Olympische Beobachtungen: Stewardessen und "Die Zunge der Schwiegermutter"

06.02.2014 | Stand 02.12.2020, 23:07 Uhr

Eichstätt (DK) Er spricht Russisch, ist ein expliziter Kenner der russischen Geschichte und Gesellschaft, er kennt Sotschi fast wie seine Heimatstadt und er liebt eine Russin. Was liegt für den DONAUKURIER näher, als Josef Bartenschlager zu den Olympischen Spielen in Sotschi zu schicken? Der leidenschaftliche Lokalredakteur des EICHSTÄTTER KURIER wird in den nächsten dreieinhalb Wochen für unsere Zeitung exklusiv aus der Stadt am Schwarzen Meer berichten.

Als ob ein Magier seinen Zauberstab geschwungen hat: Das tiefe Schwarz, das unseren Flug nach Sotschi die vergangene Stunde begleitet hat, löst sich auf. Unvermittelt taucht ein Lichtermeer auf. Ein strahlendblaues Oval dominiert, umgeben von roten und gelben geometrischen Figuren. Weiße Linien verleihen dem bunten Puzzle Struktur. Das ist er also, der Komplex, in dem die Olympischen Winterspiele von Sotschi stattfinden werden, zumindest ein Teil davon. Der andere, der in den Bergen, lässt sich noch nicht einmal erahnen. Aber zu der direkt an der Küste gelegenen Anlage fällt mir jetzt nur ein Begriff ein: „Grandios“.
 
Ob ich noch genauso denke, wenn ich die Bauten bei Tag und von einer anderen Perspektive sehe? Aber dieser Gedanke kreist nur kurz in meinem Kopf. Erst einmal freue ich mich, dass ich angekommen bin in Sotschi, genauer gesagt im Stadtteil „Adler“. Russische Gastfreundschaft durfte ich schon die vergangenen dreieinhalb Stunden genießen, an Bord einer Boeing 737, die zur Flotte einer russischen Linie namens Orenburg Airlines gehört. Die Stewardessen sind in hübsche, an die heimische Tracht erinnernde Uniformen gekleidet, das Essen ist reichlich und schmeckt hervorragend. Beides lässt mich den raunzenden Zollbeamten am Münchner Flughafen vergessen. Vorbei, vorbei.
 
Jetzt empfangen mich freiwillige Helfer, „Volunteers“, an der russischen Passkontrolle und weisen mich zum richtigen Schalter. Als ein für die Olympischen Winterspiele akkreditierter Journalist habe ich kein Visum, sondern eben die Akkreditierungskarte. Das erfordert etwas andere Formalitäten, doch die russischen Beamten erledigen alles freundlich und professionell. Als ich die Empfangshalle verlasse, gerate ich in ein Blitzlichtgewitter. Filmkameras sind auf mich gerichtet. Nanu, seit wann bin ich prominent? Aber das Interesse der Kollegen gilt nicht mir, sondern einem Teil der österreichischen Mannschaft, der wohl zeitgleich gelandet ist.
 
Nun muss ich noch nach Sotschi-Zentrum, wo ich mein Lager aufschlagen werde. Dazu wähle ich den Bus. Halt, eines muss ich noch erklären: Das mit der Ich-Form stimmt so nicht. Ich reise mit Frau und Tochter. Meine Frau ist in Sotschi geboren und aufgewachsen; sie wird mir unentbehrliche Hilfe sein. Und für meine Russisch sprechende Tochter dürften die nächsten Tage ein einmaliges Erlebnis werden.
 
Der Bus nimmt nicht die neu gebaute Autobahn, sondern klappert viele Haltestellen in Adler ab, teilweise auf der ursprünglichen, aus der Sowjetzeit stammende Route. Sie war so kurvig und langsam, eine rechte Qual, sie zu nutzen, dass sie im Volksmund „Die Zunge der Schwiegermutter“ hieß. Was ein Schlaglicht auf die Rolle der Schwiegermutter in Russland wirft (auch dort gibt es unzählige Witze über sie). Aber Schwiegermütter haben auch ihre Vorzüge und so bringt uns auch ihre „Zunge“ zuverlässig zum Ziel.