Am
Hilferuf des Alleinunterhalters

26.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:18 Uhr

Am Wochenende ist der TSV 1860 spielfrei. Daniel Bierofka, der den
sportlichen Bereich allein verantwortet, kann sich daher grundsätzlichen Dingen widmen. Der Trainer fordert neue Strukturen und einen Sportdirektor.

München (DK) Kuriose Szenen und legendäre Aussagen gab es beim TSV 1860 in der jüngeren Vergangenheit vor allem dann, wenn Investor Hasan Ismaik persönlich in München auftrat. Unvergessen ist beispielsweise, wie der Jordanier bei einer Pressekonferenz im April 2013 öffentlich die Ablösung von Sportchef Florian Hinterberger forderte. Ismaiks "We need a new Sportdirektor" ist in Giesing seitdem ein geflügelter Satz. Fast ein Jahr hielt Hinterberger noch durch, bevor er im März 2014 den TSV (damals Tabellensechster der zweiten Liga) im Unfrieden mit dem Investor verließ. Mit Gerhard Poschner, Necat Aygün (interimsweise), Oliver Kreuzer und Thomas Eichin gab es seitdem in jedem Jahr einen "new Sportdirektor".

Weil seit dem vergangenen Sommer aber bei den Löwen alles anders und die Stelle des Sportdirektors nach wie vor vakant ist, klangen Daniel Bierofkas Worte in dieser Woche gar nicht so anders als Ismaiks von 2013. "Grundsätzlich brauche ich schon einen Sportdirektor", so der Trainer, der im sportlichen Bereich nach wie vor als Alleinunterhalter auftritt. Wohlgemerkt nach wie vor zu U 21-Konditionen. Bierofka: der Trainer, Sportdirektor, Chefscout und Pressesprecher. "Hätte der Tag mehr als 24 Stunden, könnte ich auch noch Tickets verkaufen", lacht der 38-Jährige und betont: "Ich kann das gerne durchziehen. Ich mache das für den Verein. In Zukunft muss man aber schauen, dass man noch eine Instanz dazwischensetzt."

Ein bisschen klingen Bierofkas Worte wie ein Hilferuf, der vor dem spielfreien Wochenende der Löwen sicher nicht zufällig kommt. Zum einen haben die beiden Derbyniederlagen in Augsburg (2:3) und gegen Bayern (0:1) gezeigt, dass der Aufstieg - trotz der bislang begeisternden Saison - doch kein Selbstläufer wird. Gerne würde Bierofka deshalb im Winter den Kader weiter verstärken. "Wir halten die Augen offen", sagt er. "Doch es ist nicht so leicht. Die Jungen wollen lieber in die zweite oder dritte Liga. Und bei den Erfahrenen muss man aufpassen, dass man keinen Abzocker bekommt." Ein Sportdirektor könnte ebenso helfen wie ein Chefscout. Jürgen Jung hatte diese Position im Sommer zusätzlich zu seiner Aufgabe als stellvertretender Leiter des Nachwuchsleistungszentrums übernommen. Bierofka fordert für die Zukunft eine eindeutige Lösung.

Zum anderen drängt die Zeit. Spätestens in der Winterpause muss die neue Saison geplant werden. "Jetzt ist die Zeit zum Handeln. Wir müssen uns professioneller aufstellen", sagt Bierofka. Nach dem Chaos, das der Doppelabstieg ausgelöst hatte, gibt es bislang noch keine klaren Signale der Gesellschafter zur zukünftigen Strategie des Vereins. Auch Hasan Ismaik meldete sich in dieser Woche nach mehrmonatiger Zurückhaltung wieder über ein soziales Netzwerk zu Wort, lobte den Trainer, verbunden mit dem Wunsch, "dass die Voraussetzungen geschaffen werden, damit er seine Arbeit weiterhin erfolgreich erledigen kann."

Auch wenn ein Sportdirektor wohl nicht in naher Zukunft kommen wird, darf Bierofka zumindest hoffen. Benny Lauth (war schon zu Zweitligazeiten ein Thema), Bernhard Winkler (ehemaliger Löwen-Teamchef), Franz Gerber (hätte auf Wunsch des Investors schon im Sommer kommen sollen) oder Dirk Dufner (hat Bundesliga-Erfahrung bei 1860 und anderen Klubs) sind nur ein paar der Kandidaten, die von verschiedenen Seiten ins Spiel gebracht wurden. Ein anderer brachte sich in dieser Woche selbst in Spiel: "Sechzig ist mein Herzensverein, ich war dort Spieler, Trainer der U 21 und Sportchef", sagte Florian Hinterberger der Münchner "Abendzeitung". Und weiter: "Sollte jemand auf mich zukommen, bin ich speziell bei diesem Trainer selbstverständlich bereit, Gespräche zu führen." Möglich also, dass es für Hinterberger bald heißt: "We have a new Sportdirektor." Bierofka würde sich auf jeden Fall freuen.