Ingolstadt
Hinfallen will gelernt sein

Jens Keidel bietet Unterricht zum Thema Sturzprävention an den Ingolstädter Grundschulen an

12.12.2012 | Stand 03.12.2020, 0:43 Uhr

So geht’s: Wie man richtig stürzt, konnte diese Schülerin der Klasse 4f der Grundschule an der Ungernederstraße gestern von Jens Keidel lernen. Hier wird gerade geübt, wie man sich nach einem Zusammenstoß seines Fahrrades mit einem Auto richtig abrollt - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Prävention statt Sportunterricht. So sieht es vorübergehend an Ingolstädter Grundschulen aus, denn Judoka Jens Keidel unterrichtet dort zurzeit Sturztechniken. Er will den Kindern zeigen, wie man sich bei einem Sturz am Besten abfängt, um schwere Verletzungen zu verhindern.

Jens Keidel, Judotrainer bei der DJK, bietet erstmals ehrenamtlich ein Projekt dieser Art für alle vierten Klassen an den Grundschulen in der Stadt an. Gestern war er an der Ungernederstraße zu Gast – bereits bei der letzten Projektstunde. Einmal wird er aber noch vorbeischauen, und zwar in zwei bis drei Monaten. Zur Nachkontrolle. Er will dann noch einmal überprüfen, ob die Schüler auch wirklich verinnerlicht haben, wofür er mit ihnen trainiert hat.

In drei Modulen sollen die Kinder „sturzsicherer“ werden. Das Projekt hat der Bayerische Judoverband in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landessportverband und dem Sportamt der Stadt entwickelt. Die vierten Klassen sind dafür besonders geeignet, weil die Fahrradprüfung im selben Schuljahr ansteht. Jens Keidel, selbst Ingolstädter, hat das Konzept mit entworfen und hat deshalb die Grundschulen angeschrieben und sein Projekt angeboten. „Es geht darum, die natürlichen Reflexe zu nutzen und das Abstützen mit den Fäusten und das Schützen des Kopfes zu fördern“, erklärt der Fachmann.

In der ersten Doppelstunde müssen die Kinder üben, sich abzurollen, wenn sie in alltäglichen Situationen – wie beim Spielen und Laufen – stürzen. Keidel: „Wir stellen fest, dass die oft Kinder ganz wenig können. Mein Motto lautet: Lieber präventiv was machen, als nachher behandeln zu müssen.“

Beim zweiten Modul wird das periphere Sehen gefördert, der Blickwinkel praktisch erweitert, um die Wahrnehmung und Reaktion der Kinder zu verbessern. Als Übung in der zweiten Stunde wird auch noch Schubsen und geschubst werden eingebaut. „Einerseits ist dies sinnvoll, weil alle merken, dass es nicht angenehm ist, geschubst zu werden und dass es schmerzhaft sein kann. Andererseits wird hier auch wieder die richtige Technik vermittelt, sich beim Sturz zu schützen“, so der Trainer.

In der letzten Doppelstunde wird schließlich Fallen und Stürzen vom Fahrrad geübt. Für diese Situationen hat Keidel selbst eine Fahrradattrappe gebaut. Mit diesem Vehikel fahren die Schüler dann auf das Hindernis zu. In dem beobachteten Fall der Klasse 4f soll ein dreistöckiger Turm aus dicken Matten ein großes Auto darstellen. „Das Wichtigste ist, sich von dem Fahrrad zu lösen“ und „wie Superman“ loszufliegen, so der Judoka. Die Kinder müssen sich mit den Fäusten abfangen und schließlich abrollen.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hat in einer Befragung herausgefunden, dass über 80 Prozent der Unfallursachen bei Kindern Stürze und Aufprallsituationen sind. Zu 37 Prozent betrifft die Verletzung den Kopf. Genau in dieser Tatsache, dass Kinder oft stürzen und sich dabei oft am Kopf verletzen, sieht Jens Keidel den Grund, den Nachwuchs für solche Situationen fit zu machen.

Bisher wird Jens Keidels Projekt zu 50 Prozent vom Bayerischen Landessportverband bezuschusst. „Wir befinden uns im Kampf, Sponsoren zu gewinnen, weil wir das Projekt deutschlandweit etablieren und es sogar in den bayerischen Lehrplan integrieren wollen“, sagt der Trainer. Er hat auch schon einige Ideen, wie er seine Unterrichtsstunden noch verbessern kann: „Es wäre zum Beispiel toll, wenn ich ein besseres Fahrrad für die Unterrichtsstunden hätte oder wenn ich eine echte Autoattrappe statt Matten verwenden könnte. Dann würden sich die Kinder auch viel besser einprägen, wofür das Abrollen so wichtig ist und für was wir hier üben.“

An der Grundschule Zuchering, wo das Projekt bereits abgeschlossen ist, ist die Rückmeldung sehr positiv. Lehrer wie auch Schüler haben sich dafür nachträglich noch einmal schriftlich bei dem Experten bedankt. Antonia Dengler, aus der Klasse 4a schreibt: „Mir hat es viel Spaß gemacht und man konnte viel lernen. Und ich hoffe, dass ich das, was ich gelernt habe, auch mache. Ich hoffe, dass ich auch anderen damit helfen kann. Das Tollste fand ich, als wir auf dem Fahrrad voll gegen die Matte geknallt sind und dann eine Rolle machten.“