Ingolstadt
"Wir spielen Tischfußball, nicht Kicker"

22.09.2010 | Stand 03.12.2020, 3:39 Uhr

Ingolstadt (DK) In manchen Kneipen gehört er zum Inventar wie das schummrige Licht und die hohen Barstühle. In einem Nebenraum steht er schon seit einer gefühlten Ewigkeit, lange bevor das Rauchverbot in Bayern eingeführt wurde. Das kann man ihm auch ansehen, denn seine Oberfläche ist von Bier- und Brandflecken übersät. Es scheint, als hätte er seine beste Zeit schon lange hinter sich. Doch der Schein trügt.

Der gute alte Kickertisch aus der Eckkneipe ist zum teuren Sportgerät geworden. 1800 Euro kostet so ein offizieller Tisch im Fachhandel, der auch in Ingolstadt immer häufiger zu finden ist. Mit dem Bundesligaaufstieg des TSC Kick’in Ingolstadt Anfang September hat der Tischfußball nun auch in der Region einen Spitzenverein. "Vor allem durch die Fußball-WM 2006 im eigenen Land gab es einen Popularitätsschub. Seitdem entstanden bundesweit neue Tischfußballvereine", erzählt TSC-Spielführer Tobias Danz über die jüngsten Entwicklungen in diesem von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen Sport. Die Gründung des TSC aus dem Zusammenschluss von drei Ingolstädter Gruppen liegt auch erst anderthalb Jahre zurück. Ziel war es, für alle interessierten Spieler einen gemeinsamen Anlaufpunkt in der Kneipe "Monis Weißbiereck" im Ingolstädter Stadtteil Unsernherrn zu schaffen. "Wir sind immer auf der Suche nach neuen Mitgliedern und freuen uns, wenn sich auch Jugendliche für das Spiel begeistern", erklärt Danz: "Normalerweise kommt man beim Weggehen in der Kneipe ins Gespräch mit den anderen Spielern. Wir haben ja auch alle mal so angefangen." Mit dem großen Erfolg rechneten die Spieler damals allerdings nicht, wie Herbert Steinicke verrät: "Wir wollten nur mal eine Mannschaft aus den besten Spielern der jeweiligen Teams machen und schauen, was wir erreichen können. Jetzt, eineinhalb Jahre später, sind wir zweimal aufgestiegen und können nächstes Jahr gegen die besten Spieler Deutschlands antreten. Dass das alles so gut geklappt hat, ist natürlich der Wahnsinn."
 

Im Sportzentrum Kevelaer (Nähe Düsseldorf) sicherte sich der TSC am Finalwochenende einen der begehrten drei Aufstiegsplätze. Insgesamt 24 Teams kämpften um die Spielberechtigung für die Erste Bundesliga. Bis zum Halbfinale lief es rund für die Schanzer.

Dort konnten sich die Red Bulls aus Werne aber nach spannendem Spielverlauf im letzten Doppel denkbar knapp mit insgesamt 17:15 durchsetzen. Im folgenden Spiel um den letzten Aufstiegsplatz konnten sich alle Spieler aus Ingolstadt aber nochmals steigern und fegten die Soccer Pirates Borscheid mit 26:6 regelrecht vom Tisch. Die Freude war riesig bei den insgesamt 16 Mitgereisten. " Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich an die Stimmung denke", erinnert sich Steinicke, der als zehntbester Einzelspieler der Liga seinen Teil zum Aufstieg beigetragen hat.

Fast der halbe TSC war in Kevelaer dabei, um den größten Erfolg der jungen Vereinsgeschichte zu feiern. Das Alter aller Spieler im Verein reicht von 16 bis 44 Jahren, doch "auch mit 60 Jahren ist es kein Problem, noch richtig gut Tischfußball zu spielen", versichert Andreas Hauptmann und stellt gleichzeitig klar: "Wir spielen Tischfußball, nicht Kicker."

Der TSC-Spieler war 2000 an der Gründung der ersten Verbände in Südbayern beteiligt und tritt dafür ein, dass der Tischfußballsport in den offiziellen Kanon des Deutschen Olympischen Sport-Bunds (DOSB) aufgenommen wird. Dabei ist er zuversichtlich, dass dieses Ziel in nicht allzu weiter Ferne liegt: "Wir sind auf einem guten Weg, die Kriterien des DOSB zu erfüllen." Unter dem Dach des DTFB (Deutscher Tischfußball-Bund) entstanden in den vergangenen Jahren viele weitere Landesverbände von Kiel bis Passau. Dazu gelten die Regelungen von der ITSF (International Table Soccer Federation) einheitlich bis in die untersten Spielklassen hinein. Mittlerweile gibt es fünf DTFB-Ligen, von Erster Bundesliga bis zur Bezirksliga.

Obwohl dort auch viele Damen an den Start gehen, wurde in dieser Saison die erste Frauen-Bundesliga ins Leben gerufen. Wegen dem großen Erfolg soll im Sommer 2011 noch die Junioren-Bundesliga folgen. In Bayern existieren mittlerweile 50 Vereine, davon spielen mit Passau, München, Vilsbiburg und Kulmbach vier weitere in der höchsten deutschen Spielklasse. Es gibt schon 700 aktive bayerische Spieler und die Zuwachsrate liegt bei etwa zehn Prozent pro Jahr. Vorbild sind Nationen wie Frankreich, Belgien oder die USA. In diesen Ländern hat das Spiel schon den Schritt zur offiziellen Anerkennung vom nationalen Sportverband geschafft. Doch auch dort können die wenigsten von diesem Sport leben.

Frederic Collignon bildet die Ausnahme. Der Belgier verdient seinen Lebensunterhalt vor allem mit Preis- und Sponsorengeldern auf den hochdotierten amerikanischen Turnieren. Da die ITSF Tische von fünf verschiedenen Herstellern bei offiziellen Turnieren zulässt, ist der 35-jährige einer von wenigen Spielern, die sowohl in Europa als auch in Amerika Erfolg haben. Nur wenige haben so eine gute Anpassungsfähigkeit an die verschiedenen Tische und können in dem Maß antizipieren, was ihr Gegner als nächstes vorhat.

Basis dafür ist neben Talent die Trainingsarbeit. Die drei Teams des TSC üben zweimal in der Woche drei Stunden in Unsernherrn. Doch dabei geht es recht locker zu, meint Danz: "Bei uns wird in erster Linie gespielt. Klar muss jeder hin und wieder an seiner Technik feilen. Aber alles in allem haben wir eine gute Mischung aus Spaß und Ernst, nur wenn es um die Aufstellung für den nächsten Spieltag geht, wird es ganz schnell ruhig am Tisch."

Denn ohne hundertprozentige Konzentration geht es beim Tischfußball nicht, sonst kann man auch am alten Kickertisch in der Kneipe bleiben.