Anja
Anja Fichtel: Die Glanzzeiten der Fechterin

Verdammt lange her. Ehemalige Sportgrößen erinnern sich: Heute mit dem Anja Fichtel

23.12.2011 | Stand 03.12.2020, 2:00 Uhr

 

Anja Fichtel ist wieder zurück. Nein, nicht im Leistungssport, sondern an dem Ort, wo alles begann: in Tauberbischofsheim. Im Norden Baden-Württembergs startete sie einst ihre tolle Karriere im Fechtsport. Nach einigen Jahren in Wien wohnt die 43-Jährige wieder dort. Mit dem Fechtzentrum selbst hat sie aber nichts mehr zu tun.

Selbst 20 Jahre nach ihren sportlichen Glanzzeiten ist der Name Anja Fichtel noch immer ein Synonym für die seligen Jahre des deutschen Fechtens.

Anja Fichtel: Ja, schrecklich, gell? Ich hatte Ihnen ja schon vor diesem Treffen gesagt, dass ich eigentlich gar nicht mehr für solche Interviews zur Verfügung stehen mag.

 

Es sind nicht viele nachgekommen nach Ihnen, nach Sabine Bau und Zita Funkenhauser, der goldenen Achtziger-und-Neunziger-Jahre-Generation. Britta Heidemann ist neben Ihrem Trio eine populäre Fechterin. Sie ist aber „bloß“ die jüngere Vorzeige-Persönlichkeit.

Fichtel: Aber die Britta, die kann sich doch so gut äußern, die ist so klug, so ein Multitalent – ich hätte gerne wenigstens ein Stück von ihr. Und das mit meinen Erfolgen, ach je, das ist sooo lange her – ich habe mich längst abgenabelt vom Ruhm und Athletenleben, habe den Schnitt gemacht. Die Sportlerin ist in mir zwar noch präsent, aber nur als ein relativ kleiner Baustein in meinem weiteren Leben.

Woran, meinen Sie, rührt denn Ihre so ungeheure Popularität?

Fichtel: Die kommt vielleicht auch daher, dass es bei den für mich so verrückten Spielen von Seoul 1988 in den Einzeln nur vier deutsche Goldmedaillen-Gewinnerinnen gab. Die Steffi Graf, Nicole Uphoff, Silvia Sperber und mich.

Silvia Sperber?

Fichtel: Eine Schützin, kennen Sie die etwa nicht mehr? Ich glaube, dass wir deswegen, weil wir nur vier Gold-Frauen waren, in Erinnerung bei den Fans geblieben sind. 1992 in Barcelona war dann plötzlich die ganze Weltklasse aus Deutschland-Ost im Olympia-Team Deutschland-West mit dabei. Da hatten wir auf einmal über 20 Gold-Frauen, und die hat sich eben keiner gemerkt.

Bei Ihnen war’s wohl auch das offene Wesen bei Ihren öffentlichen Auftritten, das Sie so bekannt werden ließ.

Fichtel: Ich bin doch gar nicht so, wie das immer aussah. Auch deshalb war die Sportlerzeit so anstrengend für mich. Klingt blöd, gell? Aber selbst wenn ich für viele eine Art Sonnenkind bin, gibt es im Leben neben dem Yin stets ein Yang. Wo positive Energie ist, ist immer auch das Traurige vorhanden. Und da hatte ich richtig einschneidende, negative Erfahrungen, zum Beispiel den schrecklichen Motorrad-Unfall von meinem früheren Bundestrainer Paul Neckermann, der mit seiner Frau im Zillertal ums Leben kam. Wer denkt denn daran, dass so etwas jemals passieren kann?

Dann gab es da obendrein den frühen Herz-Tod Ihrer Mutter.

Fichtel: Wir haben gerade erst ihren siebten Todestag begangen – und ich kann sagen, allmählich ist es wieder gut. Du musst irgendwann loslassen, sonst frisst dich der Kummer über solche Dinge auf. Ihr Tod war noch dummerweise zusätzlich in die Zeit meiner Scheidung gefallen – beides zusammen war derart schrecklich, empfand ich als ein so schlimmes Scheitern, dass es mich total aus der Bahn geworfen hat.

Sie waren damals auch gesundheitlich angeschlagen.

Fichtel: Der Körper hat reagiert, na klar, ziemlich heftig. Doch obwohl alles so bitter war, wollte ich mich damit nicht abfinden, und mein neuer Mann hat mich wachgerüttelt, hat mir vermittelt, dass es ein Jetzt gibt ohne das Davor, dass er mich zum Beispiel auch sieht ohne meine Erfolge. Und ich hab wahrscheinlich damals auch alle tausend Bücher von Anselm Grün auswendig gelernt: Es muss etwas scheitern, damit etwas Neues beginnt. Wichtig ist, dass du weißt, wer du selber bist.

Wie sieht ein Tag im Leben dieser neuen Anja Fichtel aus?

Fichtel: Vor allem entspannt. Ich stehe auf, ich sag nicht wann, bringe den Kleinen in den Kindergarten, gehe mit unserem Hund Emma Gassi, trinke Kaffee mit Freundinnen oder der Tante, koche daheim, trainiere nachmittags im Fechtzentrum den Nachwuchs, abends essen wir dann alle gemeinsam zu Abend, ich bringe den Kleinen mit einer Gute-Nacht-Geschichte ins Bett. Und das läuft fast jeden Tag so ab.

Klingt aufregend...

Fichtel: ...hab ich selbst gewollt, und ich liebe es, wie es ist. Und ab und an passiert ja noch was anderes, dann darf ich mit meiner Familie auf ein Kreuzfahrtschiff und halte dort Fechtkurse ab.

Wie wär’s denn mit mehr Fechtkursen im heimischen Fechtzentrum? Nun, es könnte ja nicht schaden, wenn Sie Ihr Wissen einbrächten.

Fichtel: Dazu sage ich nichts. Ich hab jedes Mal schwer auf den Deckel gekriegt, wenn ich meinen Mund nicht gehalten habe. Zu meiner Zeit jedenfalls wurde anders trainiert, das steht fest. Aber wenn ich denen das sage, machen die Verantwortlichen Augen und Ohren zu. Von einstiger Weltklasse sind meine Nachfahren meilenweit entfernt, ich kann nichts dafür, das ist lediglich die Realität. Vorerst sehe ich für unser Fechten einigermaßen schwarz.

Eben, Sie werden gebraucht!

Fichtel: Als ich helfen wollte, hat man meinen Rat nicht gewollt. Und mittlerweile bin ich zu weit von der Sache entfernt. Alles andere würde mir wieder viel zu sehr Kraft rauben und passt wirklich nicht mehr in mein neues Leben hinein.