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Axel Schulz: "Nicht alle Boxer sind blöd"

Der Schwergewichtler Axel Schulz über sein Handicap und warum ihn eine Niederlage berühmter als ein Sieg gemacht hat

01.01.2011 | Stand 03.12.2020, 1:59 Uhr
Axel Schulz −Foto: Armin Kübelbeck (www.best4sports.de)

Im Ring galt er als Mann mit soliden Nehmerqualitäten. Gepaart mit einer durchschnittlichen Schlagkraft und einer guten Grundschnelligkeit schaffte er es bis in die Weltspitze. Obwohl um den Lohn seiner Mühen gebracht, wurde Axel Schulz über Nacht berühmt.

Am 22. April 1995 verlor er im Spielerparadies Las Vegas im Kampf um die Box-Weltmeisterschaft im Schwergewicht nach Version des Verbandes IBF gegen Altmeister George Foreman. Äußerst umstritten nach Punkten, denn der Außenseiter aus Bad Saarow in Brandenburg hatte den bereits 45-Jährigen mehrfach ins Wanken gebracht. Mit seinem beherzten Auftreten hatte sich der heute 43-Jährige jedoch weltweit viele Sympathien gesichert. Von denen er heute noch profitiert.
 
Axel Schulz ist auch lange nach dem Ende seiner Karriere ein gefragter Mann. Er ist Botschafter der Schlaganfall-Hilfe, trägt werbewirksam - sogar bei seiner Hochzeit - die Mütze seines Sponsors, ist regelmäßiger Gast in Talkshows und gelegentlich in Nebenrollen in Film und Fernsehen aktiv. "Ich habe ein richtig geiles Leben", ist der Vater zweier Töchter, der in einem schmucken Haus am Stadtrand von Frankfurt an der Oder lebt, mit sich im Reinen.
 
Herr Schulz, Sie waren bis vor kurzem Box-Experte bei Sat.1. Warum sind sie dort inzwischen durch Markus Beyer ausgetauscht worden?

Axel Schulz: Eine offizielle Begründung des Senders gibt es nicht und die brauche ich auch nicht. Wahrscheinlich war ich zu ehrlich. Beim vorletzten Kampf von Felix Sturm (gegen den Briten Matthew Macklin, Anm. d. Red.) habe ich ihn als Verlierer gesehen und das auch klar gesagt.

Wie haben Sie von Ihrer Ausbootung erfahren?

Schulz: Ich hatte eine Anfrage zu einer Charity-Veranstaltung in Magdeburg, hatte mir aber den Termin 2. November wegen des Sturm-Kampfes frei gehalten. Auf einmal meldete sich mein Manager Wolfram Köhler bei mir aus Florida und bat mich, ich solle doch mal bei Sat.1 anrufen und fragen, ob ich beim nächsten Auftritt von Sturm wieder dabei bin. Er hatte offensichtlich etwas geahnt. Ich habe mich natürlich gleich beim Sender gemeldet. Der verantwortliche Redakteur hat mir dann durch die Blume zu verstehen gegeben, dass ich raus bin. Auf Markus Beyer bin ich nicht sauer, ich würde es ja genauso machen.

Wie lange halten es die Fernsehsender noch durch, Kämpfe zu vermarkten und damit quasi die Urteile zu beeinflussen?

Schulz: Die Quoten sinken. Muss ich noch mehr sagen?

Ich bitte doch darum…

Schulz: Es ist langsam an der Zeit, dass in den verschiedenen Gewichtsklassen auch die Besten aufeinandertreffen, sonst liegt das Profiboxen bald ganz am Boden. Die Leute finden es nicht mehr glaubhaft, dass Männern wie Felix Sturm angeblich die Gegner fehlen. Warum tritt er nicht endlich gegen Arthur Abraham, Gennadij Golowkin aus Kasachstan oder den Mexikaner Julio Cesar Chavez an?

Wie bewerten Sie die momentane Situation im Schwergewicht?

Schulz: Es ist Langeweile eingekehrt, da die Klitschkos alles dominieren. Dadurch ist natürlich auch das Interesse zurückgegangen. Ein David Haye, der versucht, mit verbalen Attacken weit unterhalb des guten Geschmacks ins Geschäft zu kommen, ändert daran auch nichts. Es gibt momentan keine ganz großen Kämpfe, wie sie früher unter anderem mit Lennox Lewis, Evander Holyfield oder Mike Tyson ausgetragen wurden.

Sehen Sie in absehbarer Zeit einen deutschen Schwergewichtler, der in der Weltspitze mitmischen kann?

Schulz: Nein, leider nicht.

Treiben Sie noch Sport?

Schulz: Ja, gerade so viel, um einigermaßen fit zu bleiben und mein Gewicht zu halten. Dazu gehört auch, dass ich ganz bewusst auf meine Ernährung achte. Ab und zu jogge ich, mache ein bisschen Krafttraining, schwimme und spiele leidenschaftlich Golf.

Welches Handicap haben Sie?

Schulz: Wie meinen Sie das? Nicht alle Boxer sind blöd (lacht). Aber Spaß beiseite: Ich habe Handicap 23,5. Ich liebe Golf. Es ist ein Hobby, mit dem ich bei Charity-Veranstaltungen viel Geld für die gute Sache einnehmen kann. Ich spiele rund 15 Turniere pro Jahr.

Sie sind vor Kurzem 43 Jahre alt geworden, am 9. November, also an jenem Tag, an dem einst die Mauer fiel. Was haben Sie damals, im November 1989, gemacht?

Schulz: Ich habe meinen Geburtstag in Frankfurt an der Oder gefeiert. Es war mein 21. und ich hatte schon eine eigene Wohnung. Die konnte ich mir deswegen leisten, weil ich damals als Amateursportler relativ erfolgreich war. Ich hatte Freunde zu Besuch und wir haben im Fernseher gesehen, dass die Mauer geöffnet ist. Einige sind dann gleich nach Berlin gefahren. Ich wollte aber in Frankfurt bleiben, um mit den verbliebenen Freunden weiter zu feiern.

Hat Ihnen die Wende Glück gebracht?

Schulz: Ja, denn gleich danach begann meine Profikarriere, die sehr erfolgreich verlaufen ist. Der Fall der Mauer war neben der Geburt meiner beiden Töchter das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Denn wäre sie nicht gefallen, hätte ich meine Frau nie kennengelernt. Patricia kommt aus dem „goldenen Westen“ und ich habe sie rübergeholt in den „wilden Osten“.

Wieso sagen Sie, Ihre Profikarriere sei erfolgreich verlaufen? Sie haben schließlich alle drei WM-Chancen verpasst…

Schulz: Gegen George Foreman habe ich mich gut verkauft. Alle Fachleute waren der Meinung, ich hätte den Kampf gewonnen. Die Niederlage hat mir mehr Sympathie eingebracht, als wenn ich ihn besiegt hätte. Dann hätten alle behauptet, ich hätte einen alten Mann geschlagen und der Sieg wäre nicht viel wert gewesen.

Und Ihre Kämpfe gegen Francois Botha und Michael Moorer…

Schulz: Gegen Botha habe ich nicht gerade meinen besten Kampf gemacht. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass er gedopt war, was die Zuschauer in Stuttgart jedoch nicht wissen konnten. Sie waren enttäuscht vom Urteil, es kam zu Tumulten. Stühle, Flaschen und Gläser flogen, sogar die Frau von Bernie Ecclestone hat was abgekriegt. Immerhin durfte ab diesem Tag an den Boxringen dieser Welt nur noch aus „Plaste“ getrunken werden. Michael Moorer, auf den ich in Dortmund traf, weil der IBF-Titel nach dem Skandal um Botha wieder vakant war, war zu stark, gegen ihn hatte ich keine Chance.

Haben Sie danach den richtigen Zeitpunkt verpasst, Ihre Karriere zu beenden?

Schulz: Warum? Ich habe meine Verträge mal zusammengerechnet. So viel Geld hätte ich mit normaler Arbeit nie verdienen können.

Nach einer schweren Niederlage gegen Wladimir Klitschko haben Sie 1999 Ihren Rücktritt erklärt, sind aber sechs Jahre später dennoch in den Ring zurückgekehrt…

Schulz: Ich war viel zu Hause, mir war teilweise langweilig, obwohl ich einiges an Charity-Veranstaltungen gemacht habe. Als ich dann von Promotor Don King 2005 eine Offerte zu einem Comeback bekam, habe ich zugegriffen. Brian Minto war aber der falsche Gegner, er war zu stark. Ich hätte es erstmal mit irgendeiner „Birne“ versuchen sollen, statt mir die Fresse polieren zu lassen. Da war ich echt zu blöd.

Sie hatten vor fünf Jahren einen Schlaganfall. Wie geht es Ihnen?

Schulz: Ich fühle mich richtig klasse und habe keine Beschwerden mehr. Im Nachhinein betrachtet hatte ich großes Glück, weil es ein leichter Schlaganfall war. Ein kleiner Teil meines Gehirns wurde nicht richtig durchblutet.

Wie haben Sie den Schlaganfall wahrgenommen?

Schulz: Ich hatte ein RTL-Interview mit Sonja Zietlow bei mir zu Hause in Frankfurt, als ich plötzlich ein Kribbeln auf der Zunge spürte, mir schwindelig wurde, ich anfing ein wenig zu lallen und weiße Punkte vor den Augen hatte. Ich habe sie dann freundlich gebeten, das Interview ein wenig zu beschleunigen und habe einen Freund angerufen, der mich zu meinem Hausarzt gefahren hat. Der hat Gottseidank gleich die richtige Diagnose gestellt und mich ins Krankenhaus geschickt.

Was war die Ursache für Ihren Schlaganfall?

Schulz: Ich habe zu viele Thrombozyten im Blut, das macht mein Blut zu dick. Und weil ich im Kampf gegen Minto zu viele Schläge auf meinen Kopf bekommen habe, hat sich schnell ein Blutgerinsel gebildet, das den Hirninfarkt auslöste. Schlimmer war aber, dass ich danach einen Arzttermin hatte. Ich bin in seine Praxis, habe ihm einen wunderschönen guten Morgen gewünscht, und er mir geantwortet: „So schön ist der Morgen nun auch nicht.“ Dann sagte er zu mir: „Sie haben Blutkrebs!“

Wie haben Sie reagiert?

Schulz: Es war kurz vor Weihnachten, ich habe, um das Fest nicht zu stören, erst einmal alles für mich behalten und meiner Frau erst am Neujahrsmorgen reinen Wein eingeschenkt. Bis dahin habe ich kaum geschlafen, schließlich ging mir der Tod meiner Mutter durch den Kopf, die im Alter von 54 an meinem Geburtstag an Krebs verstorben war. Meine Frau hat zwar gemerkt, dass ich mich nachts von einer auf die andere Seite geschmissen habe, aber dass ich solche Sorgen hatte, konnte sie nicht ahnen.

Sie machen aber doch heute einen kerngesunden Eindruck…

Schulz: Bin ich auch, denn drei Wochen nach der erschreckenden Diagnose stellte sich heraus, dass alles auch an den Thrombozyten im Blut lag. Statt normalerweise 300 000 waren es bei mir 1,5 Millionen, und die haben das Blut dick gemacht. Nix Leukämie!