Köln
"Kölsche Jung" aus Oberbayern

09.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:50 Uhr

Schnell auf den Beinen: Klaus Maierstein (r.) kam hier Christian Clemens (2. v. r.) zur Hilfe. - Foto: S. Kerpf

Seit über sechseinhalb Jahren arbeitet Klaus Maierstein nun schon als Chef-Physiotherapeut beim 1. FC Köln. Die Stadt am Rhein hat er längst kennen- und lieben gelernt.

Textsicher ist er ja. "Denn wenn et Trömmelche jeht" - Klaus Maierstein ergänzt es blitzschnell mit einem kräftigen "Dann stonn mer all parat". Nun gut, der 48-Jährige sagt es nur, verzichtet auf ein Singen - "weil das habe ich schon in der Schule nicht richtig gekonnt". Aber immerhin. Er kennt sich aus, wenn es um traditionsreiche Stimmungslieder aus Köln geht. Beziehungsweise liebt sie sogar regelrecht. So wie es sich für einen echten "Kölsche Jung" gehört - selbst wenn er eigentlich aus dem tiefsten Oberbayern stammt.

"Wenn ein guter Tag ist, dann laufen all diese Songs natürlich auch in meinem Autoradio", verrät der gebürtige Schrobenhausener. Dann kann's durchaus mal mit "Polka, Polka, Polka" quer durch die Stadt gehen, oder mit "Superjeilezick" - von zu Hause aus ans Geißbockheim, der Heimat des traditionsreichen 1. FC, also Maiersteins Hauptarbeitsstätte. "Karneval ist schon etwas Schönes", so der Chef-Physiotherapeut des Bundesligisten. Und er sagt dies nicht, weil man das als Wahl-Kölner einfach sagen muss - sondern weil es seine felsenfeste Überzeugung ist. "Bereits als kleines Kind hatte ich es mir nicht nehmen lassen, regelmäßig sowie fleißig die Rosenmontagsumzüge im Fernsehen anzuschauen", erinnert sich der 48-Jährige mit einem Schmunzeln: "Von daher habe ich mit der Wahl meines jetzigen Arbeitgebers doch Vieles richtig gemacht."

Karneval in Köln - das sei einfach Ausnahmezustand pur. "In dieser Zeit vergisst man hier sogar kurz, dass wir momentan nur Tabellenletzter sind", berichtet Maierstein. Und das sei seiner Ansicht nach gut so: "Man muss auch mal abschalten können. Ich gebe zu, dass ich das im Laufe der Zeit erst lernen musste - aber irgendwann ging es."

Zum Beispiel erst vor Kurzem, bei der traditionsreichen Karnevalssitzung des 1. FC Köln selbst. Alles, was in der Rheinmetropole Rang und Namen hat, war dort - für Außenstehende war es hingegen schier unmöglich, hierfür Eintrittskarten zu ergattern. Maierstein genoss den Abend in vollen Zügen - in einer Art Safarilook, mitten in der Kölner High Society. "Wobei es eigentlich wurscht war, was man anhatte - Hauptsache, man kam verkleidet", berichtet er. Und getrunken wurde? Natürlich Kölsch! Wobei das für den gebürtigen Schrobenhausener gar nicht so selbstverständlich ist - denn während des gesamten restlichen Jahres kommen bei ihm, biertechnisch gesehen, nur die Produkte einer Münchner Traditionsbrauerei ins Glas beziehungsweise in den Kühlschrank. "Selbst alle meine Nachbarn habe ich damit bereits infiziert", erzählt Maierstein lachend: "Aber im Karneval lasse ich mich dann schon erweichen und trinke auch mal ein Kölsch. Wobei das gar nicht so schlecht ist."

Im Karnevalsendspurt würde es ihm sogar noch besser schmecken, wenn seinen Geißböcken am heutigen Samstag ein Auswärtssieg bei Eintracht Frankfurt gelingen würde. Dass ein solcher im Kampf um den Klassenerhalt extrem wichtig, ja fast schon überlebenswichtig wäre - der Chef-Physiotherapeut weiß dies ganz genau. Und er wirkt zuversichtlich - für das eine Match in Hessen, aber auch für die gesamte Spielzeit. "Seitdem uns in der letzten Vorrundenpartie gegen den VfL Wolfsburg unser erster Saisonerfolg gelungen ist, bin ich wieder optimistisch, was eine Rettung von uns angeht", so Maierstein. Nun gut, nach der jüngsten 2:3-Heimniederlage gegen Borussia Dortmund ("Da stellten wir uns nicht wirklich clever an"), ist der Rückstand auf den Relegationsrang wieder bis auf sieben Zähler angewachsen - "aber hey, wir müssen am Ende ja ,nur' auf Position 16 landen, um gegen den Tabellendritten der Zweiten Liga zwei weitere Chancen zu bekommen", sagt der 48-Jährige völlig richtig: "Unsere Jungs haben mittlerweile wieder gemerkt, dass sie durchaus noch gewinnen können - dementsprechend ist ein regelrechter Ruck durchs Team gegangen. Jeder bei uns möchte die große Sensation unbedingt noch schaffen und nach lediglich sieben Punkten in der Vorrunde den Abstieg vermeiden."

Maiersteins Augen leuchten bei diesen Sätzen. Entschlossen wirkt er, höchst motiviert - sowie wohl wissend, dass er mit seinen Künsten, die FC-Profis fit zu bekommen, einen nicht unerheblichen Teil zur Rettung beitragen kann. Ja, der gebürtige Schrobenhausener liebt seinen Job am Rhein - bereits seit Juli 2011 steht er bei den Geißböcken unter Vertrag, nach zuvor vielen Jahren im sogenannten Juniorteam des FC Bayern München. Den Schritt weg vom Deutschen Rekordmeister, hin zum Kultklub am Rhein - der Physiotherapeut habe ihn nach eigenem Bekunden noch in keiner Sekunde bereut. "Hier beim 1. FC Köln sind wir wie eine große Familie", betont er.

Bloß ob Maierstein dieser nun sein gesamtes Berufsleben lang treu bleiben wird? "Schaun mer mal", sagt er in guter alter Franz-Beckenbauer-Manier: "Man weiß ja nie, was die Zukunft noch so bringt." Nun gut, einen Wechsel ins Ausland schließt der 48-Jährige ziemlich sicher aus ("Das ist nichts für mich") - aber eine Rückkehr in "seinen" Freistaat Bayern wäre schon durchaus möglich. Irgendwann, eventuell. "Unser Sohn Mats kommt 2019 in die Schule. Da ist es doch logisch, dass sich meine Frau und ich gewisse Gedanken darüber machen, wo wir die Jahre anschließend sein wollen - schließlich soll er nicht gleich danach wieder seine Klassenkameraden wechseln müssen."

Spricht das nun eher für einen Verbleib am Rhein - oder dagegen? Achselzucken bei Maierstein: "Es ist auf jeden Fall Fakt, dass wir nicht aus Köln weg müssen, denn mein Angestelltenvertrag beim 1. FC ist nicht zeitlich befristet. Es kann also durchaus sein, dass ich in zehn Jahren vielleicht immer noch für die Geißböcke arbeite - oder eben nicht."

Und damit möchte er es bei diesem Thema gerne bewenden lassen. Also kehren wir zurück - zur aktuellen Situation beim 1. FC Köln, zur aktuellen Saison inklusive der Teilnahme an der Europa League im Herbst 2017. "London war der Wahnsinn, Borissow in Weißrussland sehr schön, Belgrad unvorstellbar", erinnert sich Maierstein vor allem an die drei Auswärtsauftritte auf internationaler Ebene sehr gerne. Nur war nicht genau diese Zusatzbelastung ein Hauptgrund dafür, dass es für seine Mannschaft plötzlich tief in den Bundesligakeller ging? "Die Reisestrapazen durch die Europa League waren schon groß", räumt der 48-Jährige ein: "Aber allein daran lag es nicht. Schon ziemlich schnell nach dem Saisonbeginn stimmte bei uns irgendetwas nicht mehr."

Prompt war irgendwann der Manager (Jörg Schmadtke) weg - und Anfang Dezember musste dann auch das Trainergespann Peter Stöger/Manfred Schmid seinen Hut nehmen, mit dem Maierstein übrigens weiterhin eine gute Freundschaft verbindet. "So ist eben das Geschäft", sagt der Chef-Physiotherapeut völlig unaufgeregt: "Stefan Ruthenbeck und Kevin McKenna, die jetzt für die Mannschaft verantwortlich sind, machen ihre Sache ebenfalls sehr gut. Sie haben dem Team, dem Verein wieder Optimismus eingehaucht - also genau das, was wir brauchten."

Womit wir wieder beim Glauben an eine Sensationsrettung im Mai wären. Und falls es nicht damit klappen sollte? "Daran verschwende ich eigentlich keinen Gedanken. Die gesamte Stadt steht leidenschaftlich wie eine Wand hinter dem FC und merkt, dass die Jungs Gas geben - weshalb sollte dann gerade ich nicht optimistisch sein", so Maierstein. Aber wenn am Ende trotzdem der Abstieg stünde? "Dann wäre das halt so", sagt der gebürtige Schrobenhausener fast schon trotzig: "Aber in diesem Fall würden wir ziemlich sicher auch schnell wieder zurückkommen."

Damit Schluss mit irgendwelchen Grübeleien in Richtung Zweite Liga. Schließlich ist Karneval in Köln - mit Alaaf, bester Stimmung. Und am Rosenmontag zudem mit dem bekanntermaßen riesigen Umzug quer durch die Rheinmetropole. "Als ich vor zwei Jahren selbst mal auf dem FC-Wagen stand und von dort aus fleißig Kamelle ins Volk geworfen habe, bin ich mir vorgekommen wie ein Popstar - wie Robbie Williams auf der Bühne", erinnert sich Maierstein lächelnd. Heuer möchte er das Spektakel lieber von einer Tribüne aus verfolgen, gemeinsam mit seiner Familie. "Rosenmontag ist in Köln ein hochheiliger Feiertag", berichtet der 48-Jährige: "Das ist einfach nur sensationell, krass, schlichtweg unglaublich. Von diesem Virus wird wirklich jeder infiziert, man ist sofort mittendrin."

Und wer weiß, vielleicht singt bei all dem Lärm rund um den Rosenmontagsumzug auch Maierstein bei dem einen oder anderen Stimmungslied lauthals mit - obwohl ihm dafür ja nach eigener Aussage das Talent fehlen würde. Ihm, den so textsicheren "Kölschen Jung" aus dem oberbayerischen Schrobenhausen, der so gerne auch in der Saison 2018/19 noch in der Ersten Fußball-Bundesliga arbeiten würde. Selbstverständlich weiterhin in der Karnevalshochburg Köln am Rhein, bei "seinen" Geißböcken.