Neuburg
"Die Bundesliga ist immer ein Traum"

Der Neuburger Schiedsrichter Stefan Treiber hat inzwischen seine ersten beiden Partien in der 3. Liga geleitet

01.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:17 Uhr

Aufsteiger: Stefan Treiber aus der Schiedsrichtergruppe Neuburg darf seit Beginn der Saison 2014/15 Partien in der 3. Liga leiten - Foto: Imago

Neuburg (SZ) Stefan Treiber ist seinem großen Ziel einen Schritt näher gekommen: Der 27-jährige Schiedsrichter hat seine ersten beiden Partien in der 3. Fußballliga geleitet. Im Interview verrät der gebürtige Neuburger (sowie einstige Faschingsprinz 2009 der Schrobenhausener Schromlachia), was die Unterschiede zu seinem bisherigen Einsatzgebiet, der Regionalliga, sind, wie er sich auf die neue Aufgabe vorbereitet hat und wie er die Schiedsrichterei rund um Neuburg einschätzt.

Herr Treiber, Sie haben nun zwei Spiele in der 3. Liga geleitet. Wie war es vor der Premiere, Borussia Dortmund II gegen Holstein Kiel?

Stefan Treiber: Ich war natürlich angespannt. Es ist eine neue Liga, ich hab’ da drin zwar schon gewunken, aber selbst auf dem Platz zu stehen ist dann doch noch mal was anderes. Es ist ein ganz anderes Gefühl. vor 5000 Zuschauern zu stehen. als vor 1000 oder 2000, die man in der Regionalliga hat. Auch die Spielertypen sind anders. Die Spieler sind intelligenter und zeigen einen anderen Fußball. Sie haben ein Riesentempo vorgelegt. Gerade die Dortmunder, U23 spielte technisch sehr gut.

Wie viel kriegen Sie als Schiedsrichter von den Zuschauern mit?

Treiber: Unterm Spiel wenig, muss ich sagen. Beim Einlaufen bekomme ich manchmal schon eine Gänsehaut, wenn ein schönes Lied läuft und die Fans singen. Während des Spiels ist dann alles, was von draußen kommt, ein Nebengeräusch. Da bin ich zu sehr auf meine Aufgabe konzentriert.

Was war für Sie der bedeutendste Unterschied zur Regionalliga?

Treiber: Der Unterschied zwischen Amateur- und Profifußball. Man merkt, dass die Spieler zwei-, dreimal am Tag trainieren. Die spielen taktisch schon ganz anders. Ansonsten ist es das Gleiche, es spielen genauso 22 Mann gegeneinander (lacht).

Haben Sie sich speziell auf ihre Tätigkeit in der 3. Liga vorbereiten müssen?

Treiber: Der Fitnesstest ist fast gleich zu dem, den man für die Regionalliga absolvieren muss. Wir müssen ein paar Runden mehr auf der Aschenbahn laufen.

Was wird bei diesem Test gefordert?

Treiber: Die Strecke wird aufgeteilt in zweimal 150 Meter und zweimal 50 Meter. Man hat 30 Sekunden Zeit für die 150 Meter und 35 Sekunden, um die 50 Meter zu gehen. Das Ganze findet immer im Wechsel statt, zählt dann als eine Runde – und das muss ich in der vorgegebenen Zeit zwölfmal machen. Es kommt sehr nah an den üblichen Bewegungsablauf eines Schiedsrichters: eine Strecke sprinten, dann wieder etwas langsamer gehen, wenn der Spielfluss wieder etwas ruhiger ist. Man muss ja immer auf der Höhe des Geschehens sein. Der Test ist anspruchsvoll – aber machbar für jeden, der konditionell fit ist. Außerdem gibt es noch einen Sprinttest, bei dem man sechsmal hintereinander 40 Meter innerhalb von 6,2 Sekunden spurten muss. Das kommt gleich nach dem großen Lauf. Das ganze Programm mache ich viermal im Jahr.

Wie sieht es mit der theoretischen Ausbildung aus?

Treiber: Es gibt viele Videoschulungen. Die Schiedsrichterkommission zeigt Spielszenen, die ihr wichtig sind und die einheitlich bewertet werden sollen. Nach dem Motto: Auf was soll besonders geachtet werden, was wird wie bestraft?

Wer macht diese Videoschulungen? Gibt es bekannte Namen?

Treiber: Herbert Fandel, der ja Vorsitzender der DFB-Schiedsrichterkommission ist, Hellmut Krug, Eugen Strigel. Die teilen die Ligen auch ein – und sie stehen in der Funktionärsriege der Schiedsrichter ganz oben.

Die Saison hat gerade erst begonnen. Wissen Sie denn schon für die kommenden Monate, bei welchen Partien Sie eingesetzt werden?

Treiber: Nein, ich erfahre meine offizielle Paarung erst zwei Tage vor Anpfiff. Das ist mittlerweile Standard. Ich erhalte 14 Tage vor einem Einsatz eine E-Mail, in der ich Bescheid bekomme, dass ich an diesem und jenem Spieltag in der 3. Liga pfeifen werde. Die offizielle Einteilung kommt dann am Donnerstag vor dem Spieltag.

Sie wohnen mittlerweile in Königsbrunn. Wie oft kommen Sie denn noch in Ihre Heimatstadt Neuburg?

Treiber: Meine Freundin kommt aus Burgheim, deswegen bin ich relativ oft da. Ich versuche ja auch, zu den Aktivitäten der Schiedsrichtergruppe Neuburg da zu sein, weil ich Lehrwart bin. Ich probiere es immer, aber man muss es halt auch verstehen, wenn es mal nicht geht.

Ihr Alltag ist sehr straff organisiert, oder?

Treiber: Der Wochenrhythmus hat sich bei mir jetzt sehr geändert. Es geht viel mehr ums Pfeifen und Trainieren. Außerdem muss ich mir meine eigenen Spiele danach immer noch ansehen und analysieren. Und ich sollte ja auch wissen, was in der Bundesliga los ist.

Weil man als Schiedsrichter auch auf Bundesliga-Szenen angesprochen wird . . .

Treiber: Genau. Also irgendwie muss ich alle Spiele gesehen haben (lacht). Nun, das stimmt schon, man sollte zu strittigen Szenen eine eigene Meinung haben und darüber Auskunft geben können.

Kommen Sie manchmal in Terminkonflikte mit der Arbeit?

Treiber: Ja, aber recht wenig. Es ist ein Geben und Nehmen. Ich mache dann halt mal Weihnachts- oder Sonntagsdienst in der Arbeit. Ich baue mir so Urlaubstage auf. Aber mein Teileinheitsführer bei der Bundeswehr ist selbst Fußballer, er unterstützt mich, was sehr gut ist.

Kommen Sie noch dazu, den Fußball in und um Neuburg zu verfolgen?

Treiber: Ja. Mich findet man dort, wo die jungen Schiedsrichter sind, das ist schließlich meine Aufgabe als Lehrwart. Ich wähle das Spiel anhand des Schiedsrichters, der es leitet. Da geht es um die Förderung. Prinzipiell ist es mir wurscht, auf welchen Platz ich gehe und welche Mannschaften ich anschaue.

Wie ist Ihrer Meinung nach die Schiedsrichtergruppe Neuburg in Sachen Jugend aufgestellt?

Treiber: Es ist, wie überall, so, dass du Probleme hast, neue Schiedsrichter zu gewinnen. Junge Leute fangen an und hören irgendwann wieder auf. Aber bei uns läuft es gerade ganz gut. Wir sind qualitativ gut aufgestellt. Wir haben drei Schiedsrichter in der Landesliga, davon auch junge. Für die Bezirksliga stellen wir auch sechs. Aber wir haben auch noch zwei, drei Talente in der Hinterhand, die bald höherklassig pfeifen werden. Natürlich muss aber auch die Basis gepfiffen werden. Ein Problem hat die Gruppe in der Altersklasse zwischen 25 und 40 Jahren. Wir besitzen ältere Schiedsrichter, wir besitzen sehr junge Schiedsrichter, aber nichts dazwischen. Wichtig ist deswegen, dass wir ehemalige Fußballer, die in ihren Dreißigern die aktive Laufbahn beenden, zur Schiedsrichterei bewegen.

Zurück zu Ihnen: Sie sind ja schon Assistent in der 2. Bundesliga. Träumen Sie auch vom Oberhaus, der 1. Bundesliga?

Treiber: Sicher! Die Bundesliga ist immer ein Traum. Man muss sich ja Ziele setzen. Wenn du ohne Ziele bist, dann kommst du nicht weiter, weil du gesättigt bist – und dann bringst du deine Leistungen auch nicht. Also brauche ich dieses Ziel. Das versuche ich halt, über die kommenden Jahre zu erreichen. Es ist ja nicht so, dass ich jetzt drei super Spiele in der 3. Liga pfeife und dann sofort in die Bundesliga komme.

Welches Spiel würden Sie gerne leiten, wer gegen wen?

Treiber: Ich freue mich auf jedes Spiel und leite alle Partien mit dem gleichen Einsatz, eine direkte Traumpaarung habe ich nicht. Natürlich wäre es schön, mal im Signal-Iduna-Park (bis 2005: Westfalenstadion, Heimstätte Borussia Dortmunds, d. Red.) aufzulaufen. Jetzt hab ich schon nebendran gepfiffen, jetzt will ich auch mal ins große Stadion (lacht). Jedes Spiel ist anders und interessant. Deswegen habe ich kein Traumspiel mehr.

Ihre persönliche Meinung zum Markierungsspray während der Fußballweltmeisterschaft, bitte!

Treiber: An und für sich ist es eine gute Unterstützung. Aber in Deutschland brauchen wir das nicht, weil wir hier nicht diese Spielercharaktere haben. Ich muss es hier nicht benutzen, weil die Spieler hier noch auf das hören, was ich als Schiedsrichter sage.

Wo haben Sie das WM-Halbfinale Brasilien gegen Deutschland gesehen – und was war Ihr erster Gedanke nach dem Abpfiff?

Treiber: Halbfinale? Ich wüsste jetzt noch, wo ich das Finale geschaut habe . . .

Nach dem Finale kann ja jeder fragen . . .

Treiber: Mal überlegen. Ich bin fast sicher, dass ich das Halbfinale zu Hause mit zwei, drei Schiri-Kollegen aus Augsburg angesehen habe. Was habe ich mir gedacht? Wahrscheinlich: Krass! Ich glaube, man wird in 30 Jahren noch über dieses Spiel reden. Ein schönes Spiel mit gutem Ausgang für unsere deutsche Mannschaft. Mehr braucht man dazu, glaube ich, auch nicht mehr sagen.

Sie gelten als sehr ruhiger Schiedsrichter, den man nur schwer oder gar nicht aus der Fassung bringen kann. Trotzdem: Was bringt Sie doch auf die Palme?

Treiber: Also wenn einer das schafft, dann hat er es weit gebracht. Das war aber schon lange nicht mehr der Fall, weil ich auf dem Platz sehr ausgeglichen bin. Als Schiedsrichter sollst du Emotionen nicht zeigen, weil emotionale Entscheidungen meistens auch nicht richtig sind. Man soll auch nicht zurückbrüllen, wenn man angebrüllt wird. Dadurch verliert man die Sachlichkeit des Amtes – aber das ist mir auch schon mal passiert (lacht).

Das Interview führte Sebastian Hofmann.