Ingolstadt
Rückkehr eines Pioniers

Ex-ERC-Torwart John Bruce besucht frühere Teamgefährten und geht an der Jahnstraße schwimmen

12.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr

Foto: Ritchie Herbert

Ingolstadt (DK) Der Zeitpunkt war höchst unglücklich. Ausgerechnet in einer Woche, in der der ERC Ingolstadt spielfrei war, kam der einstige Panther-Torwart John Bruce auf eine Stippvisite in die Schanz. Der Kanadier trug von 1978 bis 1981 das ERC-Trikot und wurde mit den Panthern Deutscher Regionalliga-Meister.

Ingolstadt (DK) Der Zeitpunkt für einen Besuch war höchst unglücklich gewählt. Ausgerechnet in einer Woche, in der der ERC Ingolstadt spielfrei war, kam der einstige Panther-Torwart John Bruce auf eine Stippvisite in die Schanz. Der Kanadier trug von 1978 bis 1981 das ERC-Trikot und wurde mit den Panthern Deutscher Regionalliga-Meister.

 

Der pensionierte Sportlehrer aus Petersborough - die 80 000-Einwohner-Stadt liegt 80 Kilometer östlich von Toronto - war über die verpasste Gelegenheit, ein Play-off-Spiel des ERC in der Deutschen Eishockey-Liga zu sehen, aber nicht sonderlich traurig. "So weit ich weiß, war Ingolstadt zweimal Deutscher Meister: 1979 und 2014", sagt der eloquente 65-Jährige in perfektem Deutsch. "Aber die Jungs, mit denen ich hier saufen gehe, waren die Pioniere. Das sollte niemand vergessen", meint Bruce mit einem verschmitzten Lachen.

Fast 39 Jahre ist es her, dass Bruce diese Sternstunde im damaligen Anfangsstadium des Eishockeybooms in Ingolstadt miterlebte. Die Panther gewannen als Aufsteiger in der Saison 1978/79 18 von 22 Spielen in der Regionalliga Süd und machten somit den Durchmarsch von der Bayernliga in die Oberliga Süd perfekt. Dazu feierten sie in zwei Finalspielen (5:1 und 2:3) gegen den EHC Krefeld, den Tabellenersten der Regionalliga West, die Deutsche Regionalliga-Meisterschaft. Nach einer durchzechten Nacht auf der Busfahrt in die Heimat ging die spontane Feier mit einigen Hundert Fans weiter. Später folgten ein Empfang im Rathaus und ein einwöchiger Meistertrip des Teams nach Rom. "Ingolstadt war ohne Frage der Höhepunkt meiner Eishockey-Karriere", sagt Bruce, der jetzt bei einem Treffen mit den damaligen Mitspielern Erinnerungen auffrischte.

"Es war eine Traumsaison", bestätigt auch Erich Tunk, bei dem Bruce in den vergangenen Tagen wohnte. "Dabei haben wir im ersten Vorbereitungsspiel in Burgau schon die Hände über den Kopf geschlagen, als John die ersten drei Schüsse passieren ließ und wir schnell 0:3 zurücklagen. Aber dann haben wir doch noch 5:3 gewonnen, trotz dieses Torwarts", frotzelt der einstige Weggefährte und frühere Kapitän.

Mit dem Profi-Sport von heute hatte dies freilich nichts zu tun. "Für mich war das alles ein großes Abenteuer. Ich habe nie daran gedacht, mit dem Eishockey Geld zu verdienen", erzählt Bruce von den Anfängen. Als Student versuchte er 1975 sein Glück in Schweden und fand in Visby auf Gotland tatsächlich einen Verein, der ihn unter Vertrag nahm. Aber nach einem schweren Autounfall, bei dem ihm Sehnen an der rechten Hand durchtrennt wurden, war sein Engagement bereits nach dem ersten Punktspiel beendet.

Der Traum, in Europa zu spielen, ließ den Kanadier aber nicht los. Die Hand heilte besser als erwartet, und 1977 kam Bruce beim EV Ravensburg unter. Die Liebe führte ihn ein Jahr später dann zum ERC. "Ich hatte eine Freundin aus Selb, und um näher bei ihr zu sein, habe ich dann einen Brief an den ERC geschrieben und mich beworben", erzählt Bruce. Nach einem Treffen mit Abteilungsleiter Erich Tunk senior war alles geklärt. Bruce spielte drei Jahre für die Panther - die Romanze hielt nicht so lange. Später war der Torwart noch als Spielertrainer beim EHC Netphen im Siegerland tätig, ehe er in seiner Heimat die Lehrerstelle an einem Gymnasium antrat.

Fast 40 Jahre später war für den Kanadier deshalb klar, wohin ihn sein erster Weg führt: zum alten Stadion an der Jahnstraße. "Mich hat es wie einen Lachs zu meinem Ursprung hingezogen. Ich habe nach der Ankunft in München ein Auto gemietet und bin sofort zum Stadion gefahren, ich wusste ja nicht, dass dort jetzt ein Schwimmbad steht. Aber ich hatte meine Badehose im Koffer und bin dann gleich eine Runde schwimmen gegangen. Das Bad ist sehr schön geworden", sagt Bruce.

Die Leidenschaft zum Eishockey hat den Sportlehrer nie losgelassen. Trotz einer künstlichen Hüfte stand er noch bis vor zwei Jahren im Tor einer AH-Mannschaft. Außerdem organisierte er 20 Jahre lang in den März-Ferien einen Wochentrip nach Europa, um dort mit einer Schulmannschaft gegen andere Teams zu spielen. "Das waren wunderbare Erlebnisse für die Jungs und auch für mich. Wir waren in Deutschland, Frankreich, Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei", sagt Bruce.

Nun, nach seiner Pensionierung, hat er Zeit, mit der Familie auf Europa-Tournee zu gehen. Sein persönlicher Nostalgie-Trip nach Ingolstadt war quasi der Auftakt dazu. Seine Frau, je drei Stief-Söhne und - Enkel kamen einige Tage später nach. Dann reiste der Familien-Clan nach Garmisch, Prag und Amsterdam.

Den schönen Abend mit den ehemaligen Kameraden wird er ebenso in Erinnerung behalten wie seine aktive Zeit, der er auch die erstaunlichen Sprachkenntnisse verdankt. "Mein Klassenzimmer war die Spielerkabine. So habe ich Deutsch gelernt. Es war wirklich etwas Besonderes, unter lauter Einheimischen zu sein." So viel Deutsch wie damals wird in der ERC-Spielerkabine jedenfalls längst nicht mehr gesprochen.