Ihr
"Wer aufgibt, hat verloren"

25.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:25 Uhr

 

Ihr Blick hat sicher Bände gesprochen. Allein bei der Erinnerung bricht Hanna Sommerer heute noch in herzliches Lachen aus: Als sie vor wenigen Wochen am Flughafen in Singapur zum Zwischenstopp landete, wurden sie und ihre Begleiterin vom Servicepersonal bereits erwartet. Der Grund: Damit die Seniorinnen wohlbehalten ihren Anschlussflug erreichten, sollten sie in Rollstühlen Platz nehmen und zum nächsten Gate gefahren werden. Ein wunderbarer Service für eine knapp 80-jährige Seniorin – könnte man meinen. Doch die sportlich-agile und topfitte Hanna Sommerer war auf dem Weg zur Tischtennisweltmeisterschaft in Auckland – als Teilnehmerin.

„Das war wirklich amüsant. Da fliege ich zu einem Sportwettbewerb und werde am Flughafen wie eine zerbrechliche alte Dame behandelt“, sagt Sommerer schmunzelnd. Kutschieren habe sie sich dann aber doch lassen: „Weils ja irgendwie nett gemeint war und die sich solche Mühe gaben.“

Zwei große Leidenschaften hat Hanna Sommerer: Tischtennisspielen und Reisen. „Da liegt es doch nahe, beides zu verbinden“, erklärt die Erasbacherin, die in Danzig geboren wurde, aber seit 1974 in dem kleinen Berchinger Ortsteil lebt. Und erzählt dann lebhaft von vielen Turnieren und den interessanten Ausflügen am Rande von Seniorentischtenniswettkämpfen europa- und weltweit, an denen sie bereits teilgenommen hat: in Vancouver, in Yokohama und Peking, in Belgrad, Stockholm und in Bratislava.

„Neuseeland war dieses Jahr allerdings die weiteste Reise, immerhin knapp 20 000 Kilometer, bis ans andere Ende der Welt“, sagt sie und strahlt bei der Erinnerung an „diese wunderbaren spannenden Tage“. Bedenken wegen der weiten Anreise mit immerhin 22 Stunden Flugzeit hatte sie keine, versichert sie. „Ich war mein Leben lang jeden Urlaub mit meinem Mann Ludwig im Wohnwagen unterwegs, wir haben wochenlang fremde Länder bereist, Nordafrika, Algerien, Marokko, Italien, und dabei viele Menschen kennengelernt“, sagt sie. Jetzt zu Hause sitzen, nur „weil die Knochen ein bisserl älter sind“, daran habe sie nie einen Gedanken verschwendet.

„Immer am Ball bleiben und nie jammern, immer guten Mut haben. Wer aufgibt, hat verloren. Das gilt im Spiel und im Leben“, gibt sie mit eindringlichem Blick ihr Lebensmotto kund. Bei den Turnieren sei dies allerdings nicht immer einfach. „Da sagt einem keiner: Hanna, zu der Uhrzeit musst du an diesem oder an jenem Tisch erscheinen. Das muss man alles selbst recherchieren, überprüfen und organisieren. Aber ich komme schon zurecht“, versichert Sommerer. Ein großes Plus für sie: Die 79-Jährige spricht sehr gut Englisch. „Ich mache schon seit Jahren in der Volkshochschule bei Englischkursen mit. Das macht Spaß und ist gut fürs Hirn.“

39 Spielerinnen waren in ihrer Altersklasse 80 in der imposanten Trust Arena in Auckland am Start für die Weltmeisterschaft, darunter sieben deutsche. Mit der Startnummer 684 durfte Hanna Sommerer gegen die Chinesin Hu Su Wen und die Japanerinnen Kujrai Kaneko und Sakata Nobuku antreten. Gegen die Chinesin verlor Sommerer, in den beiden anderen Spielen aber ging sie als Siegerin hervor und rückte als Zweite ihrer Gruppe in die Champions League auf. „Das war ein Riesenerfolg für mich. Ich war richtig stolz und habe mich wirklich gefreut, obwohl ich dann in der nächsten Runde ausgeschieden bin“, erinnert sich Sommerer,

Auch im Doppel, das sie mit Elisabeth Heinrichs spielte, war in der ersten K.-o.-Runde der Hauptrunde Schluss. „Aber das ist alles nicht schlimm, denn alleine, dass man hier noch mitspielen kann, ist für jeden Teilnehmer ein Riesenerfolg“, sagt Sommerer. Für sie war es „wieder einmal toll, mit so vielen Gleichgesinnten in der Halle zu sein und an der Platte zu stehen“. Insgesamt nahmen 1665 Sportler an der Weltmeisterschaft in Auckland teil.

Der sportliche Teil ist für die Seniorin wichtig, aber mindestens so spannend findet sie das Rahmenprogramm, das bei den Weltmeisterschaften geboten wird. In Neuseeland besuchte sie subtropische Urwälder, sah Geysire und Wasserfälle und traf auf Maori-Ureinwohner. Noch während sie von ihrer Reise schwärmt, springt die lebhafte Seniorin auf, holt ein Album, in das sie ordentlich Bilder, Prospekte, Informationen über Neuseeland, aber auch ihre Startaufstellungen bei der Tischtennisweltmeisterschaft und Listen ihrer Platzierungen eingeklebt hat. „Solch ein Album mache ich von jeder Reise. Für mich als Erinnerung, aber auch für meine Tochter, meine Söhne und für die Enkelkinder, denen ich dann zeigen kann, wo ich war und was ich gesehen habe.“ Von ihren Erlebnissen erzählt sie gern auch ihren „anderen Kindern“, ihrer Tischtennisfamilie. Denn noch immer ist die 79-Jährige bei der Jugendarbeit der Tischtennisabteilung des TSV Berching aktiv, trainiert jeden Montag und Dienstag mit Kindern und Jugendlichen im Alter von fünf bis 17 Jahren.

„Ich habe selbst schon als Kind mit Tischtennisspielen begonnen“, erinnert sich Hanna Sommerer. Anfangs habe sie natürlich mehr Pingpong gespielt als ernsthaft Tischtennis. „Aber es hat mir so viel Freunde gemacht, dass ich mein Leben lang dabei geblieben bin.“ Ein einfacher Tisch mit einem Besenstil in der Mitte musste damals als Trainingsplatte herhalten, ihre Gegner waren ihre vier Brüder. Beim TSV Berching ist Hanna Sommerer Gründungsmitglied der Tischtennisabteilung, sie war jahrzehntelang Jugendleiterin und ist heute noch mit dem Nachwuchs bei Wettkämpfen in der Umgebung als Betreuerin unterwegs.

Daneben hat die aktive Seniorin weitere Aufgaben übernommen: Sie gibt Kindern Unterrichtsstunden in Englisch und lernt mit Asylbewerberfamilien Deutsch. „So kann ich zum einen helfen und zum anderen bekommt mein Kopf wichtiges Training“, sagt sie.

Jeden Morgen beginnt die Seniorin mit Gymnastikübungen im Bett. Später, bei einer Tasse Kaffee, folgt ihr „Gehirntraining“. Wie das aussieht? Während Hanna Sommerer davon erzählt, springt sie wieder dynamisch auf, holt ihren „Gameboy“, zeigt ein Spiel zur Steigerung der Gedächtnisleistung mit Rechen-, Lese- und Schreibaufgaben. „Erst wenn ich das fertig habe, darf ich als Belohnung das Spiel ,Bazillen vernichten’ spielen“, verrät sie lachend und zeigt mit jugendlicher Begeisterung das entsprechende Computerspiel.

Auf Pläne für die Zukunft will sich die 79-Jährige nicht festlegen. „Das lasse ich alles auf mich zukommen.“ Aber die nächste Europameisterschaft in Finnland 2015 und die Weltmeisterschaft 2016 in Spanien hat sie doch fest im Blick. „Natürlich möchte ich dorthin, wenn es mir gesundheitlich gut geht und es finanziell zu stemmen ist“, sagt sie. Um sich ihre Reisen leisten zu können, verzichtet sie gern auf anderen Luxus. „Es wollte mich sogar schon einmal jemand sponsern“, verrät sie. Das sei zwar ein verlockendes Angebot gewesen, aber sie habe doch leichten Herzens verzichtet: „Ich will unabhängig sein. Wenn mich jemand unterstützen würde, würde ich mich verpflichtet fühlen, besser zu werden, zu gewinnen. Die Meisterschaften und das Reisen sind aber mein Hobby – ohne Druck und ohne Verpflichtungen!“