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Der Glücksfall

08.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:43 Uhr

Nürnberg (DK) Seit einem Jahr ist Michael Köllner Coach beim Club. In seiner Anfangszeit begleitete ihn Skepsis, weil er nie höherklassig gespielt und keine Trainererfahrung im Profibereich hatte. Jetzt könnte er den Aufstiegstraum erfüllen.

Da wo Michael Köllner herkommt, in Fuchsmühl im Fichtelgebirge, soll der Wind also noch ein bisschen rauer wehen als anderswo. "Ich bin relativ kühl. Vielleicht liegt das ja an meiner harten Herkunft", sagt der Oberpfälzer und begründet damit seinen wenig emotionalen Rückblick auf die 0:2-Derbyniederlage des 1. FC Nürnberg gegen die SpVgg Greuther Fürth. Natürlich habe er sich darüber geärgert. "Doch ich sehe vor allem die Fakten", betont Köllner. "Und die sagen mir: Wir haben eine tolle Mannschaft und sind trotzdem sehr gut unterwegs. Punkt."

Wie Köllner dieses Thema beendet, passt zu seiner geradlinigen Art, mit der er bei vielen, aber nicht bei allen Fans immer ankommt. Dabei sprechen die von ihm zitierten Fakten doch tatsächlich für den Club und damit auch für seine eigene Arbeit, die sich in diesen Tagen besonders gut messen lässt. Ziemlich genau ein Jahr ist Köllner, der am 7. März 2017 von Alois Schwartz übernahm, im Amt. Fünf Tage später folgte sein Debüt: ein 1:0-Heimsieg gegen Arminia Bielefeld. Der Club hatte damals zuvor ebenfalls das Derby verloren und stand als Elfter im Niemandsland. Ein Jahr später, vor dem heutigen Auswärtsspiel in Bielefeld (18.30 Uhr), hat Köllner einen Aufstiegsanwärter geformt.

"Ich glaube, dass diese Entwicklung vor einem Jahr nicht zu erwarten war", sagt er dazu. Vor der Endphase der Saison liegt die Mannschaft auf Rang zwei, fünf Punkte vor dem Relegationsrang, acht vor Platz vier, "und sie liefert keine Argumente dafür, dass man jetzt todtraurig hier reingehen muss", sagt Köllner. Stattdessen gebe es viele andere Vereine, Trainer, Vorstände und Fans, die gerne tauschen würden. "Und das ist das größte Kompliment. Wenn jemand mit dir tauschen will, kann dein Leben nicht so schlecht sein."

Vor allem Köllner hat dafür gesorgt, dass das Leben beim Club wieder so gut ist. Dabei gab es zunächst auch Skeptiker. Keine höherklassige Vergangenheit als Spieler, keine Trainererfahrungen im Profibereich, aber ein forsches Auftreten. "Mich schützt keine Spielerkarriere", sagt Köllner. "Auf der anderen Seite bin ich dadurch ein bisschen unbefangener."

Mit viel Akribie und Perfektion schaffte es der ehemalige Leiter des Nachwuchsleistungszentrums schließlich, dem Team neue taktische Flexibilität und eine offensivere Ausrichtung einzutrichtern, sodass Club-Spiele (bis auf wenige Ausnahmen) vor allem wieder Spaß machen. "Wir haben es mit unserer Art Fußball zu spielen geschafft, dass gegen Fürth das Stadion voll war", sagt Köllner. Man habe außerdem wieder eine hohe Identifikation geschaffen, für die auch der Trainer selbst sorgt, wenn er beispielsweise glaubhaft für die schönsten Ecken des Nürnberger Christkindlesmarkts wirbt.

"Wenn ihn jemand als Glücksfall bezeichnet, würde ich nicht widersprechen", hat Sportvorstand Andreas Bornemann vor Kurzem gesagt. "Er verfolgt Ideen konsequent, ohne dogmatisch zu sein. Und es ist schön, mit jemandem diskutieren zu können, der über den Tellerrand hinausblickt." Denn auch das macht Köllner, der seinen Spielern aus Büchern vorliest oder sich auch zu heiklen Themen im Vereinsumfeld offen äußert. Zum Beispiel zu den Fans. "Die sind hier so eine Variable, die schwierig ist. Manche sind superzufrieden, andere würden dir manchmal gerne das Messer reinhauen. Und ich weiß, wie sehr hier die Volksseele kocht, wenn man einmal Misserfolg einstecken muss."

Bei diesem Thema wird Köllner emotional. Genau wie bei der Auswahl seines Kaders, bei der er Woche für Woche harte Entscheidungen treffen muss. So auch vor dem Spiel in Bielefeld, für das neben den Langzeitverletzten alle zur Verfügung stehen. "Am Ende lasse ich dabei mein Herz sprechen. Das ist mein Ratgeber vor schwierigen Entscheidungen - und damit bin ich bisher immer gut gefahren." So kühl wie der Wind im Fichtelgebirge ist Michael Köllner dann eben doch nicht.