Inching
Pleiten, Pech und Podium

Der Inchinger Hubertus-Carlos Vier blickt auf eine abwechslungsreiche Saison zurück

20.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:31 Uhr

Positive Bilanz nach dem ersten Jahr im Langstrecken-Wagen: Hubertus-Carlos Vier.

Inching (EK) Zehn Rennen: Zwei Mal Podium, drei Mal Top Ten, fünf Mal Pech. Kann man damit als Rennfahrer zufrieden sein? „Es war für mich nicht die beste Saison”, sagt der Inchinger Hubertus-Carlos Vier.

Trotzdem gewinnt er auch dieser Saison etwas Positives ab. „Viele Runden auf der Nordschleife des Nürburgrings haben mir eine Menge Erfahrung gebracht. Jetzt habe ich Blut geleckt und bin heiß darauf, nächstes Jahr wieder im VLN-Langstreckenpokal an den Start zu gehen“, meint der 20-Jährige.

Dabei war Viers erste Saison in einem Tourenwagen und auf der Langstrecke alles andere als erfolglos. Der Inchinger war in den letzten Jahren hauptsächlich in der Formel 3 unterwegs, die sich von den Fahrzeugen, der Fahrweise und dem Rennmodus grundsätzlich von Langstreckenrennen unterscheidet. Mit den Besonderheiten der „Grünen Hölle“, wie die Nordschleife des Nürburgrings genannt wird, dem Jochen Schweizer MPB Racing Team und seinem BMW M 235i kam er gut zurecht, auch wenn dieses Auto ein noch unzureichendes Fahrwerk aufweise und daher extrem schwierig zu fahren sei. Sein Einstand in der Welt der Tourenwagen war daher geglückt – wenn auch teilweise mehr als holprig.

Bereits im ersten Rennen begann Viers Pechsträhne, die sich durch die komplette Saison zog. Das Rennen dauerte gerade einmal eine Stunde, als sich ein tragischer Unfall ereignete. Ein Nissan GT3 kam von der Strecke ab und flog in eine Sicherheitszone, in der sich Zuschauer aufhielten. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt, ein Mann erlag noch im Medical Center am Nürburgring seinen schweren Verletzungen. Das Rennen wurde abgebrochen.

Vier war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht auf der Strecke. Für ihn endete sein erstes Rennen auf der Nordschleife des Nürburgrings, bevor es überhaupt begonnen hatte.

Das zweite Rennen schien für ihn auch nichts Gutes bereitzuhalten. Beim freien Training hatte ein Gastfahrer das Fahrwerk seines Autos so schwer beschädigt, dass das Lenkrad um ganze 160 Grad schief stand. Die Mechaniker reparierten das Auto zwar über Nacht, allerdings reichte die Zeit des Qualifyings dann nicht mehr aus, um ein passendes Setup für das Rennen festzulegen. Trotzdem schafften es Vier und sein schwedischer Teamkollege Victor Bouveng von Startplatz 15 aus, sich jede Runde ein Stück weiter nach vorne zu arbeiten und fuhren nach einer rasanten Aufholjagd auf den dritten Platz des Siegertreppchens.

Pannen am Fahrzeug, Missgeschick eines Fahrerkollegen, aber auch Fehlentscheidungen des Teams – bis kurz vor Saisonende ging die Pechsträhne weiter. Drei Mal kam Vier überhaupt nicht hinters Steuer des Tourenwagens. Für den Inchinger eine ziemliche Enttäuschung. Sein Vater Reinhard Vier sagt jedoch: „Mentale Stärke zeichnet einen professionellen Rennfahrer aus – die hat er.“ Seit seinem vierten Lebensjahr betreibt Hubertus-Carlos Vier Motorsport. Dabei hat er gelernt, mit Enttäuschungen, Entbehrungen und Niederlagen umzugehen.

„Auch durch die wachsende Erfahrung wurden die Runden, die ich fuhr, konstanter – durch verbesserte Streckenkenntnisse wächst das Selbstvertrauen beim Fahrer und das ergibt auch schnellere Rundenzeiten – sodass ich auch in den Zweikämpfen klare Vorteile hatte“, erklärt Vier.

Doch im vorletzten Rennen kam das Glück langsam zu Vier und seinem Team zurück. Das Qualifying verlief zunächst gut, durch ein schneller werdendes Rennen fiel das Jochen Schweizer Team jedoch noch auf Startplatz neun zurück. Durch gute Einzelarbeiten konnten Vier und sein Kollege Max Sandritter zu den vorderen Plätzen aufschließen. Vier übernahm in seinem letzten Stint den Schlussspurt und gewann einen rundenlangen Zweikampf gegen Moritz Gusenbauer vom Team Sorg Rennsport, sodass er am Ende den vierten Platz und wichtige Wertungspunkte einfahren konnte.

Zum Saisonfinale reiste das junge Team mit einem riesigen Motivationsschub im Gepäck an. Zwar mussten die Fahrer zu Beginn noch etwas zittern, da sehr dichter Nebel herrschte. Das Rennen wurde trotzdem nach Plan durchgeführt und mit dem sechsten Startplatz war Vier sehr zufrieden. Wegen der Witterungsbedingungen wurde das Rennen auf drei Stunden Dauer verkürzt. Vier übernahm nach 80 Minuten das Steuer von Sandritter, der bereits auf den fünften Platz vorgefahren war. Bis zum Rennende hatte er den zweiten Platz im Blick. Der Nebel wurde zu dicht, das Rennen wurde abgebrochen, und es zählte die letzte gefahrene Runde – Platz drei für Vier.

Insgesamt belegte Vier in der VLN-Juniorwertung den zehnten Platz unter 25 Fahrern, in der BMW Sports Trophy 2015 den zehnten Platz unter 31 Mitstreitern. Ein beeindruckendes Resultat seiner Debüt-Saison mit einem Tourenwagen. „Die Nürburgring-Nordschleife ist ein Mythos, eine ständige Herausforderung, die süchtig macht“, sagt Vier. Außerdem hat ihn die Fankultur an der Nordschleife zutiefst beeindruckt: „Die Fans an der Strecke sind einzigartig! Sie campieren dort, stehen mit Bratwurst und Bier in der Hand an der Rennstrecke, spenden Beifall – im Gegenzug antworten die Piloten mit spannenden Zweikämpfen oder Grüßen per Lichthupe, wenn es die Rennsituation gerade mal erlaubt.”

Nächstes Jahr möchte der Inchinger wieder durch die „Grüne Hölle“ jagen – allerdings gerne in einem schnelleren GT3-Rennwagen. Eine Entscheidung, mit welchem Team er das umsetzen könnte, hat er noch nicht getroffen. Oberste Priorität hat nun erst einmal wieder sein Maschinenbau-Studium.