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"Im Ziel wird gefeiert"

28.02.2014 | Stand 02.12.2020, 23:00 Uhr

 

Nährstoffberater Wolfgang Feil spricht vor dem Ingolstädter Halbmarathon über die richtige Ernährung

Herr Feil, schaffen Sie es als Nährstoffberater, sich immer gesund und ausgewogen zu ernähren?

Wolfgang Feil: Zu 90 Prozent bekomme ich das bestimmt hin. Ich sage aber auch: Wenn man mal Lust auf einen Burger hat, dann soll man sich auch richtig darauf freuen und es genießen.

 

Sie beraten unter anderem Fußballer, Triathleten und Skispringer: Was ist der wichtigste Ratschlag, den sie allen Athleten mit auf den Weg geben?

Feil: Die Ernährung ist insgesamt kohlenhydratärmer als früher geworden. Man isst nicht mehr so viele Nudeln, Brot, Reis oder Kartoffeln. Wobei man nicht sagt, dass man das gar nicht mehr essen soll. Man schaut zudem, dass man durch die Ernährung die Entzündungsreaktionen im Körper verringert, weil diese das Risiko für Verletzungen erhöhen und die Regenerationszeiten verlängern.

 

Wie kann man sich ernähren, um Entzündungen zu minimieren?

Feil: Wir empfehlen sehr viele Kräuter und Gewürze. Man sollte ebenfalls Weizen- und Roggenprodukte weglassen oder zumindest deutlich weniger zu sich nehmen, weil diese Entzündungen im Körper nach oben regulieren. Wir empfehlen deutlich mehr Fett als früher aufzunehmen, besonders in Form von Omega-3-Fettsäuren, die beispielsweise in Fisch oder Speiseleinöl enthalten sind. Und wir empfehlen, mehr Butter zu essen statt Margarine.

 

Sie sprechen in Ihren Vorträgen vom „Train low, compete high“-Konzept. Was genau hat es damit auf sich?

Feil: „Train low“ heißt, dass man mit weniger gefüllten Kohlenhydratspeichern trainiert. Das ist anstrengender, denn der Körper sagt einem dann ,Gib mir mehr Brot, gib mir mehr Nudeln’. Er ist es gewohnt, Kohlenhydrate oder Zucker zu verbrennen. Aber wenn man ein paar Monate mit dem Modell trainiert hat, wird die Fettverbrennung richtig angekurbelt.

 

Und was versteht man unter „Compete high“?

Feil: Man soll die letzten drei Tage vor dem Wettkampf die Kohlenhydrate wieder erhöhen. Damit füllt man die Speicher wieder auf.

 

Können Sie dieses Modell auch Freizeitläufern empfehlen, die beim Halbmarathon in Ingolstadt an den Start gehen?

Feil: Ja. Ich kenne einen ambitionierten Freizeitläufer, der meinen Vortrag im November gehört hat und dann dieses Konzept umgesetzt hat. Er läuft jetzt, drei Monate später die zehn Kilometer zwei bis drei Minuten schneller.

 

Bis zum Rennen in Ingolstadt sind es noch knapp zwei Monate. Reicht das aus, um das System noch umzustellen?

Feil: Ja, das ist ideal. Es kommt relativ schnell zum Leistungssprung.

 

Und wann wäre eine Umstellung nicht mehr sinnvoll?

Feil: Vier Wochen vor dem Wettkampf ist es zu spät. Die Reduzierung der Kohlenhydrate ist am Anfang mental anstrengend. Das kann man auch ganz gut erklären: Besonders Weizen hat morphiumartige Strukturen. Diese binden im Gehirn an Opiatrezeptoren und führen dazu, dass der Körper nach weiteren Weizenprodukten verlangt. Brot- und Nudelesser sind also ein bisschen süchtig.

 

Wie bekommt man diese Sucht in den Griff?

Feil: Man kann Weizenprodukte beispielsweise durch Dinkel, Hirse oder Buchweizen ersetzen. Wenn man das Suchtpotenzial zusätzlich unterbinden will, sollte man Kaffee trinken. Kaffee hat einen Inhaltsstoff, der auch an den Opiatrezeptoren ansetzt.

 

Früher wurde behauptet, man soll viele Kohlenhydrate zu sich nehmen. Heute warnen Sie davor, da sie Entzündungen fördern. Ärgern Sie sich manchmal selbst darüber, etwas behauptet zu haben, was inzwischen widerlegt ist?

Feil: In meinem ersten Buch, im Jahr 1997, habe ich auch noch von Nudelpartys gesprochen. Es war eben der Stand der Wissenschaft. Man hat gesehen, dass man mit gut gefüllten Kohlenhydratspeichern besser trainieren kann. Ein Marathonläufer, der häufig Nudeln und Brot ist, fühlt sich bei einem langen Lauf energiemäßig gut. Darum haben wir das praktisch nicht erkannt. Wenn wir mit weniger Kohlenhydraten arbeiten, dann fühlt sich der Sportler nicht ganz so gut, er kommt an Grenzen, aber der Trainingseffekt ist größer. Es ist wichtig, dass man heute den Mut hat, die neuen Entwicklungen aufzuzeigen.

 

Ist inzwischen ein Punkt erreicht, an dem die Forschung an ihre Grenzen stößt?

Feil: Ich denke, dass wir jetzt eine weltweit hohe Studiendichte für das „Train low, compete high“-Konzept haben. Die Studienlage ist eindeutig, dass Weizen extrem entzündungsfördernde und negative Kapazitäten hat, weshalb wir heute massiv fordern, dass der Weizenkonsum in Deutschland reduziert werden muss.

 

Lassen Sie uns noch auf den Halbmarathon in Ingolstadt vorausblicken. Worauf sollten die Sportler in den kommenden Wochen achten?

Feil: In der heißen Vorbereitungsphase sollte man auf eine entsprechende Versorgung der Sehnen und Bänder achten. Viele Läufer erwischt es meist zwei Wochen vor dem Wettkampf – dann schmerzt beispielsweise das Knie oder zwickt die Achillessehne, weil sie das erhöhte Training nicht vertragen. Dem am besten entgegenwirken kann man mit kieselsäurereichen Lebensmitteln: Hirse, Hafer, Bananen, Naturreis oder Ackerschachtelhalm.

 

Was empfehlen Sie den Läufern unmittelbar vor dem Wettkampf zu essen?

Feil: Ein gutes Frühstück würde aus einem Grünen Tee bestehen, da dieser entzündungssenkend ist. Zudem empfehle ich einen Quark mit einer Banane und etwas Ingwer. Ingwer beruhigt nämlich den Magen, und Läufer sind oft aufgeregt (lacht). Und eine Reihe dunkle Schokolade wäre noch gut, sie hat eine durchblutungsfördernde Funktion.

 

Ist es ratsam, während des Wettkampfes etwas zu essen?

Feil: Es kommt darauf an, wie lange der Läufer unterwegs ist. Wenn er vorher seine Speicher aufgefüllt hat, dann hat er Energie gebunkert. Wenn der Wettkampf dann zwei Stunden dauert, brauche ich nicht viel zu mir nehmen. Nicht viel heißt, dass man mit Wasser zurechtkommt. Ist die Belastung länger als drei Stunden, empfehle ich Sportgetränke, Sportriegel oder Sportgels möglichst schon ab Kilometer zehn einzusetzen, um Energie aufzunehmen. Die Banane, die häufig gereicht wird, bringt nicht viel. Sie braucht zwei Stunden, bis sie richtig verdaut wird, und liegt häufig schwer im Magen.

 

Und nach einem Wettkampf?

Feil: Am Wettkampftag spielt das keine so große Rolle. Beim Training sollte man hingegen darauf achten, danach das Immunsystem mit Regenerationsgetränken mit Zink, Magnesium, Selen und Eiweiß zu stabilisieren. Nach einem Wettkampf, im Ziel wird gefeiert. Wer sich aber auch dann noch optimal versorgen will, kann das mit Regenerationsgetränken oder einem alkoholfreien Weizen machen.

 

Das Gespräch führte Julian Schultz.