Hohenwart
Das halbe Dutzend ist voll

Hohenwarter Triathletin Nicole Bretting erweitert ihre Trophäensammlung um den sechsten EM-Titel

22.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

Auf den letzten Metern vor dem Ziel: Nicole Bretting gewann vor wenigen Tagen in Frankfurt den mittlerweile sechsten EM-Titel in ihrer Karriere. - Foto: R. Bretting

Hohenwart (DK) Die Titelsammlung von Nicole Bretting wird immer beeindruckender. Inzwischen darf sich die Triathletin aus Hohenwart als sechsfache Europameisterin bezeichnen - dank eines ungefährdeten Triumphes gerade erst in Frankfurt. Ihr Erfolgshunger ist aber noch lange nicht gestillt.

Eine neue Bestzeit sollte in Frankfurt her. Irgendetwas an die 9:35 Stunden wäre toll, vielleicht sogar ein paar Sekunden darunter. Dass Bretting quasi im Vorbeigehen auch wieder Europameisterin in ihrer Altersklasse W 40 werden würde - eigentlich gab's schon vor dem Start keine Zweifel daran. Zumindest bei den Experten. Nur die Hohenwarterin (Landkreis Pfaffenhofen) wollte es nicht ganz so optimistisch formulieren - weil sie stets großen Respekt vor ihren Kontrahentinnen hat.

In aller Früh, bereits um 5.15 Uhr ging's los - per Shuttlebus zum Langener Waldsee. Ihn kennt die Hohenwarterin bestens, bereits in den Vorjahren war er ihr fast schon ein bisschen ans Herz gewachsen. Und heuer? Ebenfalls alles gut. Keine nervigen Positionskämpfe auf den ersten Metern der 3,8 Kilometer langen Strecke - genau so hatte es sich die 44-Jährige erhofft. Nach 1:02 Stunden war's dann geschafft - eine gute Zeit für ihre Verhältnisse. Die eigentliche Horrordisziplin hatte sie mit Bravour erledigt. Oder wie es Bretting ausdrückt: "Bis dahin war ich völlig zufrieden mit dem Erreichten."

Unzufrieden hingegen war sie mit dem Job, den die Meteorologen zuvor verrichtet hatten. Deren Vorhersage für den Wettkampftag in Frankfurt: wenig Wind, 20 bis 25 Grad Celsius. Von einem Sommertag war in der Mainmetropole allerdings wenig zu spüren. Stattdessen pfiff eine kalte Brise. "Ich war tatsächlich froh um alles, was ich an dem Tag anhatte", erzählt sie lächelnd.

Im Rennen war's ihr noch nicht danach. Auf der ersten Hälfte der 180-Kilometer-Radstrecke habe sie sich zwar "superwohl gefühlt" - zumal Ehemann Reinhard ihr zwischenzeitlich zu verstehen gegeben hatte, dass auch in Sachen Platzierung alles nach Wunsch lief. Auf den zweiten 90 Kilometern schien sie allerdings beinahe die Lust zu verlieren. Wegen der vergleichsweise niedrigen Temperaturen um die 17 Grad vernachlässigte sie die Verpflegung. "Ein böser Anfängerfehler von mir, der sich anschließend böse rächte", gibt die 44-Jährige zu.

Aber Bretting kämpfte sich aus diesem Tal wieder heraus. Nach 5:11:31 Stunden stellte sie das Rad wieder ab. "Für die Wetterverhältnisse doch gar nicht so übel", sagt sie schmunzelnd - und untertreibt damit gnadenlos. Zum Vergleich: Die Zweitschnellste in ihrer Altersklasse W 40, Ines Günnewig (Oelde), benötigte 12:31 Minuten mehr.

Aber nicht nur, dass die Seriensiegerin schnell in ihrer Lieblingsdisziplin unterwegs war - sie tat es auch schmerzfrei. Seit dem Herbst 2015 hatte Bretting immer wieder mit Problemen am rechten Fuß zu kämpfen. "Bei Belastung schwoll er an, es kam regelmäßig zu Nervenentzündungen", berichtet sie. "Das Ganze hat sich seit dem Ironman auf Hawaii im Oktober leider nie richtig beruhigt und ging sogar so weit, dass ich im Winter phasenweise komplettes Radverbot hatte." In Frankfurt behalf sie sich deshalb mit neuen Einlegesohlen - ohne sie zuvor ausgiebig getestet zu haben. "Ich ging bei dieser EM volles Risiko, und es hat sich ausgezahlt."

Wobei sich beim abschließenden Marathonlauf der Fuß doch noch meldete. "Aber das kam nicht überraschend. Ich wusste, dass dies passieren würde - nur aufgrund der neuen Sohlen schob sich der Zeitpunkt eben deutlich nach hinten", erzählt Bretting. Ihr großes Ziel in Frankfurt, die 42,195 Kilometer in rund 3:30 Stunden zurückzulegen, ging trotzdem schief - weil zu den Beschwerden am Fußballen eben auch noch die Probleme wegen der ungenügenden Verpflegung dazukamen. Der Regen, der zwischenzeitlich in der Mainmetropole fiel, sowie der fehlende Druck durch die Konkurrentinnen taten ihr Übriges, dass die Hohenwarterin eher gemäßigt nach 3:43:21 Stunden für den Marathon und insgesamt nach 10:04:00 Stunden ins Ziel lief.

Die zweitplatzierte Günnewig überquerte 9:48 Minuten später die Ziellinie. Susanne Harz (Speyer) landete mit 20:34 Minuten auf dem dritten Rang. Bretting sicherte sich also wieder einmal in souveräner Manier den Titel. Aber da war eben noch diese Sache mit der Bestmarke. Mit den 9:35 Stunden, die sie eigentlich in Frankfurt knacken wollte. Fast eine halbe Stunde rauschte die Hohenwarterin letztlich daran vorbei.

"Was ich beim Schwimmen und mit dem Rad bei dieser Europameisterschaft leistete, war trotzdem in Ordnung", betont sie. "Nur mein Auftritt beim Laufen wurmt mich schon ein bisschen. Um einen persönlichen Rekord für mich aufzustellen, hätte wirklich alles perfekt sein müssen - also auch das Wetter." Durch den erneuten Triumph in Frankfurt ist die Ironman-Weltmeisterin von 2014 erneut für den Wettkampf auf Hawaii (8. Oktober) qualifiziert - zum insgesamt siebten Mal.

Aktuell ist für die Hohenwarterin erst einmal Regeneration angesagt, der lädierte Fuß soll sich von den EM-Strapazen erholen. "Ihm geht's schon wieder sehr gut", verrät sie - ein Stück weit erleichtert und auch bereits mit einer Portion Vorfreude auf das, was sie ab dem 10. August vorhat. Dann nämlich geht Bretting gemeinsam mit Heike Priess (Dietramszell) beim "Race around Austria" an den Start - bei jener Extremradsportveranstaltung, bei der die Sportler einmal rund um Österreich strampeln müssen. Rund 2200 Kilometer ist die Strecke lang, zudem sind etwa 30 000 Höhenmeter zu überwinden - wodurch die Veranstaltung als das härteste Radrennen Europas gilt.

"So etwas habe ich bislang noch nie gemacht, und ich habe einen Heidenrespekt davor", gibt Bretting zu. "Aber das Ganze ist für mich eine tolle Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln sowie zu lernen." Zu lernen für das legendäre "Race across America", das die Hohenwarterin mit Priess, Mona Dietl (Freising) und Christine Waitz (Roth) weiter bestreiten will. Zu einem Start heuer hat es ja nicht ganz gereicht. "Aber 2017 soll es definitiv klappen."