Kitzbühel
"Ungarn hat mich an den FCI erinnert"

Ingolstadts Stürmer Lukas Hinterseer erzählt von seinen EM-Erfahrungen mit Österreich

29.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:37 Uhr

Einsatz auf großer Bühne: Der FCI-Stürmer Lukas Hinterseer (rechts) kam für Österreich in der EM-Begegnung gegen Portugal zum Einsatz. Hier gewinnt er das Kopfballduell gegen Ricardo Carvalho. - Foto: Eibner

Kitzbühel (DK) Lukas Hinterseer war dabei. Nach seiner Einwechslung in der Partie gegen Portugal darf sich der 25-jährige Stürmer ab sofort damit rühmen, der erste EM-Spieler des FC Ingolstadt 04 zu sein. Trotz des frühen Vorrunden-Aus mit der Mannschaft Österreichs war die Europameisterschaft für den 25-Jährigen ein "Riesenerlebnis". Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt der Stürmer außerdem von seinem Kurzeinsatz gegen Portugal, was ihn an Cristiano Ronaldo beeindruckt hat und warum er keine Trikots tauschen wollte.

Herr Hinterseer, wo hat es Sie nach dem EM-Stress hingezogen, wo machen Sie gerade Urlaub?

Lukas Hinterseer: Ich bin zu Hause in Kitzbühel, alles gut. Aber der Wechsel war zunächst schon krass: Am Mittwoch vergangener Woche hatten wir noch ein Spiel, waren alle voll angespannt und auf 180. Dann kommt der Abpfiff, und ganz plötzlich ist alles vorbei. Da habe ich schon zwei, drei Tage gebraucht, um runterzukommen. Aber so langsam bin ich jetzt im Urlaubsrhythmus.

 

Und Sie haben endlich auch mal Zeit, die Erinnerungen sacken zu lassen.

Hinterseer: Das Ganze war natürlich ein Riesenerlebnis, keine Frage. Die Spannung beginnt ja schon in der Vorbereitung, von da an ist der Druck eigentlich immer präsent. Dann dieses Riesenturnier, für das ein enormer Aufwand betrieben wird - all das werde ich sicher nicht vergessen.

 

Sie selbst wurden gegen Portugal in der 85. Spielminute eingewechselt. Sind Sie enttäuscht, dass Sie nicht mehr Anteil hatten, oder eher froh, überhaupt ein paar EM-Minuten bekommen zu haben?

Hinterseer: Natürlich träumt jeder davon, so viel wie möglich zu spielen. Zugleich gehört es aber auch zu einer Mannschaft, dass die Akteure, die weniger drankommen, nicht gleich schlechte Stimmung verbreiten. Ich bin schon froh über meinen Einsatz, so selbstverständlich ist das auch nicht. Daran werde ich mich ab jetzt immer erinnern können.

 

In der Partie gegen Portugal hatten Sie die Möglichkeit, mit Cristiano Ronaldo einen der aktuell besten Fußballer, aber auch einen der größten Exzentriker der Szene kennenzulernen. Wie war er?

Hinterseer: Rambo (Torhüter und FCI-Kollege Ramazan Özcan, Anmerk. d. Red.) hatte eigentlich die bessere Chance, ihn kennenzulernen, weil er nach der Partie mit ihm zur Dopingprobe musste (lacht).

 

Tatsächlich? Schöner Zufall.

Hinterseer: Ja, normalerweise sind Dopingproben ja eher nervig. In dem Fall wird Rambo sich aber nicht so beeilt haben (lacht). Aber im Ernst: Ronaldo ist schon eine Wahnsinnspersönlichkeit. Er hat einfach ungeheure Klasse, ist ein Vollathlet und macht alles sehr professionell. Das war schon sehr interessant, ihn zu beobachten und dann am Ende auch noch ein paar Minuten gegen ihn zu spielen.

 

Durch diesen Einsatz haben Sie beim FCI erneut eine Marke gesetzt: Nach ihrem ersten Bundesliga-Tor in der Vorsaison sind Sie jetzt auch der erste EM-Spieler des Klubs.

Hinterseer: Echt? Das wusste ich gar nicht. Schöne Sache.

 

Mit wem haben Sie denn das Trikot getauscht?

Hinterseer: Getauscht habe ich gar nicht. Ich habe ganz bewusst unsere eigenen Trikots aufgehoben, weil da ja auf jedem Shirt die Paarung draufsteht. Und das aus dem Spiel gegen Portugal bekommt im Haus meiner Eltern natürlich einen besonderen Platz.

 

Offensichtlich ist bei Ihnen dann auch kein Trikot zerrissen . . .

Hinterseer: . . . Nein, nein, obwohl wir den gleichen Ausrüster wie die Schweizer haben (lacht). Aber unsere Shirts waren alle stabil, kein Problem.

 

Was hat Sie ansonsten bei dem Turnier beeindruckt?

Hinterseer: Während der Spiele war ich natürlich angespannt und habe eigentlich gar nicht so auf die einzelnen Akteure, sondern eher auf die Mannschaftsleistung geschaut. Und da war für mich schon beeindruckend, wie die Ungarn ihr Spiel angelegt haben. Sie waren eine große Überraschung, hatten einen tollen Kampfgeist und haben mich damit auch ein bisschen an uns, an den FC Ingolstadt, erinnert.

 

Sie haben mit Österreich eine herausragende Qualifikation gespielt. Warum konnte die Mannschaft in keinem Turnierspiel an diese guten Leistungen anknüpfen?

Hinterseer: Natürlich sind wir mit anderen Erwartungen hingefahren. Da muss jetzt jeder vor seiner eigenen Haustür kehren und schauen, ob er alles gegeben hat. In unseren drei Spielen haben wir es tatsächlich nur in der zweiten Halbzeit gegen Island geschafft, an die guten Leistungen aus der Quali anzuknüpfen. Das ist auf dem Niveau einfach zu wenig, weshalb wir dann eben auch nach Hause fahren mussten.
 

Was immer wieder als Erklärung auftauchte, war die Tatsache, dass die Nerven nicht gehalten haben, nachdem es für alle Spieler das erste große Turnier war. Auch wurde viel über die Position von David Alaba und mögliche taktische Fehler diskutiert.

Hinterseer: Das ist im Nachhinein natürlich immer einfacher. Hätten wir eine unserer Chancen zum 2:1 gegen Island genutzt, stünden wir vielleicht jetzt noch im Turnier, und alles wäre gut. So ist jetzt natürlich klar, dass es kritische Stimmen gibt. An der fehlenden Turniererfahrung hat es aber nicht gelegen, da ging es uns ja nicht anders als vielen anderen Mannschaften auch.

 

Im Vorfeld und während der ersten Turniertage wurde viel über die Sicherheit diskutiert - sei es nun wegen drohender Terroranschläge oder den Hooligan-Krawallen. Was haben Sie davon mitbekommen? Gab es Einschränkungen für Sie und Ihr Team?

Hinterseer: Nein. Es war insgesamt schon beachtlich, wie da auf uns aufgepasst wurde. Ich habe nie ein schlechtes Gefühl gehabt. Zur Partie gegen Portugal waren dann auch meine Freundin und die Familie da - die haben von zahlreichen Sicherheitsleuten, Polizisten und vielen Kontrollen erzählt. Auch sie haben sich sicher gefühlt.

 

Worauf haben Sie sich nach dem EM-Aus denn am meisten gefreut?

Hinterseer: In den letzten fünf Wochen habe ich genug Hotelzimmer gesehen und bin nur hin- und hergeflogen. Deshalb war es mir jetzt erst mal wichtig, nach Hause zu kommen.

 

Wie lange werde Sie brauchen, um wieder Vorfreude auf die neue Saison mit dem FC Ingolstadt zu sammeln?

Hinterseer: Unser neuer Trainer Markus Kauczinski hat mich schon angerufen, wir konnten uns also zumindest telefonisch schon mal kurz kennenlernen. Er hat mir gesagt, dass er mich ab 17. Juli, zum offiziellen Trainingsauftakt, wieder in Ingolstadt dabeihaben will.

 

Ist das genug Zeit für Sie, um sich zu erholen?

Hinterseer: Absolut. Nach dreieinhalb Wochen Pause will ich dann ganz sicher wieder auf dem Platz stehen.