Tour de France
Ricarda Bauernfeind mischt vorne mit – Debütantin zieht zur Halbzeit positive Zwischenbilanz

27.07.2023 | Stand 13.09.2023, 5:18 Uhr |

Selbstbewusst fährt Ricarda Bauernfeind (vorne) bei ihrer ersten Tour de France in Positionskämpfen auch mal die Ellenbogen aus. Foto: Imago Images

In ihrem ersten Jahr im Elite-Radsport hat Ricarda Bauernfeind bereits bei den Ardennen-Klassikern oder bei der Spanien-Rundfahrt die Stimmung an den Strecken erleben dürfen. Aber was die 23-jährige Eichstätterin von den ersten Etappen der Tour de France im Süd-Westen Frankreichs erzählt, nimmt eine andere Dimension an.

„Die Stimmung lässt sich gar nicht vergleichen. Die Straßen in den Dörfern sind voll und auch bei den Anstiegen feuern uns so viele an“, sagt der Tour-Neuling und fügt hinzu, „es ist der Wahnsinn, was sich manche überlegt haben. Jemand ist sogar auf seiner Garage auf der Rolle gefahren ist. Alles, was man so aus dem Fernsehen kennt, erlebt man hier.“ Bauernfeind hat mit unserer Zeitung über die erste Hälfte der Tour gesprochen:

Nach vier Etappen auf Platz 18

Und auch sportlich läuft für Bauernfeind und ihr Team Canyon-Sram alles nach Plan. Die Eichstätterin liegt nach der vierten Etappe (von acht) mit 2:26 Minuten Rückstand auf dem 18. Platz – von 143 Fahrerinnen. Wobei sie sich speziell bei den letzten Anstiegen der 177 Kilometer langen Etappe schwer tat: „Heute waren es zum Schluss viele kürzere Anstiege mit vielen Attacken, die ich am Ende nicht mehr mitgehen konnte“, sagt sie nach dem Rennen am Mittwoch. Ihre Teamkapitänin, Kasia Niewiadoma, fährt mit Bauernfeinds Hilfe um den Gesamtsieg und befindet sich zur Halbzeit voll auf Kurs. Die Polin liegt mit drei weiteren Fahrerinnen zeitgleich auf Rang drei.

Größte Herausforderungen

Die zweite Etappe war von vielen Stürzen geprägt. Besonders hart erwischt hatte es die Niederländerin Eva van Agt (Jumbo-Visma), die bei einer Abfahrt auf nasser Fahrbahn wegrutschte und gegen eine Leitplanke prallte. Van Agt musste mit einer Gehirnerschütterung und Prellungen aus der Tour aussteigen. Als Bauernfeind am Unfallort angekommen war, stand sie etwas unter Schock: „Man bremst da automatisch nochmal mehr ab. Den Anstieg bin ich dann als Letzte der Gruppe angegangen und musste mich erst wieder nach vorne arbeiten.“ Aber eigentlich mache ihr Regen nichts aus.

Die größere Herausforderung sieht Bauernfeind im extrem starken Feld. „Bei der Tour sind die Positionskämpfe im Feld nochmal viel schwieriger als bei den Eintagesrennen“, sagt die 23-Jährige, die allerdings mittlerweile ebenfalls selbstbewusst die Ellenbogen ausfährt. „Hätte ich die Rennen davor nicht gehabt, wäre ich nicht so weit vorn“, schätzt sie ihre Entwicklung ein.

Tour-Finale

Bevor am Sonntag die Tour de France wohl erst mit einem Einzelzeitfahren entschieden wird, steigt an diesem Samstag Bauernfeinds Lieblingsetappe. Und steigen ist das Stichwort. Zwei massive Berge gilt es zu erklimmen. Erst geht es in den Pyrenäen 12 Kilometer lang bei einer durchschnittlichen Steigung von 6,5 Prozent den Col D‘Aspin hinauf, ehe die Radsport-Elite den berühmten Col du Tourmalet bezwingen muss. Beim Berg der höchsten Kategorie geht es bei einer durchschnittlichen Steigung von 7,5 Prozent gut 17 Kilometer bergauf. Auf diesen Abschnitten kann Bauernfeind ihre Kletter-Stärken, die sie bereits unter Beweis stellte, perfekt ausspielen. „Ich freue mich super auf Samstag, aber bis dahin gilt es, bei jeder Etappe zu überleben“, sagt die Eichstätterin. Zum Abschluss ist jede Fahrerin auf sich alleine gestellt. „Beim Zeitfahren kann das Team nicht mehr helfen. Das hält die Spannung bis zum Schluss“, sagt Bauernfeind, die auch am Sonntag ordentlich in die Pedale treten wird: „Ich will die Tour so gut es geht beenden und beim Zeitfahren nochmal 100 Prozent geben.“

Deutsche Etappen-Siegerin

Die zweite Etappe wird eine historische Bedeutung im deutschen Radsport einnehmen. Liane Lippert (Moviestar) gewann als erste Deutsche eine Tour de France-Etappe. „Ich habe mich richtig gefreut für sie. Sie war im letzten Jahr schon oft nah an einem Sieg und hat es verdient“, sagt Bauernfeind, die am 13. August zusammen mit Lippert für das deutsche Team um die Weltmeisterschaft fährt. Den Aufschwung, den der Frauenradsport durch die mediale Begleitung erfährt, ist laut Bauernfeind ein gutes Zeichen – sie beschreibt es in den einfachen Worten: „Wenn viele Medien über uns berichten, bekommen wir auch mehr Aufmerksamkeit.“ Sie findet es aber immer noch etwas ungewohnt, vor und nach den Rennen durch die Mixed-Zone zu laufen und Interviews zu geben.

EK

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