Marienstein
"Wir hatten nie wieder Motivationsprobleme"

Brose Bambergs Manager Wolfgang Heyder sprach in Marienstein über sein Rezept für großen Sport in einer kleinen Stadt

24.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:05 Uhr

 

Marienstein (EK) Wolfgang Heyder ist das, was man einen Self-Made-Man nennt. Ein Mensch, der die Dinge in die Hand nimmt, der sich nur ungern etwas vorschreiben lässt. Schon als junger Mann finanziert er sein Studium selbst: Als Mitinhaber einer Konzertagentur, die noch heute existiert und inzwischen Rock-Größen wie AC/DC betreut hat. Als Heyder nach dem Studium beim Bamberger Basketballverein ins Management einsteigt, beginnt auch die Erfolgsgeschichte der Brose Baskets. Die Bamberger werden in den darauf folgenden Jahren sechsmal Deutscher Meister, viermal Pokalsieger und ebenso oft Champions-Cup-Gewinner.

Ausschlaggebend für den Erfolg ist vor allem, dass Heyder sein sehr exakt strukturiertes Personalkonzept durchziehen kann. Als der neue Besitzer gegen den Widerstand von Heyder in diesem Sommer Erfolgstrainer Chris Fleming feuert, lässt sich der Sportmanager das nicht gefallen und zieht sich zurück. „Ich bin in meinen Entscheidungen konsequent“, sagt er – und lenkt fortan die Jugendarbeit. Keineswegs beendet ist dagegen die Zusammenarbeit mit dem Kinderdorf Marienstein, die vor allem über den Sportpädagogen Erwin Frey läuft. Auf Einladung des Kinderdorfes sprach Heyder in Marienstein über das Erfolgsrezept, eine funktionierende Mannschaft zusammenzustellen und gleichzeitig die Region für den Verein zu begeistern. Ein Konzept, das zwar vor allem auf den Sport gemünzt ist, aber auch in der Wirtschaft auf große Aufmerksamkeit stößt.

WOLFGANG HEYDER ÜBER...

... die Region

„Die Zuschauer und die Region sind der zentrale Punkt, wenn eine Mannschaft in einer kleinen Stadt wie Bamberg Erfolg haben will. Du musst alle hinter dich bringen. Das funktioniert aber nur, wenn nicht nur wir als Verein profitieren, sondern wenn alle auch von uns profitieren. Rein sportlich gesehen also, dass wir nicht nur Jugendspieler von den kleinen Vereinen holen, sondern dass diejenigen, die es nicht zu den Profis geschafft haben, perfekt ausgebildet zu ihren Heimatvereinen zurückkommen.“

... die Zuschauer

„Wenn dieser Gedanke etabliert ist, kommen auch die Zuschauer. Die Halle muss voll sein, nur dann entsteht eine besondere Atmosphäre. Wir haben 6800 Plätze, und seit sechs Jahren ist jedes Spiel ausverkauft.“

... Identifikation

„Wir verpflichten nur Spieler, die sich mit uns identifizieren. Wir haben auf Top-Spieler verzichtet, bei denen wir den Eindruck hatten, die Stadt interessiert sich nicht. So genannte Söldner werden nie in eine gewachsene Mannschaft zu integrieren sein.“

... Geld

„Wir haben nicht so große finanzielle Möglichkeiten wie andere Vereine. Aber wir haben über die VIP-Betreuung ein überregionales Netz aufgebaut, so dass wir auch Sponsoren bekamen, die normalerweise nie in Bamberg investieren. Am Wichtigsten ist allerdings die Unterstützung des Mittelstandes, der eine breite finanzielle Basis des Profisports bildet.“

... das Führungsteam

„Wir sind in Bamberg nicht der Nabel der Welt. Also müssen wir mit anderen Dingen punkten. Wir haben darauf geachtet, eine hohe Trainerqualität zu verpflichten. Wir haben nur Trainer geholt, die bereit waren, mit den Spielern zu arbeiten und sie nicht nur zu verwalten. Ich habe Individualtrainer verpflichtet für den Wurf, für sehr große Spieler oder speziell für die Athletik. Ein Spieler, der sich für uns interessiert, erkennt sehr schnell, dass er als Sportler hier besser werden kann. Auch wenn er weniger Geld verdient als anderswo. Wir hatten Spieler, die sich in Bamberg so sehr verbessert haben, dass sie später in der NBA 30 Millionen verdient haben. So etwas spricht sich natürlich in der Szene herum.“

... Führungsspieler

„Du brauchst in jeder Mannschaft ein paar Leute, die schon etwas Bedeutendes gewonnen haben, die wissen, wie es sich anfühlt, ein großes Ziel erreicht zu haben. Diese Typen geben den anderen weiter, was man tun muss, um erfolgreich zu sein. Das sind auch die Charaktere, die Rückschläge wegstecken können.“

... Motivation

„Die Ziele müssen ganz stark aus der Mannschaft selbst kommen. Wir sprechen natürlich mit den Führungsspielern über die offensichtlichen Ziele. Aber dann zieht sich die ganze Mannschaft einen Tag ohne uns und den Trainer zurück und hat die Aufgabe, ihre eigenen Ziele zu erarbeiten. An diesem trainingsfreien Tag entwickelt sich eine Dynamik in der Mannschaft. Die Jungs analysieren ganz genau, welche Bereiche, zum Beispiel in der Abwehr, besser werden müssen - und was sie erreichen wollen. Diese Ziele kommen auf ein Plakat an die Kabinenwand. Wir hatten seitdem nie wieder Motivationsprobleme. Die Jungs wussten: Das haben wir selbst so entschieden.

... Führungsstil

„Ganz besonders haben mich zwei Trainer durch ihre völlig verschiedene Art, eine Mannschaft zu führen, fasziniert. Dirk Bauermann war relativ aggressiv, hat die Spieler ab und zu auch hart angegangen. Aber er hat es immer wieder geschafft, sie zurückzuholen, so dass sie sich nicht distanziert haben. Chris Fleming war ein ganz anderer Typ. Ein Teamarbeiter, der unwahrscheinlich viel mit positiver Verstärkung gearbeitet hat. Er hat dadurch die Spieler unwahrscheinlich motivieren können. Außerdem hat er sich jeden Tag mindestens ein oder zwei Minuten Zeit genommen, mit jedem einzelnen Spieler zu sprechen. Er hat dadurch eine ganz neue Kultur in unser Team gebracht.