Olympische Beobachtungen: Kulinarische Erlebnisse

16.02.2014 | Stand 02.12.2020, 23:04 Uhr

Ich habe ein opulentes Abendmahl hinter mir. Mein Freund Valerij – er hatte vor Beginn der Olympischen Spiele für eine Etappe die Fackel tragen dürfen – meldete sich am Telefon. Er sitze mit einem Kumpel in einem Restaurant und wenn meine Familie und ich in der Nähe wären, sollten wir doch vorbeischauen.

Also los. Nach zehn Minuten waren wir da. Valerij und sein Freund Alexander hatten schon einen Tisch belegt. Das Restaurant ist mit viel Holz stilvoll eingerichtet. Die Küche ist einheimisch, die Speisekarte ausschließlich auf Russisch und ein Schnitzel mit Pommes sucht der Gast hier vergebens. Die Karte ist fleischlastig, aber auch für Vegetarier oder Suppenliebhaber findet sich etwas. Mein Töchterchen wählt mit Eiermilch gefülltes Gebäck. Wir anderen entscheiden uns für Schweinerippen vom Grill. Auf den Tischen türmen sich bald die Teller: Geräucherte Wurst, verschiedener Käse, Gurken, eingelegte Paprika und ein ganzes Bündel Petersilie. Eine pikante Soße gehört dazu. Und kaukasischer Wein, vollmundig und gehaltvoll. „Da, nimm ein Stück Wurst und einen Schluck Wein dazu“, fordert mich Valerij auf. Kritisch schweift Valerijs Blick über das Ensemble auf dem Holztisch. Er ist der Gastgeber und will sich nichts nachsagen lassen. Er schenkt auch jedes Mal wieder ein. Schließlich sind wir bei der dritten Flasche angekommen. Meine Tochter verdreht die Augen. Sie hält sich natürlich an Limonade und während wir die neuesten Ergebnisse der Olympischen Spiele erörtern, ist ihr sterbenslangweilig. Erwachsenengespräche halt. Dann ist das Mahl zu Ende. Valerij zahlt, keine Widerrede, und wir brechen auf. Bald sind wir zu Hause. Im Treppenhaus treffen wir auf eine gute Freundin meiner Frau und deren Mann. „Du hast Dich noch gar nicht bei uns sehen lassen“, sagt Evelina zu mir vorwurfsvoll. „Kommt rein“, fordert sie uns auf. Sie tischt auf: Brote, Wurst, Torte, Tee. Ihr Mann holt armenischen Cognac heraus. Den hätte es jetzt nicht mehr gebraucht. Aber Widerstand ist zwecklos. Bessere Gastgeber als Russen gibt es nicht. Allenfalls noch Kaukasier laufen ihnen den Rang ab. Und wir sind im Kaukasus. Bald werde ich mich revanchieren und mein Bestes geben müssen. Merke: Russen sind anspruchsvolle Gäste, fast so wie Kaukasier. Und wir befinden uns, ich erwähnte es, im Kaukasus.

Unser Redakteur Josef Bartenschlager kennt Sotschi seit den 90er Jahren.