Thalmässing
Wasser für die Durstenden

Ökumenischer Gottesdienst thematisiert Flucht und Vertreibung – Asylbewerber und Helferkreis gestalten Abend

30.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:29 Uhr
In einem ökumenischen Gottesdienst mit persönlichen Berichten und Musik wurde die Thematik Asyl aufgegriffen. −Foto: Lehnert

Thalmässing (HK) Mit einem ökumenischen Themengottesdienst haben sich die Kirchengemeinden am Freitagabend dem Thema Asyl gewidmet. Musikalische Beiträge und persönliche Berichte aus den Reihen des Helferkreises prägten den Abend, der mit einem gemeinsamen Essen ausklang. „Die Kraft zum neuen Beginn“, besangen Hans Seidl und Peter Hauke zum Einklang.

Die Schwierigkeiten von Flüchtlingen, diese Kraft aufzubringen und die Möglichkeiten der Unterstützung aus der neuen Heimat standen im Mittelpunkt des Gottesdienstes, den der evangelische Diakon Lothar Michel und der katholische Pfarrer Michael Rasche mit den Kirchengemeinden und Asylbewerbern feierten. Einige Asylbewerber und Ehrenamtliche aus dem Unterstützerkreis Asyl hatten den Abend zum Thema „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ gestaltet.

„Fremdsein und Gastfreundschaft“ sollten thematisiert werden, umriss Rasche das Motto. Michel spannte zu Beginn einen Bogen von den Problemen der Herkunftsländer über die entsetzlichen Gefahren der Flucht bis hin zum Ankommen im neuen Land. Viele Länder seien überfordert mit den Anforderungen des täglichen Lebens. Ob Krieg, Korruption oder Kriminalität, „ich möchte nicht in einem Land sein, wo ich meine eigene Freiheit nicht leben kann“, brachte er die Motivation für eine Flucht auf den Punkt.

Auf einer Karte zeichnete er die drei Hauptrouten nach, denen Flüchtlinge nach Europa folgen. Die bedeutendste sei die über das Mittelmeer, „ein Flüchtlingsgrab“, welches in den vergangenen Jahren viele tausend Menschen das Leben gekostet habe, erinnerte er. „Dann sind sie endlich hier, aber noch immer fremd“, stellte er das Ergebnis einer häufig langen Odyssee in den Raum. Ein gemeinsam gesprochener Klagepsalm ließ die Gemeinde die Gefühle aussprechen, wie sie von einem Flüchtling in der Bibel wiedergegeben sind. Verzweiflung, wie sie auch Hagar mit ihrem Sohn Ismael auf der Flucht formuliert haben könnte. Michel verlas die Geschichte der Magd Saras, die von Abraham verstoßenen und auf der Flucht durch die Wüste auf der Suche nach Wasser von Gott zu einem Brunnen geführt wurde. Dieses Wasser könne auch die Hoffnung hier bei uns sein.

Die Nöte der Asylbewerber in der neuen Umgebung legte er in vier alltagsnahen Blöcken dar. Michels sprach vom Fremdfühlen, von innerer Aufruhr, die häufig den Anforderungen in der neuen Heimat entgegen stünde, dem Behördendschungel mit zunächst unverständlicher Bürokratie und der Ungewissheit über die eigene Zukunft. Orges begleitete die Einsichten mit virtuosen Klarinetteninterpretationen. Der aus Albanien stammende Familienvater beherrscht das Instrument seit seinem zehnten Lebensjahr und erspielte sich mit seinen Stücken zwischen Wehklagen und kraftvoller Fröhlichkeit den Zwischenapplaus der begeisterten Zuhörer.

Wie das Wasser, das Hagar in der biblischen Geschichte gerettet hatte, im Alltag heute aussehen kann, zeigten fünf Mitglieder des Unterstützerkreises Asyl in ganz persönlichen Berichten. „Die Sprache ist der Schlüssel“, hat Christine Gänsbauer festgestellt. Die Dolmetscherin gibt Asylbewerbern aus Serbien, Albanien, dem Kosovo und Aserbaidschan zweimal wöchentlich praxisorientierten Deutschunterricht. Die Arbeit zahlt sich aus, merkt sie, denn „bei mir fühlen sie sich verstanden“. Svetlana Princz, die seit 40 Jahren in Deutschland zu Hause ist, habe sich selbst „hier nie fremd gefühlt“. Nun betreut sie eine Familie aus Serbien und möchte den fünf Kindern „mit viel positivem Feedback“ und Hausaufgabenbetreuung helfen, ebenfalls in Thalmässing anzukommen. Die organisatorischen Herausforderungen mit vielen Terminen zu meistern, sei für die Neuankömmlinge schwierig, sagte Ines Helbig. Sie engagiert sich beim Fahrdienst und begleitet die Asylbewerber zu Behörden und Ärzten. All das Engagement koste Zeit, geben die Helferinnen unumwunden zu, aber die Dankbarkeit, die sie dafür ernteten, sei etwas Besonderes.

„Fremdheit ablegen und dafür etwas schönes Gebrauchtes anziehen“, mit diesen Worten beschrieb Marianne Kayr die Funktion der neuen Kleiderkammer. Dort sortiert und sichtet sie Kleiderspenden, die von den Bürgern abgegeben werden können. Zuletzt berichtete „die Nachbarin Elfriede“ von ihrer Wandlung, die sich seit dem Einzug von Asylbewerbern neben der Familie Sinke vollzogen habe. Sie sprach von der anfänglichen Hemmung, „die Neuen“ anzusprechen, von der Bestürzung darüber, dass die einmal erworbenen Fähigkeiten vieler Asylbewerber nun einfach brachlägen. Das Gefühl des „Gebrauchtwerdens“ fehle vielen, habe aber eine starke Antriebskraft, wie sie bei Veranstaltungen wie dem Injera-Kochen auf dem Weihnachtsmarkt beobachtet habe. „Ich habe viel gelernt über andere Kulturen und dafür bin nun ich sehr dankbar.“ Jeder der Helfer goss nach seiner Vorstellung eine Rose von Jericho mit warmem Wasser, um das vertrocknete Gewächs, das sich dadurch entfalten und seine Farbe zurückgewinnen kann, symbolisch zu neuem Leben zu erwecken.

„Wasser allein reicht nicht, um den Durst nach Kommunikation zu stillen“, ermahnte Lothar Michel. Die Arbeit des Helferkreises sei mehr als Wasser, mehr als Toleranz, von der im Zusammenhang mit Flüchtlingspolitik häufig gesprochen werde. „Tolerare heißt stehen lassen“, übersetzte er und machte deutlich, dass das reine Tolerieren von Asylbewerbern noch lange nicht bedeute, sie anzunehmen. „Wir nehmen euch an“, müsse die Einstellung, wie in der Jahreslosung, heißen, sagte Michel. Für den Erfolg in der neuen Heimat bräuchten Flüchtlinge und Asylbewerber den Willen durchzuhalten. Sie müssten, wie Hagar, aktiv nach Wasserquellen zu suchen, und dabei auf Menschen treffen, die ihnen Wasser geben, machte er das nötige Zusammenspiel deutlich.

„Mögen wir alle das Wasser des Lebens bekommen und gemeinsam aufblühen“, wünschte Michael Rasche. Thalmässing sei ein besonderer Ort dafür, denn es bestehe eigentlich nur aus Flüchtlingen, referierte er in einem geschichtlichen Rückblick. „Vertreter von Flüchtlingen von damals und Flüchtlingen von heute“ luden die Geistlichen in den Bunker ein. Bei einem Essen gab es Injera aus der traditionellen äthiopischen Küche. Mit einem ermunternden Blick schloss Michel den Gottesdienst. Der Sprecher des Helferkreises hat festgestellt: „Mithelfen können noch mehr!“