Pfaffenhofen (PK) Mit einem Messer soll ein 19-jähriger Pfaffenhofener im vergangenen Jahr mehrfach auf seine 50 Jahre alte Lebensgefährtin eingestochen und sie schwer verletzt haben. Gestern musste sich der offenbar psychisch Kranke dafür vor dem Ingolstädter Landgericht verantworten.
Die Geschichte ist tragisch, manchmal kaum zu glauben, dann phasenweise auch fast schon wieder ein bisschen zum Schmunzeln, das dem Zuhörer im Gesicht gefriert. Das gilt für die Gesamtumstände, die seit gestern von der 1. Jugendkammer aufgearbeitet werden. Aber es passt auch auf den Angeklagten, der alles in sich vereint. Der erschütternde Vorwurf aus der Anklage lautet: Der 19-Jährige stach an Allerheiligen 2013 mehr als ein Dutzend mal auf seine mehr als 30 Jahre ältere Lebensgefährtin in deren Pfaffenhofener Wohnung ein. Die Frau wurde durch die Stiche in den Rücken schwer verletzt, schwebte aber nicht in Lebensgefahr. Der Liebhaber hatte sich aus der Küche nur ein Käsemesser gegriffen. Als er die Frau blutüberströmt sah, rief der Angeklagte selbst den Sanka.
Der Angriff an Allerheiligen war nur der Höhepunkt einer sich nach oben schaukelnden Welle mit Zwischenfällen in der komplizierten Beziehung des ungleichen Paares: Sie ist eigentlich fest im (Berufs-)Leben verankert, er aus schwierigen Verhältnissen, was gestern schon mal als „Containermilieu“ bezeichnet wurde. Tatsächlich lebte er in Pfaffenhofen in einer Sozialunterkunft – seine spätere Geliebte dort in der Nähe. „Als wir uns kennengelernt haben“, so erzählte das 50-jährige Opfer, „war er ein ganz lieber Mensch.“ Das war im Frühsommer 2013. Doch: „Irgendwann kamen diese Aggressionsattacken.“ Da war es sowohl Herbst im Lauf der Jahreszeiten als auch auf der Beziehungsebene geworden. Sie habe mehr Abstand haben wollen von ihrem jungen Liebhaber aus der Nachbarschaft, der gewissermaßen ein einnehmendes Wesen hatte. Als sie abrückte, reagierte der mit Übergriffen: zerstörte ihre Jalousien, drohte ihr flapsig damit „den Kopf abzuschneiden“ und würgte sie sogar heftig. Mehrfach kam die Polizei. Es gab sogar ein Kontaktverbot.
Die Bezeihung „war ein Auf und Ab, ein Hin und Her“, sagte Landgerichtspräsidentin Sibylle Dworazik. „Treffend zusammengefasst“, stimmte Verteidiger Stefan Roeder zu. An Allerheiligen waren die reifere Dame und ihre Liebhaber (zunächst) dennoch wieder ein Herz und eine Seele. „Ich weiß, dass ich an der Sache schuld bin, weil ich ihn immer wieder reingelassen habe“, sagt die Frau. Dann folgten die Stiche, die der Angeklagte – wie alle anderen Vorwürfe aus der Anklage übrigens auch – überaus wortreich komplett zugibt. Doch was die Sache so tragisch macht: Er kann sie nicht wirklich erklären. „Ich frage mich seit zehn Monaten, was das war, was mich so in Rage gebracht hat“, sagt er, als spräche er über eine andere Person. Er habe tatsächlich „wie von Sinnen auf sie eingehackt“. Wie der 19-Jährige das sagt, klingt es, als wäre es das Normalste der Welt – seiner eigenen Welt, in der neben Wut oft die Faust regiert. Sie ist geprägt von der offenkundig schweren Persönlichkeitsstörung, die dem 19-Jährigen attestiert wird. Der Landgerichtsarzt wird sich dazu noch genauer äußern. Der Arzt und ein Psychologe des Klinikums nehmen eine zentrale Rolle in dem Prozess ein. Denn im Kern geht es darum, ob der Angeklagten dauerhaft in die Psychiatrie eingewiesen wird. Er sitzt schon vorübergehend in Haar, nachdem es in der Untersuchungshaft in Neuburg-Herrenwörth einen Zwischenfall gegeben hatte: Um seine Bewacher zu provozieren, verwüstete der 19-Jährige seine Zelle und zündete sogar ein kleines Feuer an. Die Logik: „Ich wollte Ihnen ein Grund geben, mich in die Arrestzelle zu stecken.“
Das Urteil soll morgen gesprochen werden.