Riedenburg
In der schnulzenfreien Zone

Die Brettlspitzen überzeugen in Riedenburg mit deftigen Liedern und beißendem Spott

15.08.2022 | Stand 22.09.2023, 6:50 Uhr

Bei den rund 600 Besuchern kam während des Programms der Brettlspitzen keine Langeweile auf. Auch das musikalische Niveau war beeindruckend. Fotos: Erl

Von Lorenz Erl

Riedenburg – Live auf der Bühne sind die Akteure der Brettlspitzen rund um deren Erfinder Jürgen Kirner noch mitreißender als im Fernsehen. Das spürten die gut 600 Besucher am Samstagabend bei den Riedenburger Bierzeltnächten sehr bald. Sie durften erleben, wie schnell die Akteure das Publikum in ihren Bann zogen.

Auch wenn das riesige Bierzelt nur teilweise belegt war, pulsierte die Verbindung von der Bühne herunter ins Publikum von Beginn an. „Wir ham Stürme erlebt, wir ham Corona gehabt, aber wir ham noch nie so ein volles Zelt gehabt wie heute“, nahm Jürgen Kirner die Situation mit Humor. Immerhin kennt der gebürtige Hemauer die Dreiburgenstadt gut und spielte auf seine Schulzeit an der Staatlichen Realschule an. „Ich hab drüben in der Schule versucht aufzupassen, aber es hat nix g‘nutzt“, meinte der auf andere Art erfolgreiche Entertainer schmunzelnd.

Mit den Brettlspitzen schuf er eine eigene Form der Unterhaltung, die an traditionelle Volkssänger- und Couplet-Traditionen anknüpft und sie mit manchmal kritischem, bisweilen auch deftigem Zeitgeist verbindet. In allen Fällen aber realisierte er in den drei kabarettistisch-musikalischen Abendstunden eine schlager- und schnulzenfreie Zone. Und noch einiges darüber hinaus. „Das ist heute eine Söder-freie Zone“, rief er ins Publikum und ließ zwischen den Liedern und Couplets seiner Bühnenmitstreiter immer wieder politische Satire und hinterfotzige Häme zusammen mit seiner Couplet-AG-Partnerin Bianca Bachmann aufblitzen. Ihr beißender Spott über Freibier-Politiker mit Landtagsambitionen ist mittlerweile schon Kult. „Ich hab nix g’lernt und er kann ja nix – da bleibt doch nur ein Landtagssitz“, ätzt Bachmann als dessen Frau.

In Kirners neuem Unterhaltungskonzept kommt keine Langeweile auf und dazu tragen auch die ihn begleitenden Musiker wesentlich bei. In sehr kurzer Taktung wechseln sie sich auf der Bühne ab. Immer glänzen sie mit einem sehr hohen musikalischen Niveau und bisweilen einer gehörigen Portion Selbstironie. So brilliert die etwas füllige Barbara Preis in ihrer Paraderolle als Schönheitskönigin von Schneizlreuth oder zeigt gar sportlichen Ehrgeiz in der herrlich skurrilen Geschichte vom gelben Postfrosch-Räuber-Polizisten. Das Lied ist zwar relativ sinnfrei, aber nichtsdestoweniger mitreißend und Preis nimmt sich in ihrer Verkleidung als hüpfender Frosch mit einer wunderbaren Gesangsstimme selber auf den Arm.

Kirner weiß, dass auch solche Lieder ohne tiefgreifenden Inhalt in manchen Situationen gefragt sind. „Nicht jeder Text muss Sinn machen – und es muss nicht immer Leyla sein“, sagte er und erntet dafür einen Beifallssturm. Das Publikum ließ sich ohnehin bereits mit den ersten Gesangseinlagen von Barbara Preis, dem liebenswerten Barden Roland Hefter oder den deftigen Liedern der beiden Gschubstn leicht zum mitklatschen und mitsingen animieren. Auch Tobi Boeck motivierte als Sänger mit fast schon vergessenen Klassikern aus Peter Alexanders Zeiten zahlreiche Bierzeltgäste zum mitsingen.

Ein Genuss waren ebenso die Brass-Stücke der drei Fexer auf ihren Blechinstrumenten samt großartiger Phrasierungen und einer Extra-Zugabe zum Finale. Wie üblich bei den Brettlspitzen, banden Kirner und die Musiker ihr Publikum am Ende des offiziellen Programms in ein gemeinsames Gstanzlsingen ein. „Oh wie herrlich ist das Leben“, lautete der Refrain und dem stimmten wohl alle zumindest für diesen Abend zu.

Kirner stand danach am Zelteingang und nicht wenige der Besucher hatten eine Verbindung zu ihm aus seiner Hemauer und Riedenburger Zeit. „Es ist wie heimkommen. Riedenburg ist für mich extrem positiv besetzte Heimat, hier hatte ich eine überaus glückliche Schulzeit. Ich lebe zwar seit 36 Jahren in München, aber es ist schön, wenn man auf diese Weise zwei Heimaten hat“, verriet er unserer Zeitung.

DK