Hilpoltstein
Große Gefühle und ein Stromausfall

Vor dem ersten Startschuss geraten Athleten ins Philosophieren und Organisatoren in Stress

09.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:49 Uhr

Nach dem Stromausfall in der ersten Wechselzone behält der zuständige Wettkampfleiter Werner Crusius die Ruhe. Die vielen Athleten, die Selfies mit ihrem Handy schießen, bekommen von dem Ausfall wenig mit. Andere richten derweil ihre Frisur - oder haben sich die Startnummer gleich auf den kahlen Kopf geklebt. - Fotos: Münch

Hilpoltstein (HK) Der Challenge-Triathlon ist nichts für Langschläfer. Denn nur wer schon den Schwimmstart um 6.30 Uhr miterlebt, bekommt eine Ahnung davon, wie viel dieser Wettkampf den Sportlern bedeutet. In den letzten Momenten der Ruhe vor dem großen Sturm steckte gestern aber auch so viel Aufregung wie lange Zeit nicht mehr.

Der höchste sportliche Feiertag im Triathlon-Landkreis Roth beginnt am frühen Sonntagmorgen mit einer besonderen Prozession. In einer langen und schier endlosen Reihe ziehen die Challenge-Teilnehmer in der Dämmerung von den Parkplätzen hinunter zum Main-Donau-Kanal. Die wenigsten bleiben bei dieser Prozession allein und in Gedanken versunken. Die meisten Athleten sind gerne in Begleitung und es wird viel geredet. Bevor das Rennen losgeht, auf das die Sportler viele Monate oder gar Jahre hingearbeitet haben, ist der Fußmarsch zur Wechselzone die beste Gelegenheit, um sich Mut für den langen Tag zu machen.

"Unser Ziel haben wir ja schon erreicht", sagt ein grauhaariger Athlet zu seinem ebenfalls schon etwas älteren Begleiter. "Wir sind gesund, wir sind am Start, übers Jahr war alles gut. Und jetzt - das ist unser Moment." Am Eingang zur Wechselzone steuert der Mann auf Felix Walchshöfer zu. Der Challenge-Veranstalter hat sich hier postiert, um gut eine Stunde vor dem Start noch möglichst vielen seiner Kunden die Hand zu schütteln. "Danke für alles", sagt der Mann mit kräftiger Stimme zu Walchshöfer. Ein paar Meter weiter flüstert er ehrfürchtig zu seinem Begleiter: "Das war der Veranstalter."

Viertel vor sechs ist es dann vorbei mit der Idylle am Main-Donau-Kanal. "Jetzt ist Renntag", ruft der Challenge-Sprecher in sein Mikrofon. Kurz darauf beginnt die Musik. Der Challenge-Song wird in einer dramatisch-emotionalen Version gespielt. Doch die seit Jahren bekannte Choreografie für die letzte Phase vor dem ersten Startschuss wird jäh unterbrochen: Kurz vor sechs Uhr herrscht plötzlich Ruhe. Ein Stromausfall bringt die Organisatoren in die Bredouille.

Nicht nur, dass die Soundanlage ausgefallen ist, auch die großen, aufblasbaren Tore des Hauptsponsors sinken langsam zu Boden. Würde jetzt das Rennen schon laufen, kein Triathlet würde es auf normalem Weg aus der Wechselzone auf die Laufstrecke schaffen. "Das ist heut schon das zweite Mal", ruft Werner Crusius verärgert. Doch so leicht lässt sich der erfahrene Wettkampfleiter, der schon seit den Anfangszeiten des Rother Langdistanztriathlons dabei ist, nicht aus der Ruhe bringen. Kurz nachdem er am Verteilerkasten zwei große Stecker tauscht, ist das Problem mit der Stromversorgung bald behoben.

Der Triathlon-Party am Sonntagmorgen steht damit nichts mehr im Weg. Die Musik und die Stimme des Moderators dröhnt wieder aus den riesigen Lautsprechern. Zigtausend Zuschauer säumen das Ufer des Main-Donau-Kanals oder stehen oben auf der Kanalbrücke. Pünktlich um 6.30 Uhr donnert die Kanone los, weißer Qualm steigt auf, die Ballone der Sponsoren steigen in den Himmel auf und die erste Startgruppe mit den schnellsten Männern und den Senioren macht sich auf den weiten Weg zum Ziel.

Im Fünf-Minuten-Takt donnert ab jetzt die Kanone los, bis alle der rund 3400 Einzelstarter und die rund 650 Staffeln im Rennen sind. Als die Schnellsten schon bald zurück in der Wechselzone sind, winkt hinter einem Gitter am Schwimmausstieg eine junge Frau mit zwei bunten Staubwedeln. Ihr Blick richtet sich nicht auf die Spitzenathleten, die direkt an ihr vorbei laufen, sondern auf die Gruppe derjenigen, die ein paar hundert Meter weiter gleich erst ins Rennen gehen. Wahrscheinlich ist ihr Liebster in dieser Gruppe dabei. Als die Kanone losbricht, kullern Tränen über das Gesicht der jungen Frau, die sich fest an ihre Staubwedel klammert. Wenn alles gut geht, gibt es später Freudentränen im Ziel in Roth.