Ingolstadt
Eine Schanzer Legende tritt ab

28.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:03 Uhr

Die Fans nehmen Abschied: Beim letzten Bundesliga-Spiel des FCI gegen Schalke erhielt Buchner eine eigene Choreografie. - Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Vor 14 Jahren wurde er aufgrund seiner Größe beim MTV Ingolstadt aussortiert, mehrere Verletzungen warfen ihn immer wieder zurück. Dennoch spielte er zwölf Jahre lang für "seinen" Verein - und absolvierte vor zwei Wochen das letzte Spiel für den FC Ingolstadt. Andreas Buchner beendet seine Karriere bei den Schanzern.


 

Es läuft die 59. Minute im Regionalliga-Spiel des FC Ingolstadt II gegen die SpVgg Bayern Hof. Während der Schiedsrichter in seiner Hosentasche kramt, liegt der Spieler mit der Nummer 16 auf dem Boden und krümmt sich. Mit schmerzverzerrtem Gesicht bekommt er nur am Rande mit, wie der Unparteiische die Rote Karte zückt. In diesem Moment sind alle Augen im ESV-Stadion auf eine Person gerichtet: Andreas Buchner wurde gerade rüde von den Beinen geholt. Zwar scheint sich der Flügelflitzer langsam wieder aufzurappeln, die Beteiligten beschleicht dennoch ein ungutes Gefühl. Es ist der Tag, an dem nach zwölf Jahren und 274 Spielen eine Ära in der Ingolstädter Fußballgeschichte endet.

Begonnen hat das Kapitel Fußball in Andreas Buchners Leben etwas abseits der Donaustadt. "Meine allererste Station in der Jugend war der TSV Pförring", erinnert sich der 32-Jährige. Ab der C-Jugend schnürte Buchner seine Fußballschuhe beim MTV Ingolstadt, wo er allerdings nach zweieinhalb Jahren Abschied nehmen musste. Er erklärt: "Leider wurde ich dort aussortiert. Fußballerische Gründe hatte das nicht, vielmehr war ich den Verantwortlichen zu klein." Ein Rückschlag für den 1,68 Meter großen Mittelfeldmann, seinen Willen brechen konnte die Entscheidung aber nicht: "Ich habe nicht aufgegeben und bin zunächst für ein Jahr zum TSV Dietfurt gewechselt, wo ich in der Bezirksoberliga Erfahrung sammelte", so Buchner. Mit guten Leistungen im Altmühltal spielte er sich in der Saison 2004/2005 wieder in den Fokus. Der neu gegründete FC Ingolstadt holte Buchner in die zweite Mannschaft.

Die Möglichkeit "später einmal in der viert- oder gar dritthöchsten Liga zu spielen" habe ihn gereizt. Der damalige Trainer Jürgen Press gab ihm schließlich eine Chance: Schon zur Winterpause holte er den damals 20-Jährigen zu sich in die erste Mannschaft. "Ich habe dann regelmäßig in der Rückrunde gespielt und so meinen Teil zum Aufstieg beigetragen", berichtet Familien-Vater Buchner. Der FC Ingolstadt stieg 2006 erstmals in die damals drittklassige Regionalliga auf. Nach einer soliden ersten Saison war schnell klar, dass der FCI die Chance haben wird, in die Zweite Liga vorzudringen. "Vor der Saison wollten wir uns für die eingleisige dritte Liga qualifizieren, nachdem wir das geschafft hatten, haben wir die Zweite Liga ins Auge gefasst", erinnert sich Buchner - und tatsächlich stand am Ende der Aufstieg in Deutschlands zweithöchste Spielklasse fest.

Den Meilenstein des Vereins bezahlte Buchner in der darauffolgenden Saison teuer: "Ich habe zum Ende der Saison mit einem Beckenbruch gespielt und die Verletzung lange mitgeschleppt", beschreibt der Routinier und erklärt weiter: "Deshalb musste ich in den darauffolgenden Monaten aussetzen."

Zurück auf dem Feld erlebte das Ingolstädter Urgestein einige besondere Momente. Am 4. November kam Buchner zu seinem ersten Zweitliga-Spiel und traf beim 4:0-Sieg gegen den SC Freiburg nur vier Minuten nach seiner Einwechslung zum Endstand. "Viel besser kann man wohl nicht in den Bundesliga-Fußball starten", schmunzelt Buchner. Trotz seines guten Starts stand am Ende der Saison der direkte Abstieg fest. "Wir haben unsere Mannschaft aber zusammengehalten, und auch für mich stand es nie zur Debatte, das Team zu verlassen", erläutert Buchner. Eine Maßnahme, die sich auszahlte: Nur ein Jahr später erreichte der FCI Platz drei und durfte um den erneuten Aufstieg spielen. Der Gegner hieß Hansa Rostock. "Dass eine Saison in zwei Spielen gipfelt, ist ein besonderer Nervenkitzel. Dann den Aufstieg zu feiern machte es unvergesslich." Die Donaustädter setzten sich mit 2:0 und 1:0 gegen die Norddeutschen durch und stiegen zum zweiten Mal in drei Jahren auf. Die Schanzer spielten damit nicht nur wieder in der Zweiten Liga, sie hatten fortan auch ein neues Zuhause. "Im Audi-Sportpark ist alles noch einmal ein bisschen mehr zusammengewachsen. Der Verein, die Fans und auch wir Spieler fühlten uns von Anfang an wohl."

Während sich der Verein im Profifußball etablierte, begannen für Andreas Buchner die schwierigsten Jahre seiner Karriere. Ein Riss des Syndesmosebandes 2011 und eine komplizierte Kreuzbandverletzung 2012 verdonnerten den ehrgeizigen Spieler zum Zuschauen. In der gesamten Spielzeit 2012/2013 reichte es deswegen nur zu sieben Einsätzen in der zweiten Mannschaft. "Mitte 2013 war ich dann wieder fit. Ich konnte vollständig trainieren, meine Athletik war aber einfach nicht mehr so gut", bemerkt Buchner mit Bedauern. Gemeinsam mit den Verantwortlichen stand ein Entschluss fest: Andreas Buchner wird die zweite Mannschaft in der Regionalliga verstärken.

"In der neuen Rolle habe ich mich schnell zurechtgefunden", erinnert sich der 32-Jährige. Zudem grüßte von der Seitenlinie ein Bekannter, der die meisten von Buchners Profi-Spielen an seiner Seite bestritt. "Stefan Leitl war fortan mein Coach, zugleich aber auch ein Freund. Dennoch konnten wir das gut trennen, und ich war sein verlängerter Arm auf dem Spielfeld", beschreibt Buchner die Zusammenarbeit. 99 Spiele sollte der damals 29-jährige Buchner insgesamt für die Reserve des FCI absolvieren und dabei 25 Tore erzielen.

Nun tritt der Mann, der beinahe seit Gründung des Vereins an der Schanz zu Hause war, ab. Ein besonderes Schmankerl hatten die Fans des FCI beim letzten Heimspiel für ihn parat: "Eine eigene Choreographie zu bekommen ist überwältigend. Ich kann den Fans und der Vereinsführung gar nicht genug danken", berichtet Buchner begeistert. Das Privileg, "zwölf Jahre bei einem Verein bleiben zu dürfen", hätten nicht viele Spieler. Deshalb sei er mit seinem Werdegang vollkommen zufrieden, denn "wer weiß, wie es gelaufen wäre, wenn ich damals ein wenig größer gewesen wäre", ergänzt Buchner lachend.

Im Spiel gegen Hof läuft mittlerweile die 62. Minute. Buchner steht und läuft wieder. Eine Verletzung erleidet er dieses Mal nicht, dennoch nimmt ihn Trainer Leitl vom Feld. Während sich die Zuschauer kollektiv erheben und ihren "Buchi" feiern, setzt sich dieser auf die Ersatzbank. "Es ist genau der richtige Zeitpunkt aufzuhören", wird er später sagen. "Wenn ich auf die vergangenen zwölf Jahre zurückblicke, macht mich das stolz. Und wer weiß, vielleicht bleibe ich dem Verein ja noch ein wenig erhalten."