Riedenburg
Weibliche Perspektive auf Burg Prunn

Die Historikerin Uta Piereth interpretiert das „Nibelungenlied“ als Geschichte über Frauen

08.08.2022 | Stand 22.09.2023, 7:06 Uhr

Die wichtige Rolle der Frauen auf der mittelalterlichen Burg Prunn arbeitete die Historikerin Uta Piereth (rechts) bei einer Sonderführung heraus. Fotos: Erl

Von Lorenz Erl

Burg Prunn – Drei Stühle stehen im Fenstererker der Kemenate von Burg Prunn und drei rote Kissen liegen darauf. „Kunigunde“ steht auf zweien davon und auf dem dritten ebenfalls in goldenen Buchstaben „Margarethe“. Dahinter eine Wiege, wieder mit einem bestickten Kissen darin. Diesmal steht auf weißem Grund der Name „Maria Salome“. Es sind die Namen von Frauen, die neben oder im Schatten der berühmten Herren auf Burg Prunn entweder ein gehöriges Wörtchen mitzureden oder unter der Willkür der Herren zu leiden hatten.

Uta Piereth hatte es sich am Sonntag zur Aufgabe gemacht, den Blick auf die Frauen in Burg Prunn einmal aus weiblicher Sicht zu wagen. Zumal natürlich auch das Nibelungenlied, dessen viertälteste Handschrift einst in dem Gemäuer entdeckt worden war, hier eine große Rolle spielt.

Die promovierte Historikerin und Mitarbeiterin der Bayerischen Schlösserverwaltung kennt sich auf der Burg bestens aus. Schließlich hat sie die grundlegende Restaurierung der Anlage vor gut zehn Jahren wissenschaftlich begleitet und zusammen mit zwei Kollegen das Buch „umb die veste prunn“ geschrieben. Das alte Bauwerk ist ihr dabei ans Herz gewachsen und das durften die Besucher bei den beiden Touren am Vor- und am Nachmittag herzerfrischend miterleben.

Auf Margarethe von Trenbach, die illegitime Frau von Ladislaus von Frauenberg (1505 bis 1566) richtete Piereth ihr besonderes Augenmerk. Ladislaus war wohl ein widerborstiger Geizkragen und geltungssüchtiger Streithansl. „Er brauchte alles Geld für seine Reputationen, deswegen fallen die Frauen bei ihm ein wenig herunter“, beschrieb Piereth den frühneuzeitlichen Rabauken. Im Streit mit dem Wittelsbacher-Herzog war er sogar einmal gefangen genommen worden und seine Margarethe musste ihn für 20000 Taler Lösegeld freikaufen. Denn Frauen haben über viele Jahrhunderte auf der Burg und im Herrschaftsbereich alles gemacht, wenn die Männer im Krieg, beim Turnier oder aus anderen Gründen nicht da waren. „Ladislaus hätte ihr viel zu verdanken gehabt. Er war eben ein unsympathischer Hitzkopf“, verrät Piereth aus dieser besonderen Familiengeschichte.

Legitime Kinder hatte Ladislaus nicht, die auf der Burg geborene uneheliche Tochter Maria Salome wurde unmittelbar nach der Taufe nach Prunn gegeben, wo sich ihre Spur bald verliert. „Ohne Erben haben die Wittelsbacher ja schon auf die Rückgabe des Lehens gewartet“, mutmaßt die Historikerin. In Verbindung mit der Burg weiß sie von einem Sammelsurium an Frauenbiografien.

Eine andere Frauengeschichte, von der Piereth mit nicht weniger Empathie und Leidenschaft erzählt, ist die von Krimhild aus dem Nibelungenlied. Denn einzig der sogenannte „Prunner Codex“ ist als „Buch Krimhilden“ betitelt. „Die Frauen sind da die viel interessanteren Figuren als die schablonenhaft dargestellten Männer. Das geht bis zum Zickenkrieg auf den Stufen des Wormser Doms.“ Mit diesen Sätzen steigt Piereth in die alte Geschichte ein. In dem von ihr mitentwickelten Ausstellungskonzept auf Burg Prunn ist sowohl das handwerkliche Entstehen dieses auf Pergament geschriebenen mittelalterlichen Epos als auch dessen inhaltliche Kurzfassung mit Schwerpunkten in den verschiedenen Räumen erlebbar. Krimhild ist die einzige Figur, die von Anfang bis zum bitteren Ende mit dabei ist. „Siegfried hatte nur eine bescheidene Halbwertszeit. Eigentlich ist das ,Nibelungenlied‘ eine Geschichte über Frauen“, untermauert Piereth ihre Deutung der frühmittelalterlichen und dennoch zeitlosen Tragödie.

Die historischen Quellen berichten jedoch nur über die Frauen der Burgherren, nicht über Mägde, Knechte und Untertanen und so mag sie als korrekte Wissenschaftlerin auf diesen Aspekt der mittelalterlichen Lebenswelt nicht weiter eingehen.

DK