Heideck
"Jammern löst keine Probleme"

Dieter Habermann spricht als Ehrenamtsreferent des BFV über den Stellenwert des Ehrenamts in Vereinen

18.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:02 Uhr

Blickt optimistisch in die Zukunft: Der Ehrenamtsreferent des BFV, Dieter Habermann. - Foto: BFV

Heideck (HK) Wer macht das denn? Diese Frage wird in nahezu jeder gesellschaftlichen Gruppierung, auch im Verein, wohl am häufigsten gestellt. Im Fußball heißt die Antwort fast immer: die Ehrenamtlichen. Der Heidecker Dieter Habermann, Ehrenamtsreferent des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV)

Herr Habermann, Sie stehen beim Bayerischen Fußball-Verband an der Spitze der Ehrenamtsbewegung. Verwalten Sie ein Auslaufmodell?

Dieter Habermann: Wie kommen Sie darauf? Das Gegenteil ist doch der Fall. Das Ehrenamt steht so hoch im Kurs wie nie.

 

Das ist eine mutige Aussage. Es wird doch an allen Ecken und Enden händeringend nach Ehrenamtlichen gesucht.

Habermann: Das ist keine mutige Aussage, sondern ein Fakt. Wir haben laut dem Allensbacher Institut für Demoskopie in Deutschland aktuell 14,36 Millionen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Die Zahlen sind in den letzten Jahren sogar stetig gestiegen.

 

Woher kommt dann der Eindruck, dass sich niemand mehr für die Ehrenämter - beispielsweise im Fußballverein - begeistern lässt, wenn es doch keinen Grund zu jammern gibt?

Habermann: Natürlich wird händeringend nach Helfern gesucht. Arbeit gibt es schließlich genug. Und die freiwilligen Helfer stehen nicht Schlange. Aber nur jammern, dass sich niemand finden würde, bringt uns nicht voran. Es macht mich sogar richtig wütend. Ja, es stimmt: Ich finde nicht mal eben einen neuen Vereinsvorsitzenden, einen Jugendleiter, Trainer oder Betreuer. Nur liegt es ganz offensichtlich ja nicht daran, dass es keine Menschen gibt, die sich ehrenamtlich engagieren wollen. Wir haben wie gesagt Rekordzahlen in Deutschland. Nicht immer hat also das Bauchgefühl recht.

 

Wie passt das denn zusammen?

Habermann: Ganz einfach: Das Entscheidende ist doch, wofür sich die Menschen engagieren, wie viel Zeit sie dafür aufbringen müssen und auch, was sie selbst davon haben. Diese Fragen haben sich die Menschen bei der Wahl eines Ehrenamtes schon immer gestellt. Allerdings müssen die Antworten heute anders ausfallen als vor zehn oder 20 Jahren.

 

Das müssen Sie erklären.

Habermann: Die Bereitschaft der jungen Generation, sich ehrenamtlich zu engagieren, ist kleiner geworden, nicht wahr?

 

So ist zumindest die landläufige Meinung.

Habermann: Gut. Eine Frage: In der ganzen Welt wurde Deutschland dafür bewundert, wie viele Menschen sich in der Flüchtlingshilfe ehrenamtlich engagiert haben. Welche Altersgruppe hat sich denn 2014 am stärksten eingebracht?

 

Sie werden es uns verraten.

Habermann: Die 20- bis 29-Jährigen mit 28,8 Prozent. Das sind Zahlen der Humboldt-Universität Berlin. Gefolgt von den über 60-Jährigen mit 24,5 Prozent. Das zeigt, dass die Jungen wohl bereit sind, sich gesellschaftlich zu engagieren.

 

Wenn die Bereitschaft - auch der jungen Menschen - da ist, warum tun sich Vereine denn so schwer, diese Menschen zu binden. Oder trügt der Schein?

Habermann: Nein, der Schein trügt nicht. Wir müssen uns alle gehörig anstrengen. Aber wir müssen uns dabei vor allem die richtigen Fragen stellen. Wir fragen uns immer noch viel zu häufig: Wie begeistere ich die Menschen für ein bestimmtes Ehrenamt? Die Frage muss aber eher lauten: Wie muss das Ehrenamt aussehen, dass sich die Menschen dafür begeistern?

 

Wie soll das Ehrenamt denn im Fußballverein aussehen? Ein Trainer ist ein Trainer, ein Jugendleiter ist ein Jugendleiter.

Habermann: Für die Bezeichnungen der Ämter stimmt das, nicht aber für die Aufgabengebiete. Ein Jugendleiter in den 1990ern ist kaum mehr mit dem Jugendleiter im Jahr 2016 zu vergleichen. 56 Prozent der 14- bis 30-Jährigen versprechen sich von ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit, dass sie mit den im Ehrenamt erworbenen Kompetenzen auch beruflich vorankommen.

 

Die Gesellschaft befindet sich im Wandel. Wie optimistisch sind Sie, diesen Wandel beim Ehrenamt zu schaffen?

Habermann: Sehr optimistisch. Das gilt für den Verband wie auch für die Vereinswelt. Wir haben beim Thema Ehrenamt eine starke Ausgangsposition. 2009 brachten sich 47 Prozent aller ehrenamtlich Engagierten in Deutschland laut Bundesfamilienministerium in einem Verein ein. Eine neuere Stichprobe von 2014 zeigt, dass Sportvereine auch bei ehrenamtlich engagierten Jugendlichen zwischen zwölf und 18 Jahren die Nummer eins sind. Wir haben in Deutschland bereits ein großes Netzwerk. Das soll natürlich noch größer und enger werden. Aber ich werde nicht über den Status Quo jammern. Das hilft nicht weiter und löst keine Probleme.