Ingolstadt
Ein Leben für den Sport

18.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:37 Uhr

Eishockeyspielerin Andrea Lanzl ist eine feste Größe in der Bundesliga-Mannschaft des ERC Ingolstadt und der DEB-Auswahl. Seit 2005 ist die 29-Jährige Sportsoldatin. Ein großes Privileg - aber hin und wieder auch eine große Herausforderung.

Ingolstadt (DK) Beachvolleyballerin Kira Walkenhorst, Turner Marcel Nguyen und Eishockeyspielerin Andrea Lanzl - sie alle gehören in ihren Sportarten zu den Besten des Landes. Walkenhorst gewann zusammen mit Laura Ludwig 2016 in Rio de Janeiro Olympia-Gold und vor Kurzem die Weltmeisterschaft in Wien. Nguyen holte Doppelsilber bei Olympia 2012 in London. Lanzl wiederum spielte bereits über 270-mal für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft und ist sowohl bei ihrem Verein, dem ERC Ingolstadt, als auch in der Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) Leistungsträgerin und Führungsspielerin. Das Trio verbindet aber noch etwas anderes: Alle drei sind Sportsoldaten.

Die gebürtige Starnbergerin Lanzl entdeckte früh ihre Liebe zum Eishockey. Bereits im jungen Alter von drei Jahren begann sie beim TuS Geretsried mit dem Schlittschuhlaufen. "Seitdem stehe ich auf dem Eis", erinnert sich Lanzl. Mit 17 Jahren wurde sie erstmals Deutscher Meister mit dem EC Bergkamen, nach ihrem Debüt für die Nationalmannschaft im Jahr 2003 blickt sie heute auf zwei Olympia-Teilnahmen zurück. Doch das Eishockeyspielen zum Beruf zu machen ist für Frauen in Deutschland nahezu unmöglich - selbst für Top-Akteurinnen wie Lanzl. Deswegen gehen die meisten Spielerinnen einem "gewöhnlichen" Beruf nach, bevor dann nach Feierabend die Trainingseinheiten bei ihren Klubs anstehen.

Für Lanzl hingegen sieht ein normaler Tag in ihrem Leben dennoch etwas anders aus als der vieler Kolleginnen: Sie beginnt vormittags mit einer Sporteinheit, am Nachmittag bleibt Zeit für Physiotherapie oder Entspannung, bevor sie abends mit ihren Mitspielerinnen trainiert. Es sind die Vorzüge, die Lanzl als Sportsoldatin genießt. Im Jahr 2005 erhielt sie von einem damaligen Trainer aus dem Stab der Nationalmannschaft das Angebot für einen der begehrten Plätze in der Sportfördergruppe der Bundeswehr (siehe unten). Sportsoldaten erhalten wie jeder andere Soldat vom Staat ihren Sold, Lanzl kann sich daher voll und ganz auf das Eishockeyspielen konzentrieren. "Es ist ein Privileg, meine große Leidenschaft, den Sport, ausüben zu dürfen und jeden Tag mit Freude zu bestreiten", sagt die 29-Jährige.

Die Laufbahn eines Sportsoldaten bei der Bundeswehr ist eine besondere. Dennoch gibt es während der Ausbildung Gemeinsamkeiten mit Soldaten aus anderen Abteilungen. So müssen auch Sportsoldaten diverse Tests durchlaufen und militärische Lehrgänge absolvieren. Lanzl beispielsweise hat den Rang des Feldwebels und befindet sich auf dem Weg zum Oberfeldwebel. Darüber hinaus müssen Sportsoldaten einen Übungsleiter- und Trainerschein für den Breitensport erwerben. Die Lehrgänge finden meist im Sommer statt, nach Abschluss der Eishockey-Saison.

Lanzl hat bereits alle nötigen Prüfungen absolviert und bestanden. Das Besondere an der Bundeswehr ist für sie aber "die Kameradschaft in der Truppe. Ich habe viele Menschen aus anderen Bereichen und Sportarten kennengelernt. Daraus sind viele Freundschaften entstanden", sagt Lanzl.

Dennoch: Bei manchen ihrer Kameraden hätten Sportsoldaten manchmal einen etwas schwereren Stand, berichtet sie. Zwar werde man akzeptiert, "aber auch belächelt", beschreibt die 29-Jährige. So würde beispielsweise infrage gestellt, ob Sportsoldaten überhaupt "richtige Soldaten" - oder einfach nur zum Sporttreiben bei der Bundeswehr seien. Viele Sportsoldaten müssen und können aus Trainingsgründen zudem nicht in der Kaserne leben. Lanzl wiederum sagt: "Sportsoldaten haben lediglich einen anderen Auftrag als Gebirgspioniere oder Flieger. Unsere Aufgabe ist es, Deutschland im Spitzensport zu repräsentieren."

Den Anschluss an die Weltspitze des Sports nicht zu verlieren war eines der Hauptziele der Bundesregierung, als die Sportfördergruppen der Bundeswehr Anfang der 70er-Jahre gegründet wurden. Am Ende jedes Tages sei sie dann auch "stolz, bei der Bundeswehr zu sein", sagt Lanzl. "Die Soldaten aus den Sportfördergruppen erzielen kontinuierlich gute Platzierungen. Natürlich verdiene ich im Vergleich zu einem männlichen Top-Eishockeyspieler wesentlich weniger. Aber ich gehe jeden Tag ohne Sorgen und dankbar ins Bett. Ich bin kein Profisportler, ich bin Sportsoldat."

In der Eishockey-Nationalmannschaft ist Andrea Lanzl längst nicht die einzige Sportsoldatin: Ungefähr die Hälfte des Kaders verfolgt eine Laufbahn bei der Bundeswehr. Bei Lanzls Stammverein in Ingolstadt hingegen ist die 29-Jährige eine Ausnahme. Ihre Mitspielerinnen studieren oder gehen einem regulären Beruf nach. Auch weil Lanzl eben das nicht muss, konnte sie sich am Ende der vergangenen Saison noch einen persönlichen Traum erfüllen: Sie spielte für vier Wochen beim schwedischen Verein Linköpings HC und bestritt dort die Play-off-Runde. Lanzl hegte schon lange den Wunsch, einmal im Ausland zu spielen. Am Ende war das kurze Gastspiel in Schweden für sie dann auch durchaus erfolgreich. Mit der schwedischen Mannschaft drang die Starnbergerin bis ins Halbfinale der Meisterschaftsrunde vor.

Nun will Lanzl auch mit ihrem Stammverein, dem ERC Ingolstadt, wieder eine erfolgreiche Saison spielen. Seit Anfang August schwitzt das Team von Trainer Christian Sohlmann bereits in der Vorbereitung. Im September kommt es im EWL-Supercup zu ersten Standortbestimmungen. Zum Saisonauftakt in der Deutschen Frauen-Eishockey-Liga (DFEL) stehen danach gleich am ersten Spieltag zwei Duelle mit dem Erzrivalen ESC Planegg auf dem Plan. Dennoch hat die 29-Jährige für die kommende Spielzeit ein klares Ziel: "Nachdem wir in den vergangenen Jahren einmal Zweiter und zweimal Dritter in der Bundesliga wurden, wollen wir in der kommenden Saison endlich Meister werden."

Auch für die Zeit nach ihrer aktiven Karriere hat Lanzl bereits Pläne. "Ich möchte noch mindestens zwei Jahre auf Top-Niveau Eishockey spielen und bei der Bundeswehr bleiben. Danach werde ich in die normale Berufswelt einsteigen. Welche Richtung ich genau einschlagen werde, weiß ich noch nicht. Aber auch hier hat die Bundeswehr mit dem Berufsförderungsdienst eine Einrichtung, die unterstützt." Aktuell widmet sich Lanzl aber zunächst hundertprozentig dem, was sie am liebsten tut: Eishockeyspielen.