München
Die Löwen und ihre fetteste Beute

Vor 50 Jahren gewann der TSV 1860 München seine einzige deutsche Meisterschaft

27.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:45 Uhr

Gewinner in Giesing: Löwen-Kapitän Peter Grosser nimmt die Meisterschale im Grünwalder Stadion in Empfang. - Foto: Imago

München (DK) Am 28. Mai 1966, also genau an diesem Samstag vor 50 Jahren, reckte 1860-Kapitän Peter Grosser im Stadion an der Grünwalder Straße die Meisterschale in die Luft. Ein halbes Jahrhundert nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte ist ein weiterer Titel Utopie.

In schwierigen Zeiten erinnert man sich besonders gerne an die schöneren Momente der eigenen Vergangenheit zurück. Die Löwen-Fans, die im zweiten Jahr in Folge um die Zweitliga-Existenz ihres Herzensvereins zittern mussten, lösten dies in den vergangenen Wochen auf eine besonders originelle Art und Weise: Wie schon beim Heimspiel der Zweitliga-Mannschaft gegen Eintracht Braunschweig Ende April begeisterten sie auch beim Saisonabschluss des Regionalliga-Teams im Grünwalder Stadion mit einer beeindruckenden Choreografie zu Ehren der Meisterlöwen von 1966. Detailliert wurde dabei die Geschichte der erfolgreichen Saison 1965/66 nachgezeichnet. "Das ging unter die Haut", betont auch Peter Grosser, Kapitän der Meistermannschaft von 1966, der beim 4:1 gegen den TSV Rain vor einer Woche selbst im Stadion war.

Ein Rückblick: Es ist Samstag, der 28. Mai 1966, als dem damals 27-jährigen Grosser im Grünwalder Stadion eine ganz besondere Ehre zuteil wird: Nach einem 1:1 gegen den Hamburger SV (Torschützen: Rudi Brunnenmeier und Uwe Seeler), mit dem die Münchner zuvor auch die letzten theoretischen Zweifel beseitigt hatten, darf der Kapitän die Meisterschale in den Giesinger Abendhimmel recken. Drei Jahre nach Gründung der Bundesliga hatten es die Löwen im Endspurt tatsächlich noch geschafft, das spannende Meisterschaftsrennen zu drehen. Partystimmung in Giesing. Auch bei den Spielern? "Eher Erleichterung", erinnert sich Grosser. Der große Nervenkitzel hatte ja bereits eine Woche zuvor in Dortmund stattgefunden.

Zwei punktgleiche Mannschaften an der Spitze, in der Tabelle nur durch einen einzigen Treffer getrennt. Die BVB-Nationalspieler Lothar Emmerich, Reinhard "Stan" Libuda und Siggi Held gegen 1860-Stars wie Petar Radenkovic, Rudi Brunnenmeier oder Friedhelm "Timo" Konietzka im Duell um die Meisterschaft. Es war ein vorgezogenes Saisonfinale, von dem viele Fußballfans in der heutigen Zeit träumen. "Die Anspannung war unwahrscheinlich groß", erinnert sich Löwen-Offensivspieler Hans Rebele.

Der BVB, der kurz zuvor als erste deutsche Mannschaft den Europapokal der Pokalsieger gewonnen hatte, hatte in der Saison 1965/66 bis dahin kein Heimspiel verloren. Doch nach dem ersten Ansturm der Gastgeber fanden die Löwen besser in die Partie. Ein Konter in der 66. Minute traf die Dortmunder schließlich ins Mark: Grosser bediente Brunnenmeier, der zum 1:0 traf. Kurz vor dem Ende legte der Kapitän selbst das 2:0 nach. Der Jubel der mitgereisten Münchner Fans im Stadion "Rote Erde" kannte keine Grenzen mehr. Mit einem Auswärtssieg am letzten Spieltag drehten die Münchner die fast schon verloren geglaubte Meisterschaft.

Nach der Qualifikation für die Bundesliga 1963, dem Pokalsieg 1964 und der Endspielteilnahme im Europapokal der Pokalsieger 1965 gelang den Münchnern in jener Woche vor 50 Jahren der größte Erfolg ihrer Vereinshistorie. Auch Grosser ist sich der immer noch großen Bedeutung des Titels für den Verein und seine Fans bewusst, wenngleich er kritisiert: "Es ist etwas beschämend, dass wir mit dieser tollen Mannschaft nicht noch mehrere Titel drangehängt haben."

Anstatt eine glorreiche Zeit für den Giesinger Arbeiterklub einzuleiten, ging es stattdessen schon 1970 zurück in die zweite Liga. 50 Jahre nach dem Gewinn des Meistertitels ist ein weiterer Erfolg dieser Größenordnung Utopie. Sechzig wurde nach vielen Höhen und Tiefen immer mehr zum Chaosverein mit wenig Kontinuität. "Immer wenn es zu so einem Niedergang kommt, liegt es an Misswirtschaft vom Management, und bei Sechzig gab es viel Misswirtschaft", sagt der aktuelle Löwen-Präsident Peter Cassalette, der am 28. Mai 1966 als zwölfjähriger Löwen-Fan selbst im Stadion mitfeierte. "Es ist mein persönlicher Traum, mit diesem Verein irgendwann wieder aufzusteigen", sagt der Präsident und spricht dabei den zehn noch lebenden Meisterlöwen aus dem Herzen. Mit einer weiteren Meisterschaft allerdings, da ist sich nicht nur Grosser sicher, "wird es in diesem Jahrhundert wohl leider nichts mehr".