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Markus Wasmeier: "Visionäre haben keine Chance mehr"

Der ehemalige Skirennläufer Markus Wasmeier über die Olympia-Bewerbung Münchens und seine eigene Karriere

02.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:59 Uhr

 

Die Berge sind seine Heimat. Dort lernt Markus Wasmeier das Skifahren. In Schliersee ist er geboren und dort fühlt er sich auch zu Hause. Deshalb lebt der 48-Jährige auch nach seiner aktiven Karriere dort. Der erfolgreichste deutsche Skirennläufer betreibt ein Freilichtmuseum und wird von der ARD noch regelmäßig als Experte gebucht. Mit seinen Nachfolgern ist er zufrieden, aber eines wurmt den Doppelolympiasieger gewaltig.

Herr Wasmeier, Sie sind als Doppel-Olympiasieger von 1994 nicht nur Deutschlands erfolgreichster Skirennläufer, Sie legen auch viel wert auf Ihre bayerische Herkunft und gelten als Liebhaber Ihrer Heimat. Was bedeutet eigentlich Heimat für Sie?

Markus Wasmeier: Ein großer Begriff. Und der hat nicht unbedingt damit zu tun, wo man geboren ist. Ich vergleiche Heimat gerne mit einem Kuchen, der aus Stücken wie Familie, Kindern, Bergen, Traditionen, Kultur, Leidenschaft besteht. Wenn viele dieser Stücke vorhanden sind, man sich wohl und zu Hause fühlt und Wurzeln schlagen will, dann hat man seine Heimat gefunden.

Ihre Heimat liegt im oberbayerischen Schliersee. Dort leben Sie mit Ihrer Frau und Ihren drei Söhnen in einem Bauernhaus aus dem 13. Jahrhundert, das Sie selbst ab- und an neuer Stelle wieder aufgebaut haben. Im Mai 2007 haben Sie ein Freilichtmuseum mit denkmalgeschützten Bauernhäusern eröffnet. Die Pflege des kulturellen Erbes ist Ihnen offenbar äußerst wichtig.

Wasmeier: Als Elfjähriger war ich dabei, als mein Vater unser denkmalgeschütztes Haus ab- und wiederaufgebaut hat. Das hat mich geprägt. Es hat mir nicht nur unheimlich Spaß gemacht, ich habe dabei auch meine Liebe zum Handwerk entdeckt. Da hat sich mein Traum vom Museum entwickelt. In einem so alten Haus zu wohnen, war total faszinierend. Da leben die Wände, da ist Bewegung drin. Und ich habe auch gemerkt, dass ich Talent für handwerkliche Arbeiten habe. Es ist mir leicht gefallen, Dinge zu kreieren, zu modellieren, zu entwickeln.

 

Apropos entwickeln. Ihr Museum wächst und wächst, besteht mittlerweile aus mehr als 20 Gebäuden. Damit lässt sich bestimmt prima Geld verdienen?

Wasmeier: Aber nicht für mich. Ich krieg gar nix, ich darf da droben nur arbeiten. Träger des Museums ist ein gemeinnütziger Verein, ich bin rein ehrenamtlich tätig. Aber es stimmt schon, es läuft wirklich gut und wir sind inzwischen einer der größten Arbeitgeber in der Region.

 

Ihr wichtigster Arbeitgeber dürfte die ARD sein, für die Sie im Ski-Weltcup als TV-Experte unterwegs sind.

Wasmeier: Im Winter schon, da ist das mein Hauptjob. Aber ich mache auch noch andere Arbeiten. Ich bin selbstständig und habe ein paar Firmen. Mit meinen Partnern, die ich zum großen Teil schon in meiner aktiven Zeit hatte, vermarkte ich die Marke Markus Wasmeier. Es geht vor allem darum, mit meinem weltweiten Netzwerk und meinem Namen geschäftliche Partner zusammenzubringen und Türen zu öffnen.

 

Als ARD-Experte sind Sie früher mit der Handkamera die Piste hinabgerast. Im letzten Jahr mussten wir auf diese tollen Bilder verzichten. Warum?

Wasmeier: Ich habe letztes Jahr ausgesetzt, weil ich eine künstliche Hüfte bekommen habe. Die Folge eines Unfalls vor 17 Jahren zum Ende meiner aktiven Laufbahn, als ich mit Tempo 120 km/h mit einem Servicemann zusammengestoßen bin. Aber vielleicht klappt's ja in diesem Winter wieder einmal. Bislang bin ich allerdings noch nicht auf meinen Skiern gestanden.

 

Falls es klappen sollte, mit welchen Skiern würden Sie dann den Berg hinunterrasen?

Wasmeier: Mit individuell auf mich eingestellten Rennskiern der neuesten Generation. Mit meinen früheren Rennskiern oder mit normalen handelsüblichen Brettern ginge das nicht. Da würde selbst ich spätestens in der zweiten Kurve von der Piste fliegen. Und ich bin immer noch ein richtiger Skifahrer.

 

Sind denn die heutigen Strecken und Materialien gar nicht mehr mit denen zu Ihrer aktiven Zeit zu vergleichen?

Wasmeier: Da liegen Welten dazwischen, das ist wie Tag und Nacht. Damals hatten wir total unruhige Pisten, da gab es alles, von der Eisplatte bis zum Pulverschnee. Mit Startnummer 15 warst du automatisch eine Sekunde langsamer, selbst wenn du genauso wie der mit Nummer 1 gefahren bist. Bei der heutigen Pistenpräparierung hast du bis Startnummer 30 nahezu gleiche Voraussetzungen. Ich wähle mal einen Vergleich aus dem Motorsport: Bei uns war das wie Rallye Paris – Dakar, jetzt ist es Formel 1. Kurven wie heutzutage hätten wir mit unserem Material gar nicht fahren können.

 

Wieviel langsamer als die schnellsten Rennläufer wären Sie denn mit optimalen Brettern bei Ihrer Kamerafahrt?

Wasmeier: Ich denke mal so acht bis zehn Sekunden, zumal ich ja auch mit Anorak unterwegs bin. Wo die Rennfahrer mit 140 km/h hinunterrasen, komme ich mit etwa 120 km/h daher.

 

Richtig schnell waren Sie ja auch bei Ihren Olympiasiegen 1994 in Lillehammer. Wenn Sie zurückblicken, was ist denn das Geheimnis Ihres Erfolgs gewesen?

Wasmeier: Zum einen das Fokussieren auf das Ereignis, die totale Konzentration. Das war meine Stärke. Das totale Körpergefühl zu haben und den Instinkt, die perfekte Linie zu fahren. Ich war ja schon lange dabei, ein Routinier – und ich kannte meinen Körper in- und auswendig.

 

Und zum anderen?

Wasmeier: Der Glaube an sich selbst, einfach keinen Zweifel zuzulassen. Natürlich braucht's auch Talent, aber ohne eisernen Willen geht gar nichts. Ich habe mich da von manch anderem stark unterschieden. Ich habe mich über mehr als ein Jahrzehnt geschunden und die meiste Zeit alleine trainiert. Trotzdem habe ich nie gehadert oder Zweifel gehabt. Diese mentale Stärke hat mir bei Olympia in Lillehammer sehr geholfen.

 

Stichwort Olympia. Sie waren ein großer Befürworter der Bewerbung Münchens für die Spiele 2018. Die ist relativ kläglich gescheitert. Wurde da viel Geld zum Fenster hinausgeworfen?

Wasmeier: Überhaupt nicht, diese 30 Millionen Euro haben sich total rentiert. Der Bewerbungsfilm war fantastisch, total emotional. Besser hätte man Bayern und München nicht präsentieren können. Ich bin sowas von stolz darauf, dazugehört zu haben. 160 Millionen Menschen haben den Film weltweit gesehen. Das ist perfekte Werbung und nachhaltige Imagearbeit – und darum geht es doch. 30 Millionen Euro sind da gar nichts, die Bewerbung war das Hundertfache wert.

 

Trotzdem hat der Deutsche Olympische Sportbund entschieden, sich für Olympia 2022 nicht zu bewerben. . .

Wasmeier: Das verstehe ich absolut nicht, ein Wahnsinn! Wir denken zu wenig in die Zukunft, Visionäre haben bei uns einfach keine Chance mehr. Das ist total schade. Die Sponsoren hätten doch alle wieder mitgemacht. Und man hatte es doch bloß nicht geschafft, das muss man doch sportlich sehen. Man hat verloren, dann versucht man's halt wieder. Aber jetzt ziehen die den Schwanz ein, das verstehe ich einfach nicht!

 

Verstehen Sie denn die große Diskrepanz zwischen den sehr erfolgreichen deutschen Skirennläuferinnen und den meist hinterher fahrenden deutschen Skirennläufern?

Wasmeier: Das darf man nicht vergleichen, das sind zwei verschiedene Welten. Ich will ja die Leistung der Mädels nicht schmälern, aber die Dichte ist bei ihnen nicht annähernd so wie bei den Männern. Dort herrscht die 15- bis 20-fache Konkurrenz, da kann auch die Nummer 60 noch gewinnen. Bei den Frauen dagegen kommen vielleicht fünf für den Sieg in Frage, das ist der große Unterschied. Trotzdem, auch die Frauen leisten richtig guten Sport.

 

Was erwarten Sie denn noch von der deutschen Mannschaft? Bei den Männern läuft es ja besser als erwartet.

Wasmeier: Das freut mich. Ich habe schon immer gesagt, dass es die Jungs drauf haben. Felix Neureuther und Fritz Dopfer sind immer für Plätze unter den besten 15 gut, und die anderen haben auch viel Potenzial. Man muss ihnen einfach Zeit geben und Geduld haben, dann wird das schon.

 

Ihre positive Sicht der Dinge kommt auch bei Ihren TV-Auftritten immer wieder zum Vorschein. Sind Sie ein zufriedener, glücklicher Mensch?

Wasmeier: Ich laufe nicht den ganzen Tag mit einem Grinsen rum, habe auch Sorgen und Probleme. Aber ich lebe auf der Sonnenseite. Meine Familie ist intakt, wir gehen gemeinsam unseren Träumen nach. Natürlich gibt es Berg und Tal, aber ich bin zufrieden damit, wie ich mein Leben gestalten kann. Ich freue mich auf neue Herausforderungen, die machen das Leben ja spannend. Man kann jammern oder mutig nach vorne schauen. Ich kann nur jedem empfehlen, die Dinge anzupacken, neue Ideen zu entwickeln. Das macht das Leben lebenswert.