Ingolstadt
"Schweinsteiger ist schlecht"

17.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:30 Uhr

Fragender Blick: Ahmed Akaichi (links) mit seinem Deutschlehrer Rüdiger Woog. - Foto: Gottfried Sterner

Ingolstadt (DK) Ahmed Akaichi braucht kein ruhiges Klassenzimmer, um Deutsch zu lernen. Er sitzt in der Hotellobby neben dem Eingang, umgeben von den vermeintlich ablenkenden Geräuschen einer Espressomaschine, eines Staubsaugers oder lauten Telefongesprächen. Aber der Fußballprofi des FC Ingolstadt lässt sich nicht stören.

„Sind die Schuhe bunt“, liest der 22-Jährige konzentriert eine Frage aus seinem Buch. „Nein“, antwortet er, „sie sind alt.“
 

Der Stürmer des FC 04 könnte den Materialwart der Schanzer also schon mal auf alte Schuhe aufmerksam machen. Das wird zwar nicht nötig sein, weil Akaichi erst seit gut zwei Wochen im Training ist, aber immerhin. Wer denkt, Lehrer Rüdiger Woog würde Akaichi in seinem Deutsch-Crashkurs erst einmal Begriffe wie „spiel ab“, „schieß“ oder „Foul“ beibringen, liegt falsch. Fußballspezifische Ausdrücke lässt der Pädagoge zwar auch einfließen, aber vielmehr verwickelt er Akaichi in ein permanentes Frage- und Antwortspiel. Und das (fast) alles auf Deutsch. „Unser Konzept sieht eigentlich vor, ausschließlich in der neuen Sprache zu unterrichten“, sagt Woog von der Sprachenschule Inlingua, „weil ein Kind ja so auch seine Muttersprache lernt. Aber hier ist das schon eine besondere Situation. Ahmed soll schnell Fortschritte machen, da muss ich manchmal auf Französisch nachhelfen“, erklärt Woog.

Akaichi lernt schnell. „Ist Ronaldo gut“, fragt Woog. „Ronaldo ist gut“, antwortet der Tunesier. „Ist Schweinsteiger gut“, fragt Woog erneut. „Schweinsteiger ist schlecht“, antwortet Akaichi und strahlt übers ganze Gesicht. Dann erklärt er schnell auf französisch: „Das muss ich doch sagen, weil wir im Pokal bald gegen die Bayern spielen. Aber natürlich ist Schweinsteiger gut, und die Bayern auch. Bei denen würde ich auch gerne spielen.“

Der Schalk sitzt dem wissbegierigen Fußballprofi also auch im Nacken. Und so geht es munter weiter. 90 Minuten ohne Pause. Vokabeln, Fragewörter, Zahlen und Verbformen – alles packt Woog in den Unterrichtsstoff hinein und bezieht außer dem Lehrbuch nur einige Dinge aus der Umgebung in den Dialog mit ein. „Das Armband ist gelb“, „Ist die Tasse leer“, „Wie heißt du“ oder „Er ist Fußballprofi“ lauten einige Übungssätze. Akaichi (gesprochen Akeischi) ist konzentriert, arbeitet mit dem Lehrer ohne Unterbrechung und schafft so eine Lektion in einer Doppelstunde, wofür Woog normalerweise drei ansetzt. „Es macht mir Spaß. Natürlich ist es am Anfang schwer, aber es wird bestimmt bald leichter“, meint Akaichi, der in Tunesien 13 Jahre zur Schule ging und mit dem Baccalaureat, dem dortigen Abitur, abschloss. „Ich war schon ein guter Schüler“, sagt Akaichi nicht ohne Stolz.

Fehlt nur noch, dass Akaichis sprachliche Fortschritte von sportlichem Erfolg begleitet werden. „Das Spiel gegen den FSV Frankfurt war für mich schwierig. Ich brauche noch Eingewöhnungszeit. Mit meiner Leistung war ich noch nicht zufrieden“, meint Akaichi selbstkritisch.

Ob der 1,85 Meter große Tunesier morgen gegen die SpVgg Greuther Fürth wieder in der Startelf steht, ist noch fraglich. Gelänge ihm aber gegen Max Grün ein Tor, könnte er den SpVgg-Keeper sogar schon mit seinen Deutschkenntnissen nerven. „Es tut mir leid. Ich bin Fußballprofi. Ich bin gut und schieße viele Tore“, brächte Akaichi jedenfalls schon fehlerfrei über die Lippen. Aber wahrscheinlich beließe er es einfach bei einem erleichterten Jubel über sein erstes Tor im FC-Trikot.