurch das Thema Glücksspielsucht endlich öffentlich wird und sie mehr Verständnis – nicht Gutheißung – erfahren.

Mit dem Besuch in Pfaffenhofen wenden Sie sich einer Region zu, die vielen noch als heile Welt gilt. Lauern Gefahren nur in der Großstadt?

Schmidt: Durch das Internet werden auch die Versuchungen des Glücksspiels in jeden Winkel der Welt getragen, so auch nach Pfaffenhofen. Es gibt aber, entgegen den Behauptungen einiger Politiker, sehr wohl die Möglichkeit, das unkontrollierbare Glücksspiel im Internet, bei dem die Betreiber ihren Sitz im Ausland haben, zu unterbinden, indem Geldinstitute und Kreditkartenunternehmen keine Zahlungen an Glücksspielbetreiber vornehmen. Dies wird bereits in den USA mit Erfolg praktiziert. Ein gutes Mittel gegen Glücksspiel ist, den Jugendlichen Freizeitangebote und Einbindung, soweit es die Jugendlichen akzeptieren, in das Gesellschaftsleben gerade in Kleinstadtgemeinden zu bieten. Nicht zuletzt ist auch die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen unabdingbar. Es wird aber wohl so sein, dass in Großstädten, nicht zuletzt wegen der Entsozialisierung der Menschen, das Problem größer ist als in kleinen Gemeinden.

Wie werten Sie die Arbeit von Organisationen wie prop?

Schmidt: Beratungsinstitutionen, wie zum Beispiel "prop", die es sich zur Aufgabe machen, Menschen bei ihren Problemen mit Süchten beizustehen und ihnen aktive Hilfe gewähren, finden meine uneingeschränkte Unterstützung.