Miami
Der amerikanische Traum

Der Ingolstädter Fußballer Frank Lustig lebt und trainiert dank eines Sportstipendiums in den USA. In Miami will er sich mit seinem Team den Traum von der Uni-Meisterschaft erfüllen.

23.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:16 Uhr

Haben gemeinsam Großes vor: Die Fußballmannschaft der Barry University aus der US-Küstenstadt Miami will die nationale Meisterschaft gewinnen. Seit drei Jahren gehört auch der gebürtige Ingolstädter Frank Lustig (Mitte, Nummer 10) zum Team. Der 24-Jährige lebt dank eines Stipendiums in den USA. - Foto: Auerbach

Miami/Ingolstadt (DK) Palmen, weiße Strände, strahlender Sonnenschein und ein pulsierendes Nachtleben - die US-amerikanische Küstenstadt Miami im Bundesstaat Florida gilt als Paradies. Der Ingolstädter Fußballer Frank Lustig ist mittendrin - und lebt seinen Traum.

Der Schlusspfiff ertönt. Schweißüberströmt und erschöpft, aber überglücklich liegen sich die Spieler in den Armen. In ihrer Mitte: der Ingolstädter Frank Lustig, jubelnd im Kreis seiner Mannschaftskameraden. So weit nichts Ungewöhnliches. Allerdings: Diese Szenen spielen sich etwa 8000 Kilometer von der Donaustadt entfernt ab. Genauer: In der US-Metropole Miami im Bundesstaat Florida.

Seit drei Jahren lebt der 24-jährige Ingolstädter in den USA. "Ich wohne da, wo andere Urlaub machen", sagt er mit einem Schmunzeln. Der Grund für den Umzug von Ingolstadt nach Miami: seine Leidenschaft für den Fußball. Lustig hatte das große Glück, ein Sportstipendium zu ergattern, welches ihm sowohl einen Studienplatz in den USA als auch die Möglichkeit eröffnete, für seine Universität Fußball zu spielen.

Ihren Ursprung nahm Lustigs Geschichte ebenfalls jenseits der deutschen Landesgrenzen, im französischen Nizza. Dort absolvierte Michael Angermüller, heute beim TSV Etting in der Kreisliga am Ball, ein Auslandssemester. "Wir sind sehr gute Freunde, und ich habe Michi dann nach meinem Abitur in Nizza besucht", erinnert sich Lustig, der seinerzeit in der Regionalliga beim TSV Rain kickte. "Ich war sofort fasziniert davon, im Ausland zu studieren." Gemeinsam begannen die beiden jungen Fußballer, im Internet zu recherchieren - mit Erfolg: "Wir haben einige Agenturen gefunden, die sich auf Sportstipendien spezialisiert haben. Ich habe mein Glück einfach versucht und ein paar Bewerbungen mit einem Steckbrief meines fußballerischen Werdegangs verschickt", sagt Lustig.

Kurz darauf erhielt der damals 21-Jährige eine Einladung für ein Sichtungstraining in Münster. "Dort spielten dann alle Kandidaten vor 50 Trainern vor. Ich hatte einen sehr guten Tag erwischt, überzeugte die Coaches und bekam das Stipendium. Ich durfte mir dann mehr oder weniger aussuchen, in welchen Staat und welche Stadt ich wollte. Miami hat sich einfach am spannendsten angehört." Lustig entschied sich für die Barry University in der US-Küstenstadt. Für ein Jahr verlangt die Privatuniversität 40 000 Euro. "Die Kosten werden komplett übernommen für vier Jahre. Ohne das Stipendium könnte ich mir das nie im Leben leisten", sagt er.

Im August 2014 stieg Lustig dann in den Flieger in Richtung USA. "Die ersten Tage waren tatsächlich schwer. Die Familie hat bei uns zu Hause immer eine sehr große Rolle gespielt. Es war schon hart, so weit weg von ihr zu sein." Mittlerweile aber hat sich der 24-Jährige eingelebt - und fühlt sich in seiner neuen Heimat pudelwohl. "Ich könnte mir auch vorstellen, für immer hier zu bleiben", sagt Lustig. "Die Stadt, das Klima - alles ist perfekt." Auch das Nachtleben sei mit dem in seiner Heimat Deutschland kaum zu vergleichen. "Alles hier ist größer und spektakulärer. Manche Clubs haben rund um die Uhr geöffnet. Und auch die Geschäfte schließen erst spät am Abend, das ist wirklich praktisch."

Allzu viel gefeiert hat Lustig bisher aber nicht, denn sein Alltag wird vom Studium bestimmt - und vor allem: vom Fußball. Vier bis fünf intensive Trainingseinheiten stehen pro Woche auf dem Programm. Vormittags besucht Lustig Seminare und Vorlesungen der Finanzwissenschaften, nachmittags schnürt er gemeinsam mit seinen Teamkameraden die Fußballschuhe. "Es ist schon sehr anstrengend. Es ist nicht wie in Deutschland, wo am Ende eines Semesters eine Prüfungszeit ansteht. In den USA hast du jede Woche einen Test oder verschiedene Arbeiten, die du einreichen musst. Der Durchschnitt ergibt am Ende des Semesters die Endnote. Das kommt mir persönlich eher entgegen", sagt Lustig. Zumal dies auch besser mit dem Fußballtraining zu vereinbaren sei.

Die Mannschaft der Barry University ist ein "bunter Haufen", wie Lustig sagt. Neben lediglich sechs US-Amerikanern gehören zahlreiche weitere Stipendiaten und Austauschstudenten aus Europa und Südamerika zum Team. "Wir haben sechs Jungs aus England und weitere sechs aus Deutschland. Dazu kommen noch Jungs beispielsweise aus Venezuela, Honduras und Kolumbien", sagt Lustig. "Wirklich richtig gute Spieler. Wir haben insgesamt einen guten Mix aus Strategen und Straßenkickern."

Ohnehin habe sich der Fußball in den USA in den vergangenen Jahren enorm entwickelt, meint der 24-Jährige. "Die Leute machen sich ja gern einen Spaß daraus und meinen, dass die US-Amerikaner nicht kicken könnten. Aber da liegen sie komplett falsch. Die besten Universitätsteams würden in der Bayernliga um den Aufstieg mitspielen", sagt Lustig. "Das Tempo hier ist enorm, läuferisch und physisch ist das eine komplett andere Hausnummer." Natürlich gebe es aber Unterschiede zwischen den einheimischen und den ausländischen Spielern. "Die Jungs von hier haben nicht die technische oder taktische Ausbildung, die ich in Deutschland genießen durfte. Das machen sie mit Fitness und Leidenschaft aber wieder wett."

Im Training gehe es entsprechend zur Sache. "Athletisch habe ich einen großen Schritt nach vorn gemacht", sagt Lustig. "Wenn du unter den klimatischen Bedingungen hier gespielt hast und dann wieder nach Deutschland kommst, tust du dich viel leichter, was Ausdauer angeht." Auch nach Saisonende sowie in der Vorbereitung schuftet die Mannschaft nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch mehrmals gemeinsam im Fitnessstudio. "Man wird körperlich einfach unglaublich stark und stabil", sagt Lustig, der von den Trainern überwiegend im zentralen defensiven Mittelfeld eingesetzt wird.

Gemeinsam mit seinem Team hat er ein großes Ziel: "Wir wollen die nationale Meisterschaft gewinnen." Der Weg zum Titel ist allerdings beschwerlich. Zunächst spielen neun Universitätsmannschaften aus dem Bundesstaat im Ligensystem gegeneinander. Anschließend ermitteln die ersten sechs Teams im Turniermodus die zwei besten Mannschaften. Für diese geht es dann weiter bei einem Turnier, bei dem die 16 besten Universitätsmannschaften der gesamten USA gegeneinander antreten und ihren Champion ermitteln.

Nach sechs Saisonspielen ist die Barry University noch ungeschlagen, holte die maximale Punkteausbeute. Lustig spielte immer, erzielte bisher ein Tor und legte drei Treffer auf. Allerdings waren die ersten fünf Spiele sogenannte "Regionals", Partien von zweitrangiger Bedeutung. Am vergangenen Wochenende stand für Lustig und sein Team der erste wirkliche Gradmesser an, als es erstmals gegen einen direkten Ligakonkurrenten ging. Mit 3:0 behielt Barry am Ende gegen die Lynn University aus dem 40 Minuten entfernten Boca die Oberhand. "Es war ein wahnsinnig intensives Spiel, wir hatten anfangs etwas Glück, aber am Ende verdient gewonnen", berichtet Lustig. "Lynn hat die nationale Meisterschaft in den vergangenen fünf Jahren zweimal geholt, sie zu schlagen war ein richtig großer und wichtiger Sieg für uns." Bereits an diesem Samstag wartet mit der St. Leo University aus Miami Shores die nächste schwere Aufgabe in der Liga.

Die Saison und auch der Universitätsbetrieb machen im Dezember eine kurze Pause. Dann wird Lustig wie jedes Jahr in seine Heimat fliegen und mit seiner Familie Weihnachten feiern. Wenn der 24-Jährige in Deutschland ist, hält er sich beim Bezirksligisten SV Manching fit. "Meine sehr guten Freunde Bernd Geiß und Kryspin Bielicz spielen dort, meinen Spielerpass habe ich da auch noch." An seine letzte Partie im Manchinger Dress erinnert er sich allerdings nur ungern. Es war die 1:3-Niederlage im Relegationsrückspiel gegen den SC Kirchheim Ende Mai dieses Jahres - danach war der Abstieg des SVM aus der Landesliga besiegelt. "Aktuell läuft es ja ganz gut bei den Jungs", sagt Lustig, der natürlich verfolgt, wie sich seine Manchinger Kameraden in der Bezirksliga schlagen.

Der 24-Jährige hat seinen Traum vom Fußballprofi noch nicht aufgegeben. "Ich wollte schon als kleines Kind Fußballer werden. Ich weiß, dass den Sprung in meinem Alter nur noch sehr wenige schaffen, da bin ich realistisch. Falls es aber doch noch klappt, wäre ich natürlich überglücklich." Mit seinem Studium verfolgt Lustig allerdings bereits einen Plan B. "Zumal der Fußball mir auch so schon viele Türen geöffnet und unzählige schöne Momente beschert hat." Unter anderem schaut Nationaltrainer Jürgen Klinsmann öfters vorbei, weil die US-Auswahl gelegentlich auf dem Universitätsgelände trainiert. Zuletzt war Brasiliens Legende Ronaldo zu Gast. "Manchmal", sagt Lustig, "muss ich mich wirklich kneifen."