Ingolstadt
''Ich schneide Löcher in die Unterwäsche''

Nationaltorwart Jochen Vollmer erzählt von seinem anstrengenden Job bei der Inline-Hockey-WM

04.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:25 Uhr

Schweißgebadet und erschöpft, aber in Topform: der deutsche Inline-Hockey-Nationaltorwart Jochen Vollmer - Foto: Meyer

Ingolstadt (DK) Heute Abend gilt’s für die deutsche Inline-Hockey-Nationalmannschaft. Auf dem Weg zur erhofften Medaille müssen die Mannen von Bundestrainer Georg Holzmann im WM-Viertelfinale Titelverteidiger Tschechien ausschalten. Eine Schlüsselfigur in dem mit Spannung erwarteten Duell in der Ingolstädter Saturn-Arena (20 Uhr) ist DEB-Goalie Jochen Vollmer.

Herr Vollmer, Sie haben als einziger Torwart in der Vorrunde fast durchgespielt. Ist das für Sie die ideale Abnehmkur?

Jochen Vollmer: Allerdings. Nach eineinhalb Monaten Pause ist das die perfekte Vorbereitung auf die neue Eishockey-Saison. Erstens macht es sehr viel Spaß und zweitens geht das richtig auf die Kondition. Und weil ich in diesen Tagen ganz besonders auf die Ernährung achte, verliere ich da schon einige Kilo.

 

Sie tragen ja die ganz reguläre Eishockey-Ausrüstung. Nur ist es jetzt in der Halle mindestens 20 Grad wärmer als im Winter. Was tun Sie gegen die Hitze?

Vollmer: Schwitzen und viel Trinken. Außerdem schneide ich Löcher in meine Unterwäsche und lasse alles weg, was nicht unbedingt nötig ist.

 

Normalerweise wechseln sich Torhüter bei einem solchen Turnier ab. Sie haben fast alle drei Partien durchgespielt.

Vollmer: Das stimmt. Es ist brutal anstrengend, und ich habe bei anderen Turnieren auch schon erlebt, dass Torhüter einen Kreislaufkollaps bekamen. In diesem Jahr komme ich besser zurecht, sonst hätte ich nicht so viel spielen können. Aber ich bin froh, dass wir gegen Slowenien so hoch führten und ich wenigstens im letzten Viertel pausieren konnte.

 

Was speziell ist für Sie beim Inline-Hockey anders?

Vollmer: Der größte Unterschied ist, dass man nicht wie auf Schlittschuhen gleiten kann. Das ist gewöhnungsbedürftig. Aber mittlerweile gibt es in den USA einen größeren Inline-Hockey-Markt, wodurch spezielle Schienen für Torhüter entwickelt wurden, die das Gleiten ermöglichen. Der englische Goalie bei der WM hier hat solche Schuhe und ist sehr stark im Tor. Ich dagegen nutze meine Schlittschuhe, an die ich ganz kleine Rollen montiere, damit der Abstand zum Boden so gering wie möglich ist.

 

Jetzt hat Ihr Team beim 7:5 gegen Slowenien den ersten Sieg errungen. Wieso hat’s erst im dritten Anlauf geklappt?

Vollmer: Eishockey-Mannschaften liegen uns mehr als die Inline-Spezialisten aus den USA oder Kanada. Das ständige Zurücklaufen und Kreisen sind wir nicht gewohnt. Gut ist, dass wir neun Spieler im Team haben, die in Germering auch in der Inline-Liga aktiv und deshalb eingespielt sind. Aber es wäre wichtig, dass wir mal ein bisschen Nachwuchs heranziehen, gerade auch bei den Torhütern.

 

Wieso ist das so schwierig?

Vollmer: Na ja, wir sind ja alle in unserer Freizeit hier und bekommen kein Geld. Das tun sich viele Profis dann im Sommer eben nicht an.

 

Eine richtige Inline-Hockey-Liga unter dem Dach des Eishockey-Verbandes gibt es ja nur im Süden mit fünf Mannschaften. Wie rekrutieren die Teams ihre Spieler?

Vollmer: Das geht über Mund-zu-Mund-Propaganda. Wir sprechen unsere Teamkameraden in den Eishockey-Ligen einfach an. Aber speziell im Torwartbereich ist es ganz schwierig. Thomas Ower und ich sind die einzigen, die auf diesem Niveau im Tor spielen. Selbst die Nationaltorhüter Dennis Endras und Jochen Reimer spielen lieber im Feld, wenn sie dann mal auf Rollen mitmachen. Auch Markus Janka vom ERC Ingolstadt wäre sicher ein guter Inline-Goalie.

 

Kurz zum Eishockey: Derzeit gibt es in der DEL einige deutsche Torwartduos. Sie sind 32 und spielen jetzt als Nummer eins beim Zweitligisten Bietigheim. Haben Sie den deutschen Torwartboom in der DEL wegen Ihres Alters verpasst?

Vollmer: Das kann schon sein. Es wäre schön gewesen, wenn ich beispielsweise mit einem jungen Kollegen wie dem Kölner Danny aus den Birken ein Duo hätte bilden können. Andererseits bin ich froh, dass ich so lange in München als Nummer eins habe spielen können, auch wenn ich den Durchbruch in der DEL nie geschafft habe. Aber ich will noch lange Eishockey spielen und fühle mich auch in Bietigheim wohl. Dort kann ich nebenher mein Fernstudium zum Sportmanager abschließen.

 

Jetzt geht es aber in Ingolstadt zunächst einmal um eine Medaille bei der Inline-Hockey-WM. Wie groß sind die Chancen gegen Weltmeister Tschechien?

Vollmer: Wir müssen deren Schlüsselspieler ausschalten. Jakub Curik und Martin Vozdecky haben einen unglaublich harten Schuss. Außerdem haben sie mit Roman Handl einen Top-Goalie, der bei früheren WM-Turniern schon zweimal als bester Torwart ausgezeichnet wurde. Wir müssen sehen, dass wir ein enges Spiel bekommen und wir am Ende genug Kraft haben, den Sieg zu erzwingen.

 

Ihre Vorliebe für die Saturn-Arena, in der Sie mit dem ERC Ingolstadt 2005 den DEB-Pokal gewonnen haben, ist ja bekannt. Und 2009 holten Sie mit dem Inline-Team WM-Bronze. Wie gefällt es Ihnen dieses Mal in Ingolstadt?

Vollmer: Was soll ich sagen? Ich habe bei einer WM auch schon vor fünf Zuschauern gespielt. Was hier los ist, ist einfach einmalig, nicht nur bei unseren Spielen, auch bei den anderen Nationen. Die Atmosphäre ist sagenhaft. Ich bin dafür, dass die WM jedes Jahr in Ingolstadt stattfindet.

 

Das Interview führte Gottfried Sterner.